Die modernen Gladiatoren sitzen in Glaskästen, sie tragen Namen wie GunElite oder KraQz. Über die riesige Leinwand flimmern rasante Shooter-Gefechte, für die Epilepsie-Warnungen einst erfunden wurden. Das Publikum starrt teils gebannt gen Bühne, teils lässig auf die allgegenwärtigen Smartphones.
Nach einstündigem Dauerfeuer verkünden zwei festlich gekleidete Kommentatoren das Resultat: Fab Games gewinnt das innerdeutsche Duell mit 3:0 gegen Team Nextgen - und darf somit zum großen Finale nach Los Angeles reisen. Wir sind zu Gast auf der Call of Duty Championship 2015 im notorisch verregneten London.
Hier streiten sich Europas E-Sports-Größen um die Qualifikation zur offiziellen Weltmeisterschaft - dort wird dann um ein Preisgeld in der absurden Gesamthöhe von einer Million US-Dollar geschossen. Aber warum spielen die hier eigentlich alle Call of Duty: Advanced Warfare? Sind denen Server-Probleme und lästige Lag-Kompensation egal? Wir forschen nach.
Die Weltmeisterschaft
Ende März veranstaltet Activision jedes Jahr das Finale des Call of Duty Championship in Los Angeles, gesponsert wird die Show von Microsoft, auf dessen Xbox One die 32 Teilnehmerteams um den Weltmeistertitel ringen. Dabei geht es um Preisgeld von insgesamt einer Million US-Dollar, das unter den Erstplatzierten aufgeteilt werden. Im Vorjahr gewann das amerikanisch-kanadische Team CompLexity und strich 400.000 Dollar ein.
Auch die Plätze zwei bis acht - also alle anderen, für die es Siegprämien gab - gingen an Nordamerikaner und Australier. Ein Beleg dafür, dass die CoD-Spieler im englischen Sprachraum inzwischen viel professioneller aufgestellt sind als in der alten Welt. Die deutschen Teams SK Gaming und Killerfish schieden bereits früh aus.
Hinter dem Spektakel stecken natürlich knallharte Werbeinteressen: Für Microsoft ist das Turnier eine dringend nötige Gelegenheit, seine Xbox One zu bewerben - laut den Marktforschern der NPD Group liegen die US-Verkaufszahlen der Konsole weiter hinter denen der PlayStation 4. Und auch Activision drückt mit der professionell inszenierten und moderierten Show aufs Marketing-Gaspedal.
Veranstaltet wird das Turnier von der amerikanischen Major League Gaming, dem weltgrößten E-Sports-Anbieter mit neun Millionen registrierten Usern. Das diesjährige Finale findet am 28. und 19. März 2015 statt, das Halbfinale und das Finale werden live auf Xbox Live übertragen.
Liebe, Hass - und Erfolg
4,5 von 10 Punkten: Das ist die durchschnittliche User-Bewertung von Call of Duty: Advanced Warfare auf der Wertungswebsite Metacritic. Okay, User-Wertungen sind immer mit Vorsicht zu genießen und oft geprägt von Vorurteilen - dennoch ein erbärmliches Ergebnis. Und doch hat sich dieser vermeintlich so miserable Shooter laut Analysten bislang über 18 Millionen Mal weltweit verkauft.
Damit hat Advanced Warfare zwar bislang die von Activision anvisierte 20-Millionen-Marke verfehlt, dennoch stößt Call of Duty alljährlich in Verkaufssphären vor, von denen die meisten Spieleserien nur träumen können. Zum Vergleich: Skyrim hat sich zwar sogar über 20 Millionen Mal verkauft - aber in vier Jahren, nicht in vier Monaten. Kolportierter Gesamtumsatz von Advanced Warfare: über eine Milliarde US-Dollar.
Obwohl es traditionell erst im November erscheint, steht jedes neue Call of Duty weit vorne in den Branchen-Hitlisten, mit 5,8 Millionen verkauften Exemplaren dominierte Advanced Warfare auch die US-Charts des Jahres 2014 - deutlich vor Destiny (3,8 Millionen) und GTA 5 (3,3 Millionen).
Die alten Glanztage der immer neuen Verkaufsorgasmen sind jedoch passé, das 2012 veröffentlichte Black Ops 2 verkaufte sich noch rund 30 (!) Millionen Mal und markierte mit einer Milliarde Dollar Umsatz binnen 16 Tagen einen Verkaufsrekord, den bislang nur GTA 5 knacken konnte - das für die Milliarde nur drei Tage brauchte.
Bei den beiden letzten Serienteilen Advanced Warfare und Ghosts hielt sich Activision hingegen mit derartigen Rekordmeldungen zurück. Das kann man als Hinweis darauf deuten, dass die Shooterserie stagniert und die Umsatzzahlen allmählich sinken – was auch Analysten so sehen.
Ghosts missfiel zudem vielen E-Sports-Zuschauern, weil es die beliebten Spielmodi Capture the Flag und Hardpoint durch die weniger spannenden Domination und Blitz ersetzte und zudem Bugs mitbrachte. Beispielsweise ließ sich die Bombe auf Search & Destroy-Karten nach einem fehlerhaften Update zeitweilig nicht mehr legen oder entschärfen.
LoL gegen CoD
Call of Duty ist zudem nicht das beliebteste E-Sports-Spiel. Diese Ehre dürfte League of Legends gebühren, dessen WM-Finale im November 2014 über elf Millionen Twitch-Zuschauer verfolgten - gleichzeitig. Das liegt aber auch daran, dass LoL in Asien unschlagbar beliebt ist.
Im Westen hingegen ist Call of Duty auf dem aufsteigenden Ast: Eine Studie der Marktforscher von Newzoo und Superdata kam im April 2014 zu dem Schluss, dass bis zu 44 Prozent der europäischen und nordamerikanischen E-Sports-Zuschauer Call of Duty verfolgen, jedoch nur 42 Prozent League of Legends.
Zudem sollen 56 Prozent aller aktiven westlichen E-Sportler Call of Duty spielen, auch hier verzeichnet LoL nur 42 Prozent. Auch wenn sich diese Zahlen stetig wandeln, belegen sie doch, dass Call of Duty nach wie vor riesig ist. Am Erfolg der Shooter-Reihe gibt's wenig zu rütteln, lautstarke Kritik hin oder her.
»Wir haben die größte Fanbase der Welt! Aber einige dieser Menschen können ihre Liebe nicht richtig artikulieren«, witzelt Michael Condrey, der Mitbegründer des Entwicklers Sledgehammer, im Rahmen des CoD-Turniers über die massive Onlinekritik. Tatsächlich hat die Mehrspielerkomponente von Advanced Warfare eklatante Schwächen.
Besonders die Hybridlösung aus Dedicated Servern und Peer2Peer-Verbindungen sorgt auf allen Plattformen für Lags und (vor allem im PC-Lager) für Cheat-Anfälligkeit, ein Kardinalfehler im Online-Shooter-Segment. Bei großen E-Sports-Turnieren fallen diese Probleme jedoch flach: GunElite & Co. treten schließlich vor Ort per Direktverbindung gegeneinander an. Für Latenzen oder Pings interessiert sich auch auf Nachfrage keiner der Teilnehmer. Das liegt vor allem daran, dass nicht auf dem PC gespielt wird, sondern - auf der Konsole.
PC? Das war gestern!
Online-Shooter erfordern höchste Präzision sowie pfeilschnelle Reflexe - deshalb ist man mit Maus und Tastatur klar im Vorteil, sagen die PC-Spieler. »Call of Duty ist ein Konsolenspiel, auf dem PC sollte man Counter-Strike spielen«, sagt indes Paul Kent von Gfinity. Die englische Firma ist der offizielle Veranstalter der Call-of-Duty-Europameisterschaft, Paul ihr Leiter in Sachen E-Sports.
Tatsächlich werden alle Turniermatches auf der Xbox One ausgetragen, individuell veränderte Controller sind erlaubt, mausähnliches Zubehör jedoch streng verboten. Microsoft tritt gar als Sponsor von Gfinity auf - geht es also wieder mal nur ums schnöde Geld? Nicht nur.
Denn Call of Duty auf dem PC, das ist nicht nur »ein ganz anderes Genre« (Paul Kent), sondern eine abgekühlte Liebesbeziehung, die man höchstens noch als Vernunftehe bezeichnen kann. In den Spielestatistiken von Steam taucht Advanced Warfare erst im grauen Mittelfeld auf, irgendwo hinter dem Euro Truck Simulator 2 (Stand: 13. März 2015), nur wenige Tausend Menschen nehmen aktiv an Onlinepartien teil.
Selbst zum Release im November ballerten sich nur maximal 35.000 PC-Besitzer gleichzeitig durch den Science-Fiction-Shooter. Kein Wunder, machen die PC-Verkäufe schätzungsweise bloß lächerliche zwei bis drei Prozent der Gesamterlöse von Advanced Warfare aus (Quellen: Vgchartz.com und Steam).
Entsprechend vielsagend antwortet Michael Condrey von Sledgehammer auf unsere Frage nach der Bedeutung des PC-Markts: »Früher hat man versucht, vor allem in diesem Bereich Fortschritte zu machen.« Heißt im Klartext: Heute und in Zukunft sieht man Call of Duty als Serie, die zuallererst Konsolenspieler begeistern soll.
Und so sehen das auch die deutschen E-Sports-Größen: »Einst war die CoD-Szene auch auf dem PC groß, heute ist Xbox Live die erste Anlaufstelle für E-Sports-Teams, selbst die PS4 kann da trotz großer Spielerzahlen nicht mithalten,« erklärt uns Nick alias KraQz von Fab Games die Lage. Wenig überraschend also, dass Sledgehammer weiterhin um die Cheater-Problematik herumeiert - denn die betrifft ja vorwiegend den für die Call-of-Duty-Macher unspannend gewordenen PC-Markt.
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