»Charakterschwach und unethisch« - Warum RPG-Guru Chris Avellone die Obsidian-Führung angreift

Star-Entwickler Chris Avellone hat sehr harsch mit seinem Ex-Arbeitgeber gebrochen. Was steckt dahinter? Wir haben mit ihm über die Probleme hinter den Kulissen gesprochen.

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Wir haben mit Chris Avellone über seine Vorwürfe gegen Obsidian gesprochen. Wir haben mit Chris Avellone über seine Vorwürfe gegen Obsidian gesprochen.

Chris Avellone hat an einigen der besten Rollenspielen aller Zeiten mitgearbeitet - zuerst an Titeln wie Fallout 2 und Planescape: Torment bei Interplay, danach unter anderem an Knights of the Old Republic 2, Neverwinter Nights 2 und Tyranny bei Obsidian - aber hinter den Kulissen tobten derweil bittere persönliche Konflikte und teils das pure Chaos. Das zumindest sagt Avellone.

In einem Interview mit RPG Codex und dem zugehörigen Forenthread erhob er schwerste Anschuldigungen gegen Obsidian: Dass Studio-Chef Feargus Urquhart ihm einfach seine Gründerrechte entzog und ihm einen Vertrag aufzwingen wollte, der ihm jede weitere Arbeit an RPGs verboten hätte. Dass die chaotischen Arbeitsprozesse bei Obsidian ein Problem nach dem anderen aufwarfen. Dass die Mitarbeiter freiwillig ohne Gehalt schufteten und das Management nur nach zähem Ringen überzeugt werden konnte, sie dafür im Nachhinein noch zu bezahlen. Und sogar, dass das Studio ohne das Wissen von Publisher Paradox das Tyranny-Team "auseinandernahm", um mit dem Geld von Paradox stattdessen Pillars of Eternity fertigzustellen.

Was ging da vor sich? Wie konnte es zu solchen Zerwürfnissen kommen, wenn Avellone und Urquhart doch Obsidian gemeinsam gegründet hatten und über ein Jahrzehnt zusammenarbeiteten? Und was sagt er zu den Vorwürfen, dass er mit seinen Äußerungen auch der gesamten Mitarbeiterschaft von Obsidian schadet? Im Interview stand er uns Rede und Antwort.

Auch Obsidian signalisierte uns grundsätzlich Bereitschaft für ein Interview mit Feargus Urquhart, allerdings konnte das seitens Obsidian bislang nicht realisiert werden. Wir bleiben dran!

»Es war sehr schwer, in diesem Umfeld zu arbeiten«

Wenn du dir selbst irgendeinen Rat geben könntest, als du damals darüber nachdachtest, Obsidian als Mitgründer beizutreten, was würdest du sagen?

Die Menschen machen eine Firma aus, und denen gegenüber solltest du loyal sein und sie richtig behandeln, besonders als Besitzer. Ich würde gern erneut betonen, dass ich bei allem, was passiert ist, keine Probleme mit den Entwicklern oder den Spielen habe - nur mit dem oberen Management.

Persönlich würde ich mir selbst raten, Erwartungen und Ziele für meine Position im Voraus einzufordern, sodass es keine Missverständnisse oder falsche Erwartungen gibt. Der Fairness halber habe ich während meiner Zeit bei Obsidian wiederholt darum gebeten, aber vergeblich. Deswegen war es oft unklar, was ich überhaupt tun sollte. Das war der Grund, warum ich konkrete Rollen in den Teams bei Obsidian angenommen habe, so wollte ich das klarstellen.

Laut Avellone wurden Teile seiner Story für Durance und die trauernde Mutter aus dem ersten Pillars of Eternity gestrichen, ohne dass ihm je ein sinniger Grund dafür erklärt wurde. Laut Avellone wurden Teile seiner Story für Durance und die trauernde Mutter aus dem ersten Pillars of Eternity gestrichen, ohne dass ihm je ein sinniger Grund dafür erklärt wurde.

Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein Entwickler so öffentlich und so harsch über seinen ehemaligen Arbeitgeber spricht. Warum hast du dich entschieden, diese Geschichte öffentlich zu machen?

Ich hatte es zuvor schon mal auf Reddit erwähnt, als jemand behauptete, dass ich Teil des oberen Managements gewesen sei, dass ich eine Stillschweigevereinbarung unterschrieben und eine Abfindungszahlung erhalten hätte.

Nichts davon entsprach der Wahrheit, also habe ich es korrigiert - ich hatte keine Management-Autorität, ich habe kein NDA unterzeichnet, und ich habe nichts bekommen, als ich Obsidian verließ. Das zeugt zwar von gutem Geschäftssinn seitens Obsidian, aber ich fand es unethisch in Anbetracht meiner damaligen Familienprobleme, von denen Obsidian wusste. Ich hatte gezögert, ihnen davon zu erzählen, weil ich ungern über persönliche Schwierigkeiten mit den anderen Obsidian-Eigentümern sprach, weil sie solche Dinge selten für sich behielten.

Avellones Kritik richtet sich vor allem an Obsidian-Chef Feargus Urquhart und die anderen Miteigentümer. (Bildquelle: Wikimedia Commons, Cassidy Rainer, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Feargus_Urkuhart_at_KRI_2013,_Russia,_Moscow.jpg) Avellones Kritik richtet sich vor allem an Obsidian-Chef Feargus Urquhart und die anderen Miteigentümer. (Bildquelle: Wikimedia Commons, Cassidy Rainer, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Feargus_Urkuhart_at_KRI_2013,_Russia,_Moscow.jpg)

Die gleiche Antwort aus den gleichen Gründen erhielt mehr Aufmerksamkeit, als ich sie auf dem RPG Codex wiederholte. Auch hier ging es mir darum, Informationen zu korrigieren, von denen ich nicht wusste, dass sie den Leuten nicht bekannt waren. Es sollte keine Pressemitteilung sein, sondern eine Klarstellung, damit die Leute keine falsche Vorstellungen darüber haben, wie ich die Firma verlassen und was ich unterschrieben und was nicht unterschrieben habe.

Mehrere deiner Anschuldigungen gegen Obsidian klingen, als könnte die Firma das Gesetz gebrochen haben: Verträge mit dir nicht eingehalten, Familienmitglieder bezahlt, die dort gar nicht arbeiten, von Paradox für Tyranny bezahle Ressourcen stattdessen für Pillars of Eternity genutzt. Hast du je darüber nachgedacht, vor Gericht zu ziehen? Du hast geschrieben, du würdest jede Rechtsschlacht willkommen heißen, die Obsidian gegen dich beginnt.

Das obliegt den Firmen und Publishern, denen Unrecht getan wurde. Was ich sagen werde: Als Entwickler war es in diesem Umfeld sehr schwer, an zwei Projekten gleichzeitig zu arbeiten und trotzdem Dinge erledigt zu kriegen - ich wurde zwischen Pillars und Tyranny aufgeteilt. Die Zeit, du du investiert hast, wurde nie zurückgezahlt, also selbst wenn du das Projekt liebst, an dem du arbeitest, schwächt es den Titel, wenn du nicht die nötige Unterstützung kriegst. Und es unterwandert viel von der Mühe, die du reingesteckt hast. Kein Entwickler sieht es gern, wenn ein Spiel, an dem er mit Herzblut gearbeitet hat, auf diese Weise leidet.

Tyranny litt besonders unter Obsidians chaotischer Arbeitsweise, so Avellone - angeblich sehr zum Missfallen von Publisher Paradox. Tyranny litt besonders unter Obsidians chaotischer Arbeitsweise, so Avellone - angeblich sehr zum Missfallen von Publisher Paradox.

Ich möchte anmerken, dass ich Obsidian mehr Zeit gegeben habe, die Probleme anzugehen. Nach meinem Ausstieg fragte ich Obsidian nach den Finanzen, den Marktwert und mehr, aber erhielt nie eine Antwort auf die tatsächlichen Fragen.

Kannst du mehr Details über den Enteignungs-Prozess verraten? Es klingt, als wäre es überraschend einfach für Obsidian gewesen, einem Mitbesitzer und Gründer seine Reche ohne jede Kompensation zu nehmen. Hattest du keinen Schutz in deinem ursprünglichen Vertrag?

Ich hatte keinen Einfluss - es gab fünf Besitzer, und ich gehörte zu den beiden mit den wenigsten Anteilen. Die anderen Eigentümer haben nie mit mir über dieses Problem gesprochen, es lief alles über Feargus. Er trieb das voran.

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