Komfortablere Kriege
Generell ist das Kampfgeschehen so spröde dargestellt und undurchschaubar wie im vorherigen Teil. Ich habe im Grunde nie eine Ahnung, was da genau passiert. Doch da in der Regel einfach die Armee mit der höheren Mannstärke gewinnt, ignoriere ich die zwanzig Einflussfaktoren auf den aktuellen Würfelwurf schlicht und hoffe das Beste - das hätte sich für Teil 3 gern verbessern dürfen.
Dafür darf ich jetzt einen oder mehrere Sammelpunkte im Reich bestimmten, an die alle Truppen beim Ausheben einfach »hingebeamt« werden, statt von ihrer Heimatprovinz dorthin zu dackeln. Das nimmt ein wenig taktische Tiefe aus dem Spiel, bringt aber 100 Prozent mehr Lebensfreude. Und keine Sorge, das Ganze ist gut durchdacht. Die Entwickler haben Sorge getragen, dass ich im Krieg meine Truppen nicht beliebig auflösen und an anderer Stelle wieder erscheinen lassen kann.
Die KI agiert im Krieg teilweise intelligent. Sie behält Truppen beisammen, visiert die besten Ziele an und weiß, wann sie sich besser nicht in einen Kampf verwickeln sollte. Selbst das Verschiffen von Armeen bekommt sie hin! Ich konnte dank dieser Fortschritte mehrfach knifflige Kriege oder interne Rebellionen gewinnen, weil mir meine Verbündeten konsequent unter die Arme gegriffen haben.
Vor allem aber in Kreuzzügen mit vielen Teilnehmern ist die KI völlig, ja völlig, kaputt, da die angreifenden KI-Truppen wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen durch die Gegend jagen. Das ist vor allem dann ärgerlich, wenn die Feind-KI mit einem zusammengezogenen Großaufgebot nacheinander die versprengten Verbände meiner Seite von der Karte fegt.
Was inhaltlich (nicht) fehlt
Die meisten, aber nicht alle Inhalte von Crusader Kings 2 mitsamt DLCs haben es direkt in den dritten Teil geschafft. Manche wird niemand vermissen, andere schon. Zum Beispiel werden die wenigsten Spieler trauern, wenn ich berichte, dass es Transportschiffe nicht mehr als separat zu befehligende Einheiten gibt.
Sollen meine Leute an ein anderes Ufer gebracht werden, kostet das etwas Gold und Zeit fürs Einschiffen und dann fahren sie einfach zum Zielort. Genau wie der Truppensammelpunkt ist das eine sehr sinnvolle Verschlankung des alten, mühseligen Prinzips.
Was mir dagegen wirklich fehlt, sind die Artefakte, die ich im Vorgänger für meine Familie einsacken konnte. Es trug erheblich zur individuellen Familiengeschichte bei, in der Schatzkammer das Magnum Opus eines längst verstorbenen Ahnen oder gar die Dornenkrone Jesu, die ein listiger Vorfahr bei den Benediktinern abgestaubt hatte, herumliegen zu haben. Apropos, die Mönchszirkel und andere Gesellschaften haben es auch nicht in die Release-Version geschafft.
Die unverständlichste Feature-Streichung erfuhr die Kindererziehung. Das Spiel erlaubt es nicht mehr, einen Kindheitsfokus für meinen Nachwuchs zu wählen. Ich darf lediglich einen Vormund bestimmen, dessen Einfluss jedoch recht nebulös bleibt - klar ist nur, dass der Nachwuchs die Hauptfähigkeit des Vormunds übernehmen kann, fähige Verwalter ziehen also fähige Verwalter heran und so weiter.
Drei Herrscher, drei Geschichten
Demetrios war einst »nur« König des kleinen Siziliens, Vasall des mächtigen Kaisers in Byzanz. Doch es tat Demetrios in der Seele weh, wie schlecht das Byzantinische Reich regiert wurde. Also schloss er sich mit anderen unzufriedenen Vasallen zusammen, auf dass die Kaiserkrone in fähigere Hände fallen mochte. Also in seine. Der Plan ging auf und da der Ex-Kaiser wenigstens einmal Größe bewies, sah er die Aussichtslosigkeit umgehend ein, trat zurück und kein einziger Soldat musste sterben. Wahrhaft, Gott steht hinter Basileus Demetrios!
Dennoch gibt es jetzt noch weniger Kontrolle als im Vorgänger darüber, wie sich die Nachkommen entwickeln. Es sei denn, mein Hauptcharakter übernimmt höchstpersönlich die Vormundschaft, dann kann ich teilweise die Eigenschaften des Kindes mit formen, etwa ob es feige oder tapfer wird. Andere namhafte Abwesende sind sich ausbreitenden Krankheitsepidemien, KI-Koalitionen, die Seidenstraße, das China-Interaktionsmenü und die Ratsgesetze.
Außerdem fehlt wie schon bei Stellaris zum Release ein richtiger Diplomatie-Kartenmodus! Warum nur? Das ist ein Spiel auf einer Weltkarte, bei dem diplomatische Beziehungen und laufende Kriege eine zentralste Rolle spielen.
Eher einen Rück- als Fortschritt hat außerdem die Eventqualität zu vermelden. Im Vergleich zum zweiten Teil sind uns im Test keine übernatürlichen Events begegnet. Kein Schach mit dem Tod, keine Teufelsanbeter und kein ewiges Leben. Gleichzeitig fallen Belohnungen immer wieder recht mager aus.
Da jage ich wochenlang durch nahegelegene Wälder, um verschwundene Soldaten wiederzufinden, und am Ende werde ich mit einer gesteigerten Armee-Verstärkungsrate von zehn Prozent für fünf Jahre belohnt. Blöd nur, wenn in dieser Zeit gerade kein Krieg tobt.
Zusätzlich ist die deutsche Übersetzung erneut ungelenk. Die reinen Texte sind völlig in Ordnung, aber das Text-Baukastensystem der Entwickler für Titel und Anreden scheint einfach zu unflexibel für das Deutsche zu sein.
Technik? Funktioniert!
Eine gute und elegante Lösung hat das Team für das Technologiesystem gefunden, das in Crusader Kings irgendwie immer wie das fünfte Rad am Wagen wirkte. In Crusader Kings 3 folgt der Stand der Technik jetzt dem Kulturraum.
Je höher die Entwicklung aller zugehörigen Provinzen, desto höher die Forschungsgeschwindigkeit. Den deutlich größeren Einfluss hat jedoch das Kulturoberhaupt, also der mächtigste Herrscher innerhalb einer Kultur. Dieser wählt die zu erforschende Technologie und beeinflusst den Fortschritt maßgeblich durch seinen persönlichen Bildungswert.
Die Technologie des Spiels selbst, also die Grafik, ist wie immer bei Paradox funktional. Die 3D-Modelle sind hübsch, aber auf Provinzebene gibt es zu meiner großen Enttäuschung noch immer kaum optische Details. Dafür läuft das Spiel auch auf meiner in die Jahre gekommenen Maschine noch flüssig auf hohen Details.
Einzige Einschränkung: Beim Zoomen wechselt das Spiel zwischen drei Modi hin und her, einem nahen Terrainmodus, einer Politikkarte im mittleren Bereich und einer sehr hübsche Pergamentkarten-Ansicht auf der höchsten Stufe. Bei den Übergängen zwischen diesen Darstellungsweisen ruckelt es öfter Mal leicht, was auf die Dauer ein wenig nervig werden kann. Bei neueren PCs scheint das jedoch kaum oder kein Problem mehr darzustellen.
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Crusader Kings 3: Releasetermin und Brudermord im Story-Trailer
Insgesamt präsentiert sich Crusader Kings 3 als fertiges Spiel. Der Feature-Umfang ist größer als bei Release des Vorgängers, alle Mechaniken funktionieren und sind im Großen und Ganzen ganz gut ausbalanciert - wenngleich findige Spielerinnen und Spieler mit Sicherheit den einen oder anderen Exploit finden werden, was sich in einer derart komplexen Simulation nie ganz vermeiden lassen wird. Die Entwickler liefern mit Crusader Kings 3 saubere Arbeit ab.
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