Die Gilde 3 - Wie neue Entwickler den strauchelnden Early Access retten wollen

Die neuen Entwickler von Die Gilde 3 waren bei uns zu Besuch, um zu zeigen, wie sie das Mittelalter-Spiel retten wollen. Ein großes Vorhaben.

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Die Gilde 3 soll später ein spielbares Game of Thrones im Mittelalter werden. Die Gilde 3 soll später ein spielbares Game of Thrones im Mittelalter werden.

»Es ist ziemlich hart, ein Spiel mitten in der Entwicklung zu übernehmen«, verrät uns Development Director Milo Gutmann von Purple Lamp, dem neuen Team hinter Die Gilde 3. Das Aufbauspiel erschien 2017 in Steams Early Access, wurde damals noch vom kanadischen Studio GolemLabs entwickelt. Doch ein holpriger Start und eine schleppende Patch-Politik sorgten für wenig Gegenliebe seitens der Fans. 53 Prozent der Steam-Reviews sind negativ, bemängeln den technischen und spielmechanischen Zustand des Spiels. 2018 verkündete Publisher THQ Nordic: Ein neues Team übernimmt Die Gilde 3.

Und entsprechend groß fällt der Druck auf Milo Gutmann und seine Wiener Kollegen aus. So gibt's in der Community Skeptiker, die einen derartigen Wechsel aus Prinzip als finalen Nagel im Totensarg von Die Gilde 3 begreifen. Optimistischere Naturen erwarten hingegen schnelle Ergebnisse von Purple Lamp. Beides nicht ideal. Doch zwischen diesen Extremen tummeln sich all die alten Fans von Die Gilde in der vagen Hoffnung, dass es doch noch ein Happy End für das Revival der Mittelalter-Marke geben wird.

Damit das klappt, verfolgt Purple Lamp einen ambitionierten Plan, der ein neues Fundament erschaffen und darauf ein mittelalterliches Game of Thrones errichten möchte.

Wer ist Purple Lamp? Purple Lamp Studios wurde 2018 als Quasi-Nachfolger des insolventen österreichischen Studios Sproing gegründet. Geschäftsführer Harald Riegler hat knapp 30 Mitarbeiter aus dem alten Unternehmen mit in den neuen Betrieb genommen - als Österreichs größtes Studio hatte Sproing seit 2001 über 60 Titel entwickelt. Zu den Highlights zählen Undercover: Operation Wintersonne (zusammen mit dtp), Panzer Tactics HD sowie der Survival Horror Cursed Mountain.

Die unsichtbare Rettung

Milo Gutmann war bei uns zu Besuch, wir spielen die aktuelle Version von Die Gilde 3 und plaudern dabei über die Vorhaben des österreichischen Teams. Eine klare Kommunikation ist für den Fortbestand des Spiels das A und O, denn beim bloßen Draufschauen erkennt man kaum, wie wichtig die Grundlagenarbeit ist, die gerade passiert: Im ersten Schritt der Die-Gilde-Renaissance soll nämlich vor allem die Spielbarkeit stabilisiert werden.

Radikalkur für Die Gilde 3 - Video: Wie ist dieses Spiel noch zu retten? Die neuen Entwickler bei GameStar TV Video starten PLUS 22:13 Radikalkur für Die Gilde 3 - Video: Wie ist dieses Spiel noch zu retten? Die neuen Entwickler bei GameStar TV

Und die speist sich aus Kategorien, die wir beim normalen Zocken gar nicht bewusst wahrnehmen. Zumindest, solange sie funktionieren. Beispielsweise werden seit neuestem Gebäude unsichtbar, wenn wir nahe an unsere Figur zoomen, während sie durch die Gassen Augsburgs flaniert.

Da zuckt man als Außenstehender unbeeindruckt mit den Schultern, aber solche »Kleinigkeiten« sind essenziell, sofern ein Spiel einen polierten Eindruck vermitteln soll. Ohne diese Transparenz beim Kamera-Zoom musste man bisher nämlich wie ein Baukran-Fahrer die Kamera hin- und herschwenken, um dem eigenen Avatar zu folgen. Der Bildschirm verhakte sich permanent in den eng bebauten Straßen. Nervig.

Heimliches Zusammenfügen

Milo erklärt, dass wir als Spieler auf Basis unserer langjährigen Zockererfahrung oft unterbewusst bestimmte Vorstellungen haben, wie sich zum Beispiel ein Aufbauspiel zu bedienen hat. Was passiert sollte, wenn man einen NPC anklickt, einen Marschbefehl setzt, Inventare durchscrollt. Bei Die Gilde 3 lag hier sehr viel im Argen. Das soll sich in den kommenden Wochen ändern.

Die Gilde 3 ist technisch noch lange nicht da, wo es hin soll. Die Gilde 3 ist technisch noch lange nicht da, wo es hin soll.

Gleichzeitig finden im Hintergrund sozusagen unsichtbare Konsolidierungsarbeiten statt. Langes Wort, simple Erklärung: Unnötig komplizierter Kram wird im Code zusammengefasst, damit man künftig besser darauf bauen kann. Ein Beispiel: Ob die eigene Figur in Die Gilde 3 jemanden vergiftet oder verbrennt, macht spielmechanisch keinen Unterschied.

Der Getroffene erhält Schaden über Zeit. Ein einziger »Damage over time«-Effekt reicht also zur Berechnung im Hintergrund aus, natürlich angepasst an die jeweilige Gift- oder Feuerintensität. »Effektkonsolidierung« klingt in den Patch Notes zwar nicht sehr fancy, hilft langfristig aber ungemein. Denn ein undurchsichtiger Code erhöht die Fehlergefahr und glättet nicht unbedingt die Performance - so Milo Gutmann.

Der sichtbare Aufbau

Im Anschluss kommt dann die grobe Kelle. Wie ein Game of Thrones im Mittelalter soll sich Die Gilde 3 idealerweise spielen, sagt Milo. Verständlich, schließlich hat das Ausspionieren, Ausboten und Ausschalten gegnerischer Dynastien überhaupt erst so viele Leute in die Fangemeinden der Die-Gilde-Serie getrieben. Jetzt müssen die feindlichen Familien im dritten Teil nur noch den nötigen Grips in die Birne bekommen, um beim Ränkespiel mitzumischen.

Die Gilde 3 - Screenshots ansehen

Und da beginnen die großen Aufbauarbeiten von Die Gilde 3: Familien sollen um Titel in der Stadt konkurrieren, sich hocharbeiten, intrigieren. Wo aktuell eigentlich kein Widerstand auf dem Weg zur Spitze abseits der obligatorischen Jagd nach Erfahrungspunkten und Moneten existiert, soll später ein ausgeklügeltes Strategiesystem stehen. Auch optisch sollen sich Dynastien zumindest farblich stärker voneinander unterscheiden, um diesen Konkurrenzkampf sichtbarer zu machen - wie Lannisters und Starks eben.

Im fertigen Die Gilde 3 möchten die Entwickler so ein zweigeteiltes Spielerlebnis erschaffen. In der ersten Phase bauen wir uns als kleiner Niemand einen Betrieb auf, handeln, verkaufen und heiraten clever, gründen neue Subunternehmen.

In der zweiten Phase lassen wir diese Warenkreisläufe von unseren Untergebenen übernehmen, um uns ganz aufs Wesentliche zu konzentrieren: Das Spiel mit der Macht. Den Aufstieg im Stadtrat. Den Weg an die Spitze.

Eine unsichere, aber optimistische Zukunft

Die Gilde 3 steht aktuell bei Steam nicht sonderlich gut da. Bloß 47 Prozent der über 2.000 Reviews äußern sich positiv, der Release der Vollversion im 2. Quartal 2018 klingt ziemlich unwahrscheinlich.

Die Entwickler selbst ergänzten im Juni im Early-Access-Infotext:

"Wir arbeiten auch weiterhin an der Verbesserung des Spiels und der Spielperformance und werden in den kommenden Monaten neue Features wie Gesellschaften und den Landesherrn hinzufügen. Die Gilde 3 bleibt im Early Access, bis alle diese Features eingebaut sind und wir - genau wie ihr! - voll und ganz zufrieden mit dem Spiel sind."

Im Interview wird klar: Die Übernahme durch Purple Lamp ist definitiv ein Neuanfang. Publisher THQ Nordic glaubt an Die Gilde, und Milo Gutmann kommuniziert sehr deutlich, wo die Probleme der gegenwärtigen Early-Access-Version liegen.

Das Rennen gegen die Zeit

Diese Klarsicht macht das Vorhaben des Wiener Studios jedoch nicht weniger ambitioniert: Die Gilde 3 hat noch einen langen Weg vor sich. Wir halten's durchaus für möglich, dass dieser Pfad am Ende zu einem wirklich coolen und vor allem einzigartigen Ziel führt (die Spielmechanik von Die Gilde gibt's schließlich nicht alle Tage).

Die Gilde 3 - Stimmungsvoller Trailer zum Start der Early-Access-Phase Video starten 3:13 Die Gilde 3 - Stimmungsvoller Trailer zum Start der Early-Access-Phase

Leider schnürt die Release-Politik des Spiels dem neuen Entwickler quasi eine Zeitbombe um den Fuß: Jeder neue Early-Access-Monat macht die verbleibende Fan-Community ungeduldiger. Die Gilde 3 bleibt also eine spannende Gratwanderung zwischen Neuerungen, die idealerweise jetzt passieren müssen - und großen Features, die schlichtweg noch viel Zeit brauchen.

Aber zumindest lohnt es sich, die Mittelalter-Intrige in den kommenden Monaten nochmal in den Blick zu nehmen. Denn es tut sich was. Auch wenn man es - und das passt irgendwo zum Intrigenspiel Die Gilde - nicht immer direkt sieht.

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