Seite 2: Filmkritik zu X-Men: Dark Phoenix - Kein würdiger Abschied von Marvels Mutanten

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Viel gesagt, nur um doch nichts zu sagen

Genauso wenig haben sich die Pro- und Antagonisten des Films weiter entwickelt - innerlich wie äußerlich. Man sollte nicht vergessen, dass Erste Entscheidung in den 60ern spielte, wir mit Dark Phoenix mittlerweile in den 90ern angekommen sind und James McAvoy (Professor X) und Michael Fassbender (Magneto) eigentlich nur noch knappe zehn Jahre bleiben, um zu Patrick Stewart und Sir Ian McKellen zu werden.

Na gut, ob man diese Logik bei einem Superhelden-Film bemängeln sollte, sei mal dahingestellt. Doch auch charakterlich treten die Helden und Anti-Helden auf der Stelle und schlagen sich mit gleichen den Problemen herum, die sie bereits 2011 oder 2000 beschäftigt haben. Dabei hätte gerade Erste Entscheidung gezeigt, wie taufrisch selbst die klassischen X-Men-Geschichten immer noch aufgearbeitet werden können. Nach sechs Filmen der Hauptreihe scheint das Thema jedoch völlig ausgereizt zu sein.

Dass sich zumindest die Figur des Erik Lensherr dieser Tatsache bewusst ist und den Mutanten im Raum beim Namen nennt, hilft hier nicht unbedingt weiter: Denn Magneto bemängelt zwar, dass sein »alter Freund« Charles immer wieder aufkreuzt, an das Gute im Menschen/Mutanten appelliert und alle doch in Frieden miteinander leben sollen, wirklich ändern tut dies an der Tatsache jedoch nicht. Man könnte es als Gleichnis zur Realität sehen, in der die Menschen auch nicht aus ihren Fehlern lernen, doch dafür ist X-Men: Dark Phoenix zu platt inszeniert.

Ebenso wenig hilft es, das Geschehene und bereits Gezeigte wieder und wieder in seichten Dialogen aufzuarbeiten, die aus einer schlechten Soap stammen könnten. So wird Jean Grey (Sophie Turner) beispielsweise nicht müde ständig zu wiederholen, wie schlimm es allen gehen würde, sobald sie die Kontrolle verliert. Das haben wir nicht nur bereits oft genug gesehen, sondern auch oft genug gehört. Geht es mal nicht um die Wiederholung der immer gleichen Zeilen, dann kommt es zu einem der folgenden Wortgefechte, die an Schlagfertigkeit kaum zu überbieten sind: »Deine Gefühle machen dich schwach.« - »Nein. Meine Gefühle machen mich stark!« Okay ...

Hier liegen begraben: Die Dialoge von X-Men: Dark Phoenix. Hier liegen begraben: Die Dialoge von X-Men: Dark Phoenix.

Ein Film so gut wie sein Bösewicht

Einer alten antiken Weisheit zufolge ist ein Film nur so gut wie sein Bösewicht. Ob diese Regel zutrifft, muss jeder für sich selbst entscheiden. Allerdings lässt sich wohl kaum darüber streiten, dass Leinwandstreifen wie The Dark Knight oder Avengers: Infinity War auch deswegen von Zuschauern ins Herz geschlossen wurden, weil Charaktere wie der Joker (Heath Ledger) oder mittlerweile auch Thanos (Josh Brolin) ein kleines bisschen Filmgeschichte geschrieben haben.

Bei Jessica Chastain als Vuk ist dies jedoch definitiv nicht der Fall. Monatelang haben Fans der Marvel-Comics darüber spekuliert, in welche geniale Rolle die begabte Schauspielerin für den nächsten Teil der X-Men-Reihe schlüpfen könnte: Möglicherweise Lilandra, die Anführerin des Shi'ar-Imperiums? Im Endeffekt war die ganze Spekulation irrelevant, Jessica Chastains Rolle beschränkt sich auf die eines Katalysators, der ein paar Handlungsstränge nicht unbedingt in Gang setzt, sondern maximal beschleunigt. Sie und ihre Handlanger bleiben blass und austauschbar, verfügen über keine nennenswerten Kräfte und schöpfen zu keiner Stelle ihr Potential aus.

Jessica Chastain wäre ein guter Film-Bösewicht – würde das ihre Rolle in X-Men: Dark Phoenix hergeben. Jessica Chastain wäre ein guter Film-Bösewicht – würde das ihre Rolle in X-Men: Dark Phoenix hergeben.

Wirklich spannend sind auch die Mutanten-Neuzugänge nicht: Während die Telepathin Selene Gallio (Kota Eberhardt) eigentlich nur in der Gegend rumsteht und konzentriert guckt, fragt man sich bei Ariki (Andrew Stehlin), wer ihn eigentlich zur Party eingeladen hat. Seine Kräfte beschränken sich darauf, seine Zöpfe wild durch die Gegend zu wirbeln und damit zu kämpfen. Wer schon mal auf einem Reggae-Konzert den verfilzten Dreadlock eines auf LSD tanzenden Hippies ins Gesicht gekriegt hat, weiß, wie weh das tun kann. In einem Action-Film um Mutanten mit den verrücktesten Superkräften gäbe es aber eigentlich Spannenderes zu sehen.

Nicht einmal die altbekannte Garde darf so richtig auftrumpfen (außer vielleicht Kodi Smit-McPhee als Nightcrawler): Obwohl die X-Men-Filme von der TV-Serie Legion hätten lernen können, wie man telepathische Kräfte interessant in Szene setzt, beschränken die sich in Dark Phoenix - wie bereits erwähnt - weiterhin auf angestrengtes Gucken.

Die restlichen Raufereien fallen vergleichbar unspektakulär aus, wenn jeder ohne sicht- oder spürbare Verletzungen durch die Gegend geschleudert wird - sei es durch den Treffer einer blauhaarigen Faust, eines Energiestrahls oder eines Blitzes. Dark Phoenix hätte vielleicht kein R-Rating wie Logan, aber dafür etwas mehr Biss nötig gehabt.

Unterm Strich ist Dark Phoenix das genaue Gegenteil von Avengers: Endgame: Statt eines wohlverdient großartigen Finales bleibt nach 20 Jahren X-Men das Gefühl, dass der Franchise um die Mutanten etwas Besseres als diesen Film zum Abschluss verdient gehabt hätte. Für die Geschichte, die Charaktere, aber allem voran für die Fans.

X-Men: Dark Phoenix - Finaler Trailer zum letzten X-Men-Film Video starten 2:04 X-Men: Dark Phoenix - Finaler Trailer zum letzten X-Men-Film

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