GTA Trilogy und Rockstars Entschuldigung - Meinung: Es hätte nie so weit kommen dürfen

In der Spiele-Branche läuft gerade sehr viel schief, findet unser Autor Nils Raettig. Rockstars Umgang mit der desaströsen GTA Trilogy steht dafür beispielhaft.

Beim Zustand der GTA Trilogy zum Release kratzt sich nicht nur CJ ratlos am Kopf. Beim Zustand der GTA Trilogy zum Release kratzt sich nicht nur CJ ratlos am Kopf.

Schlechte Nachrichten sind im Gaming-Umfeld zu einem ständigen Begleiter geworden. Berichte über toxische Unternehmenskultur, Blockbuster-Spiele, die in einem äußerst fragwürdigen Zustand erscheinen und Neuauflagen beliebter Klassiker, die nur auf das schnelle Geld ausgelegt zu sein scheinen zeichnen ein düsteres Bild.

Negativschlagzeilen aus dem Hier und Jetzt sind allerdings wesentlich präsenter als die aus der Vergangenheit, ich will mich deshalb nicht zu einem Früher war alles besser! hinreißen lassen. Gefühlt ist die Schlagzahl schlechter Gaming-Botschaften im Jahr 2021 aber besonders hoch, und Rockstars Entschuldigung für die GTA Trilogy zeigt beispielhaft, was insbesondere bei den großen Publishern im Argen liegt.

Wenn ihr vorab wissen wollt, welche Probleme die Trilogy selbst als Spiel hat, lege ich euch einerseits meinen Technik-Check sowie andererseits das Video von Fritz und den folgenden Test von Markus ans Herz:

Die Probleme können keine Überraschung gewesen sein

Versteht mich nicht falsch, ich finde es grundsätzlich richtig und wichtig, dass sich Rockstar in einer öffentlichen Stellungnahme mit klaren Worten entschuldigt und ich begrüße es, dass die Klassiker GTA 3, GTA Vice City und GTA San Andreas in ihrer Originalfassung wieder in den Handel zurückkehren (wenn auch nur als Bundle und über den Rockstar Games Launcher).

Aber schon der erste Satz der Entschuldigung macht in meinen Augen deutlich, wie wenig letztlich dahinter steckt beziehungsweise wie viel davor schon schief gelaufen sein muss. So heißt es dort auf Deutsch übersetzt in etwa:

Wir geben euch ein Update in Bezug auf die unerwarteten technischen Probleme, die im Zuge der Veröffentlichung von Grand Theft Auto: The Trilogy - The Definitive Edition ans Licht gekommen sind.

Grundsätzlich kann es durchaus passieren, dass bestimmte Probleme erst nach dem Release eines Spiels bemerkt werden. Schließlich ist es selbst für die umfangreichste Qualitätssicherung nicht möglich, die Dimensionen des Tests unter tatsächlichen Spielern nach Release zu erreichen und die extrem vielen unterschiedlichen PC-Konfigurationen alle abzudecken.

Im Falle der GTA Trilogy fällt es mir aber sehr schwer, zu glauben, dass man nicht im Vorfeld wusste, dass hier einiges im Argen liegt. Einerseits, weil die Spiele auf den Mobile-Versionen der Klassiker basieren, die ihrerseits bereits mit Problemen zu kämpfen hatten. Andererseits, weil die Schwierigkeiten so schnell ins Auge stechen und so weitreichend sind.

Lieblosigkeit auf den ersten Blick

Der berühmt-berüchtigte Regen steht dafür nur beispielhaft, und das Schlimmste daran: Er ist mit das Erste, was man in der GTA Trilogy zu Gesicht bekommt, wenn man sie in chronologischer Reihenfolge spielt. Nach dem Start von GTA 3 dauert es keine 50 Sekunden, bis man ihm in der Intro-Sequenz zum ersten Mal begegnet:

In Bewegung noch viel nerviger als auf Screenshots: Der Regeneffekt aus der GTA Trilogy In Bewegung noch viel nerviger als auf Screenshots: Der Regeneffekt aus der GTA Trilogy

Ich will mich nicht an einer Kleinigkeit aufhängen, denn mehr ist dieser viel zu aufdringliche Regeneffekt letztlich nicht. Es spricht aber in meinen Augen Bände, dass allein dieses kleine, aber gleichzeitig optisch so aufdringliche Problem niemand bei Rockstar und Groove Street Games vor Release aufgefallen sein soll.

Viel schwerwiegender sind das Übersehen von Bugs, die uns etwa teilweise einfach durch den Boden der Spielwelt fallen lassen, sowie die mehr als verbesserungswürdige Performance. Wie der unten verlinkte Technik-Check zeigt, kann der Wechsel zu DirectX 12 teilweise zumindest für etwas Linderung sorgen, aber selbst das scheint an Publisher und Entwickler vorübergegangen zu sein, da man die Schnittstelle nicht per Spieloption, sondern nur manuell per Startargument aktivieren kann.

Rockstar verspricht viel und tut wenig

Im offiziellen Statement heißt es weiter, dass an den Problemen gearbeitet wird und dass die Spiele mit Hilfe von Patches letztlich das Qualitätslevel erreichen sollen, das sie verdienen.

In Anbetracht der technisch schwierigen Basis ist das einerseits ein hochgestecktes (und in meinen Augen kaum zu erreichendes) Ziel. Andererseits stellt es aber eine absolute Selbstverständlichkeit dar, zu der es noch dazu nie hätte kommen dürfen, wenn man sich die Spiele und ihre Qualität vor Release etwas genauer angesehen hätte.

Auch mit der Rückkehr der Klassiker reißt sich Rockstar kein Bein aus, zumal es durchaus Gründe gibt, die vorherige Entscheidung zu ihrem Verkaufstopp im Kontext der neu erscheinenden GTA Trilogy kritisch zu sehen. Gespannt bin ich außerdem, wie teuer das Klassiker-Bundle sein wird (Schätzungen in den Kommentaren sind gerne gesehen).

Über den Autor: Nils Raettig ist seit 2013 für die GameStar als Hardware-Redakteur tätig und seit Erscheinen der Demo von GTA 1 auf der GameStar-CD ein großer Fan der Reihe. Die Spielwelt kannte er auch ganz ohne ausgedruckte Karte komplett auswendig, was ihm im dritten Teil dank Wechsel zur 3D-Grafik aus der Schulterperspektive deutlich leichter gefallen ist. Das Setting von Vice City sagt ihm bei den drei Titeln der Trilogy zwar am meisten zu, extrem viel Spaß hatte er seinerzeit aber mit allen drei Spielen. Nach aktuellem Stand wird es wohl bei einer nostalgischen Erinnerung an diese Spielerfahrung bleiben, insbesondere aufgrund der unrunden Performance der Trilogy.

Wie relevant ist ein ruinierter Ruf?

Im Kern dürfte hinter all dem ein Problem stecken, das sicher viele von uns kennen: Gute Arbeit kostet potenziell viel Zeit und Mühen, und wie wir alle wissen ist Zeit letztlich Geld.

Aus Profit- und Publisher-Sicht ist es am besten, wenn ein neues Spiel (oder ein neu aufgelegtes Spiel) in möglichst geringer Zeit und mit möglichst hoher Qualität erscheint. Wenn eine gewisse Zeitspanne überschritten wird, scheint aber irgendwann der Punkt erreicht, wo das Qualitätsniveau nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.

So dürfte beispielsweise auch EA und DICE vollkommen klar gewesen sein, dass ein Release von Battlefield 2042 zum jetzigen Zeitpunkt allein aus technischer, aber auch aus spielerischer Sicht nicht die beste Idee ist (siehe auch unser Release-Fazit unten). Offensichtlich wurde aber die Entscheidung getroffen, dass eine erneute Verschiebung insgesamt die größeren negativen Folgen haben würde.

Battlefield 2042 - Release-Fazit: Unfertig und raus damit! Video starten 17:29 Battlefield 2042 - Release-Fazit: Unfertig und raus damit!

Je nach dem, wie weit ein Projekt bereits fortgeschritten ist und wie gravierend die Schwierigkeiten sind, könnte sogar ein kompletter Neustart nötig sein. Aber quasi bei Null anfangen zu müssen, ist natürlich ein extrem zeit- und damit auch kostenintensiver Schritt.

Die Geschichte der GTA Trilogy ist ein Sonderfall

Ich kann dieses Dilemma zwar grundsätzlich nachvollziehen, dennoch finde ich es genau so verständlich, wenn jemand sagt: Wenn ich mein Geld für ein fertiges Produkt ausgebe, dann kann ich auch erwarten, dass seine Qualität stimmt. Probleme nachträglich soweit möglich mit Patches gerade zu biegen, ist jedenfalls mit Sicherheit nicht die optimale Lösung.

Im Falle der GTA Trilogy kommt in meinen Augen erschwerend hinzu, dass ihre Probleme in dem Moment absehbar waren, in dem man sich für den vermeintlich einfachsten Weg entschieden hat, die bereits vorhandenen Mobile-Versionen als Basis zu nehmen.

Das macht es mir auch so schwer, Rockstar die Entschuldigung wirklich komplett abzukaufen. Darin heißt es, dass die Klassiker aus der Trilogy Rockstar selbst genau so viel bedeuten würden wie den Fans weltweit. Wenn das wirklich der Fall wäre, dann hätte man sich von Beginn an für einen anderen Weg der Entwicklung entscheiden müssen.

Wie schätzt ihr die Lage ein? Kann Rockstar beziehungsweise Groove Street Games den GTA-Klassikern im neuen Gewand mit Patches wirklich noch die Qualität geben, die sie verdienen oder ist dieser Zug (beziehungsweise dieses Auto) abgefahren? Schreibt es gerne in die Kommentare!

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