Die Homeworld Remastered Collection hat Homeworld für immer verdorben. Also das alte Homeworld. Kantige Raumschiffchen, beklebt mit Matschtexturen, die aussehen, als hätte ein Vorschüler Triebwerke und Zugangsluken mit Microsoft Paint draufgesuppt - das soll der Strategieklassiker sein, der uns 1999 mit bildschönen Sternenschlachten die Kinnladen ins Kellergeschoss sacken ließ? Ja, das ist er. Und nachdem wir die Remastered Collection gespielt haben, können wir ihn nicht mehr anschauen.
Die Sammlung enthält nämlich vor allem grafisch überarbeitete Neuauflagen von Homeworld und Homeworld 2 (2003), den größeren Sprung macht logischerweise das erste Homeworld, das nach der Renovierung so aussieht, wie wir's eigentlich in Erinnerung hatten: bildschön, effektvoll, faszinierend. Die (arg absturzfreudigen) Ursprungsversionen beider Spiele, die zu Vergleichszwecken ebenfalls beiliegen, wirken allenfalls wie Prototypen des Spektakels, das die Remastered Collection auf dem Bildschirm abbrennt.
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Aber gut, Grafik ist nicht alles und war's auch nie, wie sieht's spielerisch aus? Tja, da haben sich die beiden Homeworlds ihre Eigenständigkeit, ihre Originalität und ihren Nischencharme bis heute bewahrt: Echtzeit-Strategiespiele, in denen wir Raumschlachten schlagen und unsere Flotte im dreidimensionalen Kosmos auch nach »oben« und »unten« schicken können, gibt's ja immer noch nicht wirklich viele. Für Serienneulinge kann sich der Remastered-Kauf so schon aus historischer Neugier lohnen. Homeworld-Kenner werden indes auch einige spielerische Änderungen feststellen - und nicht alle davon sind begrüßenswert.
Steam-Pflicht & Collector's Edition
Die Homeworld Remastered Collection ist bislang ausschließlich auf Steam erhältlich und kostet reguläre 32 Euro. Zusätzlich gibt es eine Collector's Edition, die aber nur noch bei Amazon UK erhältlich ist und 99 Pfund kostet (rund 135 Euro). Ob die Sammleredition, die unter anderem eine Mutterschiffstatue enthält, diesen stolzen Preis wert ist, zeigen wir im Boxenstopp-Video.
Lückenhaft komfortabel
Für die Homeworld Remastered Collection zeichnet der Borderlands-Entwickler Gearbox verantwortlich, der die Homeworld-Rechte aus der THQ-Konkursmasse herausgekauft hat. Gut, vollständig ist die Sammlung dennoch nicht, der Ableger Homeworld: Cataclysm (2001) fehlt, weil laut Gearbox sein Source Code verschollen ist. Das erste Homeworld hat das Team für die Neuauflage dafür in die potentere Engine des Nachfolgers portiert, weshalb es auch dessen spielerische Eigenheiten erbt. Allen voran natürlich den angehobenen Bedienkomfort: Für Bewegungsbefehle genügt nun ein einfacher Rechtsklick, man muss nicht mehr erst auf die »W«-Taste drücken.
Das Interface sieht für beide Spiele gleich aus, sein halbtransparentes Design ist vor den (dank Bloom-Effekten) teils strahlend hellen Weltraum-Hintergründen aber nicht immer klar erkennbar. Außerdem gibt's kleinere Komfortlücken, beispielsweise können wir per »B«-Taste das Baumenü öffnen und durch alle produktionsfähigen Träger- und Mutterschiffe schalten - schließen lässt sich der Bildschirm aber nur per »Escape« oder Mausklick. Das Forschungsmenü klappen wir indes einfach über »R« auf und wieder zu.
Und wenn wir uns in einer Mission durch eine schützende Staubwolke bewegen sollen, um nicht von einer Supernova verkohlt zu werden, dann können wir diese Wolke auf der Sensorkarte nun schwerer erkennen, weil die Auflösung höher und die »Wolkenpunkte« kleiner sind. All das ist aber Kritik auf hohem Niveau, für ein 3D-Strategiespiel funktioniert die Bedienung beider Homeworlds mit etwas Übung sehr gut und flüssig, vermittelt wird sie im verständlichen, wenn auch arg Homeworld-2-lastigen Tutorial.
Noch eine Komfortfunktion erbt Homeworld von seinem Nachfolger, aber nur teilweise. Während nämlich in Homeworld 2 alle auf der Karte verbleibenden Ressourcen am Ende einer Mission automatisch auf unser Konto »gebeamt« werden, geschieht das in der Neuauflage des Vorgängers zwar immerhin mit einem Teil (also den Rohstoffen, die sowieso in unserer Nähe lagern), den Rest aber müssen wir selbst sammeln - was locker eine halbe Stunde oder länger dauern kann. Nötig ist es aber nicht, auch mit der Automatik-Ernte kommen wir gut über die Runden.
Leerlauf gibt's in den Homeworld-Missionen dennoch regelmäßig, etwa wenn wir warten müssen, bis unsere lahmen Zerstörer beim Zielschiff angekommen sind. Zeitgemäß fühlt sich das nicht an, eine optionale Zeitbeschleunigung wäre wünschenswert gewesen. Durch die Manipulation von Programmdateien lässt sich zwar eine Zeitrafferfunktion freischalten, die Gearbox aber nicht offiziell unterstützt, weil sie zu Abstürzen führen kann.
Ein spürbares Erbe
Schon gravierender sind da die spielerischen Auswirkungen der Portierung. Während in Homeworld 2 fast alles beim Alten und auf dem Stand von Patch 1.1 bleibt, hat die Remastered-Version des ersten Homeworld einige Änderungen vorzuweisen. So schlucken Raumjäger keinen Treibstoff mehr und müssen entsprechend auch nicht mehr betankt werden. Das finden wir aber nicht schlimm, weil es die Schiffchen generell nützlicher und weniger pflegebedürftig macht.
Übrigens: Die feindlichen Kadesh-Schwärmer aus der siebten und achten Homeworld-Mission müssen nach wie vor zwischendurch tanken – das ist und bleibt eine ihrer großen taktischen Schwächen. Zum Glück hat Gearbox zudem darauf verzichtet, den Geschwaderbau von Homeworld 2 auf den ersten Teil zu übertragen: Wir heuern Jäger und Korvetten immer noch einzeln an statt in Dreier- oder Fünfergruppen - das wäre dann doch zu weit weg gewesen vom Original.
Jägerformation à la »X« oder »Klaue« lösen sich allerdings schnell auf, was im Original aber ebenfalls oft passierte. Schon spürbarer wirkt sich aus, dass die Taktikeinstellungen nur noch bestimmen, wann ein Schiff den Gegner angreift, nicht mehr wie es ihn angreift – im ursprünglichen Homeworld erhöhte etwa die »aggressive« Einstellung wirklich die Feuerkraft, nun attackieren aggressive Schiffe nur noch automatisch alle Gegner in Reichweite. Das finden wir zwar nicht originalgetreu, aber auch nicht schlimm, in Homeworld 2 war es schließlich genauso. Reparaturschiffe wiederum heilen ihre Patienten nicht mehr aus der Distanz, sondern müssen andocken, was umständlicher ist als früher, aber ebenfalls nicht wirklich stört.
Kontroverser diskutiert werden dürfte ein anderes Erbe, das Homeworld vom Nachfolger übernimmt: der dynamische Schwierigkeitsgrad. Je mächtiger unsere Flotte ist (die wir in beiden Spielen von Mission zu Mission übernehmen), desto zahlreicher sind die Gegner im folgenden Einsatz. Dabei stellt uns das Spiel nie vor unlösbare Aufgaben, mit der richtigen Taktik und einem guten Mix aus Großpötten und Jägern/Korvetten bleiben die Feinde stets schlagbar. Außerdem geschieht die Anpassung nur an bestimmten Stellen, es werden nicht pauschal alle Gegnerzahlen erhöht.
Dennoch mag Veteranen dadurch das vertraute Hochgefühl fehlen, die Feinde mit einer Riesenflotte einfach niederzuwalzen. Außerdem lässt sich die dynamische Anpassung leicht austricksen: Wer am Ende einer Mission seine halbe Flotte verschrottet und am Anfang der nächsten wieder neu aufbaut (Rohstoffmangel ist selten ein Problem), hat im wahrsten Sinne des Wortes etwas leichteres Spiel. Pro Schiffsklasse gilt wieder ein Einheitenlimit - das im ersten Homeworld 1 aber wie gehabt nur selbstgebaute Kähne berücksichtigt.
Zusätzlich dürfen wir wieder beliebig viele Feindraumer kapern. Wer in der vorletzten Mission knapp 100 Ionengeschützfregatten einsacken und danach den Endgegner mit nur einem Feuerstoß wegblasen möchte - nur zu! Vermissen mögen Veteranen dafür die Fraktionswahl: In der Kampagne sind wir auf die Kushan und ihr bananenförmiges Mutterschiff festgelegt. Die Taiidan und ihre raumreisende Riesenflunder halten ausschließlich als Gegner her - schade. Das klingt aber dramatischer, als es ist, weil die Kampagne mit jedem Volk grundsätzlich gleich verlief und sich auch die Schiffstypen exakt glichen - von je zwei Spezialeinheiten abgesehen.
Der Multiplayer-Modus
Die Homeworld Remastered Collection erlaubt spieleübergreifende Mehrspielergefechte, in denen die Parteien aus dem ersten Homeworld (Kushan und Taiidan) gegen die aus dem zweiten (Hiigaraner und Vaygr) antreten können. Zum Release ist der reine Onlinemodus aber noch in der Betaphase, Gearbox feilt an der Balance.
Und das ist auch nötig. Die sehr mächtigen Raketenzerstörer, die im ersten Homeworld kurzen Prozess mit Jägern und Korvetten machten, wurden zwar entschärft, dafür blasen jetzt hiigaranische Flakfregatten ganze Geschwader aus dem All. - LAN-Schlachten sind nicht möglich, ohne Internet gibt's nur Skirmish-Partien gegen die KI. Für die Duelle mit bis zu sieben menschlichen Gegnern braucht man neben Steam zudem einen (kostenlosen) Account beim Gearbox-Dienst Shift.
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