Warum sind Spieleentwickler aus dem ehemaligen Ostblock nur so fasziniert von zusammenbrechenden Zivilisationen? Ob die Stalker-Reihe, die Metro-Spiele oder eben das via Kickstarter finanzierte Hardcore-Rollenspiel Insomnia: The Ark: Die Postapokalypse ist quicklebendig - zumindest so lebendig, wie es im Rahmen einer Dystopie eben möglich ist. Doch auch wenn Insomnia nicht ganz mit den »großen« Endzeitspielen mithalten kann, darf man MonoStudio aus Russland zumindest eins nicht vorwerfen: mangelnde Kreativität bei der Wahl des Schauplatzes.
Insomnia: The Ark spielt nicht auf einer kaputten Version der Erde, sondern auf der mobilen Raumstation Object 6. Diese dient als Arche die jene Erdenbewohner, die sich nach einem alles vernichtenden Krieg darauf retten konnten, per Autopilot zu einem Extraktionspunkt und vermutlich einem neuen bewohnbaren Planeten bringen soll.
Damit die Oberschicht aus dem Urb genannten UpperclassSektor des Schiffes diese Rettung noch erlebt, befinden sich zu Beginn des Spiels drei Viertel seiner Bewohner im so genannten Big Sleep, einer Art Cryoschlaf. Ein vermeintlicher Terrorakt und eine mysteriöse Anomalie schicken allerdings zahlreiche Schlummernde über den Jordan und wecken auch euch mit ordentlich Kopfschmerz aus dem süßen Dämmerschlaf. Geplagt von Halluzinationen, die offenbar von der psychischen Krankheit Somnia ausgelöst werden, müsst ihr als Elitesoldat ergründen, wer hinter dem Anschlag steckt und wie sich die auf der Raumstation verbreitenden Anomalien eindämmen lassen.
Sprachbarriere
Vorsicht! Insomnia: The Ark ist momentan nur auf Russisch und Englisch spielbar. Allerdings arbeiten die Entwickler fleißig am Spiel und versprechen neben Verbesserungen für die Zukunft auch deutsche Untertitel. Sobald die integriert (und Kampf- und Rollenspiel-Systeme besser abgestimmt) wurden, lohnt sich vielleicht ein neuer Blick auf das Spiel.
Charakterwahl? Egal!
Ganz klassisch erstellt ihr nach einem ausführlichen Tutorial-Prolog in bester Rollenspielmanier einen Charakter (den ihr optisch herzlich wenig personalisieren dürft) und wählt eine von fünf Charakterklassen aus. Dazu gehören unter anderem der diebische Helot oder der Nahkampfexperte Ordinator. Wirkliche Unterschiede sind abgesehen von Boni auf Fähigkeiten wie Schleichen oder Reparieren sowie eine jeweils andere Startausrüstung allerdings nicht spürbar. Zwar eröffnen euch die jeweiligen Klassen unterschiedliche Dialogoptionen, die haben aber keine nennenswerte Auswirkung auf das tatsächliche Spielgeschehen.
Dieses Geschehen beschränkt sich in der Regel darauf, im Schneckentempo auf einer Übersichtskarte die Slums des Near Range zu durchqueren, für relativ blasse NPCs Sammelquests zu erledigen und eine Verschwörung in den Reihen der Regierung aufzudecken. Echte Spannung kommt dabei aber selten auf. Dazu ist die Hintergrundgeschichte zu verworren und zu viele lose Enden versanden im Logik-Nirwana.
Im Verlauf des Spiels erhaltet ihr beispielsweise Zugang zu einer traumartigen Parallelwelt, in der ihr für andere Somnia-Geplagte und mysteriöse Schatten Aufträge erfüllt. Zu welchem Zweck das passiert, erklärt euch das Spiel nie. Die versprochenen weitreichenden Konsequenzen eurer Taten sind ebenfalls kaum zu spüren. Ob ihr beispielsweise die Sekte House Of Bea Kera unterstützt oder ihren Widersachern, dem Clan Morakh, zur Vorherrschaft verhelft, hat keine großen Auswirkungen auf die Geschichte.
Ein Traum für Schrittzähler
Immerhin präsentieren sich die kompakten Spielschauplätze glaubwürdig kaputt. Die Slums der Raumstation ähneln einer riesigen Müllhalde aus blinkenden Neon-Schildern, veraltetem Technikkrempel und zusammengeschusterter Architektur. In der schmutzigen, förmlich nach Diesel und verschmorter Elektrik duftenden Welt kommen Blade Runner, Bioshock und Fallout zusammen - kein schlechter Atmosphäre-Mix.
Die düstere Stimmung, die auch dank des Oldschool-RPG-Soundtracks die Spielwelt durchdringt, bröckelt allerdings, sobald es ans Backtracking durch die immer gleichen Level geht - und damit habt ihr bei Insomnia: The Ark häufig zu kämpfen. Eine Schnellreisefunktion gibt es nicht. Ihr klickt lediglich auf einer Übersichtskarte das Ziel an und wartet, dass der Held dorthin latscht. So starrt ihr länger tatenlos auf diese Karte, als selbst handeln zu dürfen.
Auch die zufälligen Begegnungen, die eure Reise durch Object 6 auflockern sollen, sind in der Praxis eher nervig. Oft läuft es einfach nur auf Echtzeit-Kämpfe direkt in der Spielwelt hinaus, bei denen Glück mehr zählt als Verstand. Denn obwohl ihr bei jedem Levelaufstieg Punkte auf Fähigkeiten wie Nahkampf, Computerwissen, Schlösserknacken oder Konstitution verteilen dürft, ist der Griff zum Gewehr in Auseinandersetzungen oft die einzig sinnvolle Wahl.
Krampfkampf
Der Nahkampf scheitert an grottigen Schlag- und Ausweichanimationen und daran, dass jeder eurer Schläge euren Gegner ins Taumeln bringt. Kleine Schusswaffen fühlen sich oft wie Spielzeugknarren an. Selbst wenn ihr die sperrigen Gewehre nutzt, verkommt das Spiel aufgrund der kreuzdämlichen Gegner-KI zum Cover-Shooter und Geduldsspiel. Dynamische Kämpfe sehen anders aus, gerade wenn eure Gegner immer wieder durch Deckung feuern können und ihr lediglich Altmetall trefft.
Theoretisch hättet ihr die Möglichkeit, eure Chancen in den zahllosen Schusswechseln durch Crafting zu verbessern, schließlich finden sich überall in der Welt Rezepte und Anleitungen für neue Munitionstypen und Heilgegenstände. Praktisch ist das Herstellen dieser Gegenstände allerdings so kleinteilig, dass es bequemer ist, sie einfach bei Händlern zu kaufen. Würden eure Waffen nicht mit jedem Schuss und jedem Schlag stückweise zerbröseln wie ein trockener Butterkeks und dann einer Reparatur bedürfen, könntet ihr die Werkbänke im Spiel also ganz meiden. Denn wenn man zuerst mühselig Kugeln, Hülsen und Schwarzpulver herstellen muss, um daraus Munition zu basteln, die weniger effektiv ist als die gekaufte - warum sich überhaupt die Mühe machen?
Selbiges müssen sich die Entwickler auch dabei gedacht haben, als es darum ging, glaubhafte, nuancierte Charaktere zu schreiben. Die Rebellen, die sich für die Gleichbehandlung aller Bewohner einsetzen, werden direkt als Terroristen gebrandmarkt. Eure befehlshabenden Offiziere haben immer Recht, Männer sind harte Knochen und Frauen Furien oder Prostituierte. Kurz: Bei Insomnia: The Ark bleibt selbst im Neonlicht alles schwarz und weiß.
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