Die Filmserie »John Wick« mit Keanu Reeves steht vor allem für bleihaltige und überdrehte Action. Da verwundert es auf den ersten Blick, dass John Wick Hex ausgerechnet ein rundenbasiertes Taktikspiel geworden ist.
Bei genauerer Betrachtung werden die Parallelen jedoch schnell klar: die Hollywood-Action auf der Leinwand funktioniert nur deswegen so gut, weil jede Bewegung bis ins kleinste Detail perfekt geplant und choreographiert wird. Genau diese Erkenntnis brachte Mike Bithell (Thomas Was Alone, Volume) auf die Idee, mit der Lizenz ein rundenbasiertes Action-Ballett statt eines hektischen Shooters zu entwickeln.
Actionballett mit Waffen
Die nun fertige Version spielt sich wie eine Mischung aus XCOM und SUPERHOT. Der Clou: Anders als in der klassischen Rundenstrategie, sind wir nicht abwechselnd am Zug, sondern bewegen uns gleichzeitig mit den Feinden. Wir können ungestört überlegen und planen, so lange wir möchten, aber sobald wir uns bewegen, sind parallel auch alle Feinde in Aktion. Das Nachladen der Schrottflinte kostet uns zum Beispiel eine Sekunde - in der Zeit wird jedoch auch der grimmig dreinschauende Schläger bei uns sein (in genau 0,4 Sekunden) und zuschlagen (Dauer: 0,5 Sekunden).
Kein guter Plan, daher entscheiden wir uns, dem Prügelknaben die Waffe lieber ins Gesicht zu werfen und ihn so kurz zu betäuben (0,3s), zwei Schritte auf ihn zuzugehen (0,4s) und ihn mit einem Nahkampfangriff auszuschalten. Da kein anderer Feind in der Nähe ist, heben wir das Gewehr wieder auf und laden in Ruhe nach, bevor wir uns in den nächsten Raum wagen.
Zeit ist die wichtigste Ressource
Jede Aktion wird als Block auf einer Zeitleiste dargestellt. So haben wir stets im Blick, wie lange die Gegner um uns herum für ihre Angriffe und Aktionen benötigen. Weichen wir aus, gehen wir in Deckung oder haben wir noch die Zeit, einen Schuss zu platzieren, bevor der Gegner auf uns schießt?
Zeit ist zwar die wichtigste, aber nicht die einzige Ressource. Neben Johns Gesundheit müssen wir auch auf den Fokus-Wert achten. Diesen benötigen wir, um Ausweichmanöver oder besonders starke Nahkampfangriffe auszuführen. Ist der Fokus verbraucht, genügt ein kurzer Klick auf »Neu fokussieren«. Dann schüttelt sich der virtuelle Keanu kurz und die Leiste ist wieder voll.
Ähnlich wie beim Anlegen von Verbänden zur Heilung sollten wir dazu aber idealerweise in Deckung sein. Beides kostet wertvolle Sekunden, in denen unser Held verletzlich ist. Munition ist ebenfalls ein knappes Gut, allerdings bringen wir so viele bewaffnete Gegner pro Level um, dass wir eigentlich nie Mangel an neuen Schießgeräten haben. Die liegen dann nämlich herrenlos rum.
Nicht immer sind stärkere Waffen besser. Mit einer Schrotflinte schießen wir deutlich langsamer als der Gegenüber mit der Uzi. Bei einem Treffer wird die aktuelle Aktion des Widersachers unterbrochen, daher sind schnelle Waffen mit kurzen Ladezeiten klar Trumpf.
Gesucht: Hohe Frusttoleranz
Das perfekte Timing zu finden, ist durchaus reizvoll, erfordert aber auch ein hohes Maß an Frusttoleranz. Eine Undo- oder Rückspulfunktion gibt es nicht und der Schwierigkeitsgrad kann nicht angepasst werden. Fehler werden gnadenlos bestraft und Johns Gesundheit ist stark limitiert. Zudem lässt sie sich auch nicht steigern. John ist ein fertiger Held, aufleveln durch verdiente Erfahrungspunkte oder Vergleichbares gibt es nicht.
Immerhin: Zu Beginn eines neues Areals geben wir in der Planungsphase aus einem vorgegebenen Kontingent Münzen aus, um Heilpakete in den Levels zu hinterlegen oder temporäre Perks zu aktiveren. Diese verringern beispielsweise die Fokus-Kosten für Ausweichrollen oder den Nahkampf.
Standardmäßig beginnen wir jedes der insgesamt sieben Areale mit nur zwei Verbandskästen. Diese müssen über die rund fünf bis sechs Levelabschnitte bis zum jeweiligen Boss genügen. Haushalten wir schlecht, bleibt uns nichts anderes übrig, als den Level oder gar den gesamten Abschnitt von vorne zu starten. Das bedeutet, dass wir die gleichen Bereiche immer und immer wieder spielen, bis wir mit der Ausgangslage für den nächsten Abschnitt zufrieden sind.
Die Levelarchitektur und auch der Weg zum Ausgang bleiben dabei stets gleich, doch die Platzierung der Feinde wird bei jedem Versuch größtenteils neu arrangiert. Das sorgt mitunter für unfaire Situationen und erschwert das Herantasten an die richtige Strategie.
Mangelnde Abwechslung
Die spielerische Herausforderung ist in allen Arealen nahezu gleich. Wir treffen auf die immer gleichen Gegnertypen (Fern- und Nahkämpfer) in unterschiedlich starken Rüstungen. Auch die Waffenarten unterscheiden sich bis auf ihre Geschwindigkeit nur wenig. Wir schießen die komplette Kampagne mit den immer gleichen Handwaffen, Maschinenpistolen und Gewehren durch die Gegend.
Die Gegner-KI ist enttäuschend: Die Schurken stehen ungeschützt in der Gegend rum und waffenlose Bullies laufen auch nach ein paar direkten Treffern noch kerzengerade auf uns zu. Der Nahkampf bietet ebenfalls wenig Abwechslung und läuft nach kürzester Zeit mechanisch und routiniert ab. Alleine sind die Gangster nur lästig und schnell zu Boden gebracht, doch in der Regel haben wir es mit mehreren Gegnern gleichzeitig zu tun.
Besonders nervig: Der Gegnerstrom aus irgendwelchen Türen fließt unendlich, solange wir uns in der Nähe aufhalten. Daher ist das Erkunden eines Areals nicht förderlich für die eigene Gesundheit. Viel zu entdecken gibt es allerdings eh nicht. Geheimnisse oder alternative Pfade? Fehlanzeige.
Die verschiedenen Abschnitte sorgen zumindest optisch für Abwechslung. Mal durchstreifen wir ein verregnetes Hafenviertel, kämpfen uns durch vergoldete Hallen eines Bankgebäudes oder durch die verwinkelten Ausstellungsräume eines Museums. Jeder Bereich hat seine ganz eigene Lichtstimmung und die Celshading-Grafik passt gut zum unterkühlten Look der Filmvorlage.
Dünne Story mit Originalstimmen
Inhaltlich erzählt John Wick Hex eine recht dünne Vorgeschichte zur Film-Trilogie. Vorkenntnisse sind nicht nötig, um die belanglose Rahmenhandlung (John Wick tötet alle) zu verstehen. Fans freuen sich darüber, dass die Schauspieler Ian McShane und Lance Reddick als Sprecher in ihren bekannten Serien-Rollen mit dabei sind.
Die Story wird im Stil einer Visual Novel mit Standbildern erzählt, aber ihr fehlt es an Dramatik und Spannungsmomenten, um wirklich zu begeistern. John Wick selbst bleibt das gesamte Spiel über stumm. Alle Texte, Anleitungen und Menüs sind ins Deutsche übersetzt, die Dialoge sind jedoch nur in Englisch vertont.
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John Wick Hex - Ankündigungstrailer des offiziellen Spiels zum Film
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