Seite 2: Mafia 3 im Test - Ein Rachefeldzug spaltet die Community

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Rambo trifft Apartheid

Um die Sache mit den Bugs noch kurz einzuordnen: Ja, die technischen Fehler von Mafia 3 sind vorhanden, ja, sie stören auch, verschaffen dem Spiel eine Abwertung, aber sie zerstören nicht zwangsläufig die Spielerfahrung im Sinne eines Plot Stoppers. Man kann guten Gewissens zig Stunden durch New Bordeaux fahren und ballern, ohne sich automatisch über die (vorhandenen) kleinen Macken links und rechts aufzuregen. Wer das hingegen aus Prinzip tun will, findet genügend Gründe - das hängt letztlich vom Spielertyp ab. Was wir nur sagen wollen: Sie können Mafia 3 ungestört und performant spielen, wenn Sie bereit sind, hier und dort ein Auge zuzudrücken. An anderer Stelle sollte man aber unbedingt beide Augen weit geöffnet lassen: bei den grandiosen Zwischensequenzen.

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Beim Inszenieren der Story lässt Mafia 3 nämlich die optischen Muskeln spielen. Selten haben wir so eine überzeugende und ausdrucksstarke Mimik bei Videospielcharakteren gesehen - das trägt extrem dazu bei, dass uns die Gangster in ihrer ambivalenten Outlaw-Art ans Herz wachsen. Und auch die Vertonung überzeugt auf ganzer Linie: Im Englischen profitieren die Stimmen natürlich von den authentischen Akzenten, trotzdem kann man das Spiel guten Gewissens auf Deutsch genießen. Die lokalisierte Synchro gehört zum Besten, was wir dieses Jahr gehört haben - gerade Hauptfigur Lincoln Clay transportiert seinen inneren Zorn sagenhaft gut. Das wäre natürlich alles Augenwischerei, wenn der tatsächliche Inhalt der Story schwächeln würde. Tut er aber nicht. Ganz im Gegenteil.

Mafia 3 erzählt eine packende, emotionale und erwachsene Gangster-Geschichte über Lincoln Clay, einen US-amerikanischen Afroamerikaner, der gerade aus Vietnam zurückgekehrt ist, nur um zu merken, dass auch in der Heimat ein Krieg tobt. In New Bordeaux (dem fiktiven Äquivalent zu New Orleans) sorgt in den 1960er-Jahren nicht nur die Apartheid zwischen Schwarzen und Weißen für soziale Spannungen, sondern auch das organisierte Verbrechen. Lincoln Clay verliert seine Ziehfamilie an die italienische Mafia und schwört blutige Rache. Da er in Vietnam an blutigen Black Ops teilgenommen hat, kennt er sich bestens in psychologischer Kriegsführung aus und beschließt, die Mafia von New Bordeaux Stück für Stück durch ein eigenes Imperium zu ersetzen, um dem Feind jede Freude im Leben zu nehmen - bevor es dann ans Leben selbst geht.

Ein Mann gegen die Mafia

Lincoln Clay ist dabei selbst alles andere als ein Unschuldslamm, sondern seit seiner Teenie-Zeit ein knallharter Mafia-Gangster und Teil des Systems - kein Wunder, sein ermordeter Ziehvater war der Boss der afroamerikanischen Cosa Nostra. Soldat, Gangster, Rachsüchtiger - kein Wunder, dass Mafia 3 bei so einer Hauptfigur das 18er-Siegel als Altersfreigabe bekommt. Im Verlauf der Kampagne meucheln wir uns von den unwichtigsten Capos bis zu den ganz großen Bossen quer durch das organisierte Verbrechen und hinterlassen eine Schneise der Verwüstung.

Mafia 3 - Sprachvergleich: Englische vs. deutsche Vertonung Video starten 7:25 Mafia 3 - Sprachvergleich: Englische vs. deutsche Vertonung

Allerdings erledigt Lincoln das nicht allein, an seiner Seite stehen sein ehemaliger CIA-Operator aus Vietnam sowie drei Gangster, die unterschiedlicher nicht sein können: Die haitianische Vodoo-Chefin Cassandra, der irische Schnapsbrenner Burke sowie Vito Scaletta, die einstige Spielfigur aus Mafia 2. Jeder dieser drei Partner hat einen Haufen Männer unter sich und hilft Clay nur, um ein möglichst großes Stück vom Herrschaftskuchen abzubekommen.

Abseits der Stereotypen

Das Figuren-Ensemble gehört zu den größten Stärken von Mafia 3. Lincoln Clay ist kein klassischer Held, sondern ein gnadenloser Schwerverbrecher, den Vietnam zu einer lebenden Waffe geformt hat. Das Spiel drückt uns dabei dankenswerterweise nicht dauernd aufs Auge, dass wir ihn bitte sympathisch finden sollen - hier wirkt es in seiner erzählerischen Konsequenz deutlich glaubwürdiger als etwa ein Niko Bellic in GTA 4. Auf der einen Seite ist Lincoln nicht die hellste Leuchte, auf der anderen ein gerissener Stratege - sein Charakter wird durch die Story einzigartig und glaubhaft vermittelt.

Diese prägnante Figurenzeichnung zieht sich durch das komplette Spiel. Mafia 3 arbeitet nicht mit Stereotypen, sondern gibt uns interessante und facettenreiche Gesetzlose. Burke ist ein irischer, unfreundlicher Drecksack, der seinen Sohn an die Mafia verloren hat, Vito hingegen immer noch der unverträgliche Quälgeist, der mit niemandem so recht klarkommt. Bei der Haitianer-Chefin Cassandra können wir förmlich spüren, mit welchen Wesenszügen sie es als Frau an die Spitze einer Verbrecherorganisation geschafft hat. Und auch unsere Gegner werden in Zwischensequenzen vielschichtig und einprägsam porträtiert.

Generell gibt sich Mafia 3 unheimlich viel Mühe mit einer interessanten Inszenierung. Lincolns Geschichte wird nicht einfach linear von Anfang bis Ende erzählt, sondern durch clevere Rückblenden im Stil einer investigativen Dokumentation. Es werden »vor laufender Kamera« Minister, Anwälte und Bekannte aus Lincolns Leben zu den Ereignissen befragt, die wir in Mafia spielen. Ein Priester, den wir auch in der Kampagne regelmäßig aufsuchen, ordnet das Geschehen beispielsweise emotional ein, berichtet von seinen eigenen Erfahrungen als Kriegsveteran und überträgt sie auf Lincoln. Noch bevor wir das erste Mal in Clays Haut schlüpfen, wurde er bereits durch das Intro als gewalttätiges Monster charakterisiert. Dementsprechend neugierig sind wir darauf, diesen Charakter kennenzulernen. Mit solchen Kniffen schafft es Mafia, die Story zum treibenden Faktor des Spiels zu machen - mehr als in den meisten Spielen 2016 wollen wir einfach wissen, wie es mit den ganzen Figuren zu Ende geht. Und genauso gehört sich das für ein Mafia-Spiel!

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Auf Seite 3 erfahren Sie, warum die Story von Mafia 3 trotzdem keinen Award für innovatives Storytelling bekommt. Und wir reden über die tolle spielerische Freiheit.

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