Seite 3: Mafia 3 im Test - Ein Rachefeldzug spaltet die Community

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They Call Me Mister Clay!

Ein Aspekt trennt die Story jedoch davon, wirklich zum Meilenstein zu werden: Die Art und Weise, wie Apartheid vom Spiel thematisiert wird. Klar, diese furchtbare Rassentrennung dient als Stoßstein für die soziale Misere, in der sich Clay und seine afroamerikanischen Kollegen befinden, die Story greift dieses schwierige historische Kapitel aber kaum auf, um daraus interessante Geschichten zu spinnen Ja, die Bewohner von New Bordeaux reagieren ablehnend auf Lincoln, wenn er beispielsweise einen »weißen« Laden betritt.

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Und die Cops sind in wohlhabenden Gebieten schneller zur Stelle als im farbigen Ghetto. Trotzdem: Die tatsächliche Rachegeschichte hätte exakt genauso in einem Italo-Setting 30 Jahre früher funktioniert. Filme wie In der Hitze der Nacht haben eindrucksvoll bewiesen, dass die Ambivalenz von institutionalisiertem Rassimus in einem freiheitlich-demokratischen Land unheimlich spannenden Erzählstoff bietet - wir haben erwartet, dass Lincoln Clays Rachestory daraus ein bisschen mehr macht. Schließlich ist er ein Schwarzer, der auf soziale Ungerechtigkeit mit Morden, Attentaten und Erpressungen reagiert. Stichwort Soziales Pulverfass.

Gameplay mit Geschichte

Aber abseits dieser Detailkritik funktioniert die Story ganz hervorragend und erschafft eine fesselnde Gangster-Atmosphäre. Besonders vorbildlich: Alles, was wir spielerisch in New Bordeaux tun, hängt mit Lincolns Rachefeldzug zusammen. Hier wird weder Tennis gespielt, noch Fernsehen geschaut oder mit Kumpels auf Tauben geschossen - in Mafia 3 schaden wir vor allem den feindlichen Gangstern. Und das ununterbrochen. Lincoln raubt Läden aus, zündet geschmuggelten Alkohol an, bringt Feinde um die Ecke, klaut Trucks und bringt damit Stück für Stück ganz New Bordeaux auf seine Seite. Unsere drei Kollegen Cassandra, Burke und Vito geben uns zusammen mit CIA-Mann Donovan Infos über alle Viertel der Stadt und deren Gangvorsteher.

Dabei geht Clay strategisch von unten nach oben vor. In diversen Nebenmissionen erledigen wir erst die kleinen Fische, arbeiten uns dann zu den Hauptmännern vor und erledigen schlussendlich den Big Boss des Viertels in einer aufwändig inszenierten Story-Mission. Die Struktur der feindlichen Mafia erinnert an das Nemesis-System von Mittelerde: Mordors Schatten - jeder kleine Bandenchef hat einen Namen, eine Verbindung zur Story und zumindest im Ansatz einen Charakter samt Dialog. So muss man Gameplay mit Geschichte verbinden.

Die Kehrseite davon dürfte gerade GTA-Fans abschrecken: Wer optionale Extras wie Autotuning, Stunt-Herausforderungen oder Flugschulen sucht, schaut in die Röhre. Hier dreht sich alles um den Kampf gegen die Cosa Nostra. Das soll aber nicht heißen, dass es keinen Raum für spielerische Freiheit gibt. Ganz im Gegenteil: Unsere Wahlmöglichkeiten in der Open World gehören zu den größten Stärken von Mafia 3.

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Spielerische Freiheit, wie sie sich gehört

Lincoln wählt nicht nur selbst, welches Viertel er in welcher Reihenfolge erobern will, er entscheidet auch über die Art und Weise, wie das passiert. Unser erster Job in jedem Territorium fällt angenehm offen aus: »Richte Schäden an«. Ob das durch Attentatsmissionen, Raubüberfälle, Explosionsanschläge oder Erpressungen passiert, bleibt uns überlassen. Klar, irgendeine Mission müssen wir auf dem Weg nach oben natürlich immer anwählen, andere können wir aber getrost links liegen lassen, sofern wir die Schadenssumme auch anders zusammenbekommen. Alternativ können Vollständigkeitsfanatiker natürlich jeden noch so kleinen Auftrag annehmen. Außerdem wählen wir im Menü, ob Clay grundsätzlich tödlich oder nicht-tödlich vorgeht. Mafia 3 ist nichts für zarte Gemüter, so eine Entschärfungsfunktion schafft angenehm Abhilfe.

Hat Clay genügend Schaden angerichtet, kommen die Hauptmänner aus ihren Löchern und wir erobern deren Gebiete. Danach entscheiden wir wiederum selbst, was damit passiert. Wir können es Cassandra, Burke oder Vito übergeben und kriegen dafür unterschiedliche Boni wie erhöhte Gesundheit, Fahrzeugupgrades oder neue Waffen. Das ist spielerisch eine nette Idee, viel wichtiger sind aber die Konsequenzen auf die Story des Spiels: Ob Mafia-2-Held Vito beispielsweise viele oder wenige Territorien von uns bekommt, hat gravierende Auswirkungen auf die späteren Story-Kapitel. So müssen wir uns wirklich überlegen, wem der drei Raubeine unsere Sympathie gilt. Und gleichzeitig wird dadurch nochmals deutlich, dass es in dieser brutalen Gangster-Welt kaum echten Freundschaften gibt. Hier geht's nur ums Geschäft - wenn wir unseren Capos ans Bein pinkeln, dann beißen sie uns.

Die spielerisch wichtigste Freiheit überlässt uns das Spiel aber beim »Tagesgeschäft«, also beim konkreten Vorgehen in den Missionen. Mafia 3 sagt lediglich: »Erledige diesen Gauner!« Wie wir das anstellen, bleibt komplett der eigenen Kreativität überlassen. So trudelt Lincoln beispielsweise mit seiner Karre in einer Mission vor einem schwer bewachten Lagerhaus ein - bereits hier kann er wählen, ob er mit Vollgas durch das Haupttor brettert und dabei so viele Feinde wie möglich über den Haufen fährt. Alternativ steigt er aus, klettert ein paar Meter abseits über die Mauer und schleicht klammheimlich durch den Gebäudekomplex, während er achtlose Wachen einzeln per Stealth Kill ausschaltet. Wir können aber auch wie ein Monster auf den erstbesten Gegner einstechen, dem zweiten den Gewehrkolben ins Gesicht hauen und dann eine wilde Ballerei anfangen, bei der wir von Deckung zu Deckung huschen.

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Gangster sind doof

Diese spielerische Freiheit kommt komplett ohne irgendwelche Silbermedaillen für Stealth, Zeitboni oder sonstigen Schnickschnack aus, und das finden wir klasse. Wenn eine Schleichaktion danebengeht, laden wir nicht neu, sondern wechseln rasch zum Schießeisen, damit wir lebend aus der Sache rauskommen. Das Schussgefühl geht dabei mehr als nur in Ordnung. Lincoln wählt aus einem üppigen Arsenal von Pistolen, Gewehren, Schrotflinten, Maschinenpistolen und LMGs, jede Waffe hat ihre eigene Charakteristik und - noch wichtiger - ein sattes Trefferfeedback. Die wilden Schießereien in den Lagerhäusern, Bars und Hinterhöfen der Mafia erzeugen tatsächlich richtiges Film-Feeling, auch weil dabei regelmäßig das halbe Inventar zu Bruch geht. Allerdings verliert die KI in der Hitze des Gefechts häufig den Verstand.

Die feindlichen Gauner suchen zwar selbständig Deckung, aber häufig an ganz falschen Stellen. Wenn uns das nicht passt, verschanzen wir uns einfach in einem Nebenraum und lassen die Vögel peu à peu vor unser Zielvisier laufen, weil sie mit dem Raumwechsel nicht klarkommen. Und Höhenunterschiede sind für die Jungs ebenfalls eine große Herausforderung. Die KI-Probleme machen allerdings auch vor dem Schleichen nicht halt: Wenn Lincoln wie in Assassin's Creed 4: Black Flag Wachen mit Lockpfiffen in seine Arme treibt, scheinen die Kollegen merkwürdig blind, während zwei Meter links von ihnen jemand brutal abgestochen wird. Es ist generell sehr leicht, sich für die Feinde unsichtbar zu machen. Trotzdem fordern gerade die Schießereien auf höchstem Schwierigkeitsgrad (es gibt drei), weil dann bereits ein Schrotflinten-Volltreffer den Exitus bedeuten kann und Selbstheilung immer nur bis zum nächsten Gesundheitsbalken funktioniert - für mehr müssen wir Medikamente einwerfen. Somit bleiben die Auseinandersetzungen spannend, wenn man sich nicht bewusst anstrengt, die KI zu überfordern.

Mafia 3: Wir spielen los - Video: 18 Minuten Gameplay aus der PS4-Verkaufsversion Video starten 18:16 Mafia 3: Wir spielen los - Video: 18 Minuten Gameplay aus der PS4-Verkaufsversion

Auf Seite 4 reden wir über das größte spielerische Problem von Mafia 3 und ziehen ein finales Fazit.

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