Als wir Maquette zum ersten Mal starten, sind wir direkt schockverliebt: Die ersten Schritte durch die malerische Kulisse des Puzzle-Abenteuers werden von einer wunderschönen Cover-Version des 70er-Jahre-Hits »San Franciscan Nights« von Eric Burdon untermalt.
Der stimmungsvolle Auftakt nimmt uns sofort gefangen und zieht uns in die märchenhafte Kulisse hinein: mysteriöse Modellgebäude, in deren Mitte ein Pavillon mit noch kleineren Modellen steht.
So unbeschwert und leicht wie die Friedens-Hymne beginnt auch die Erzählung um Michael und Kenzie, die sich in einem Café im Gespräch über ein Skizzenbuch kennenlernen und verlieben.
Belauschen und Rätseln
Zu Gesicht bekommen wir die beiden Protagonisten nie, aber über den Verlauf der rund fünf Stunden Spielzeit begleiten uns ihre Stimmen. Während wir in der Ego-Perspektive durch Michaels Erinnerungen - eben die Modellhäuser - wandern und knifflige Puzzle-Aufgaben lösen, hören wir in regelmäßigen Abständen kurze Dialoge, die uns intime Einblicke in die Beziehung des Paares erlauben.
So belauschen wir das erste Date auf dem Jahrmarkt und erleben den hinreißenden Moment, als sich beide schüchtern ihre Liebe gestehen. Aber auch Alltagssituationen nach dem Zusammenziehen oder der erste Streit bleiben unseren Ohren nicht vorenthalten.
Die Szenen sind lebensnah geschrieben und werden glaubhaft von zwei professionellen Synchronsprechern auf Englisch (mit deutschen Untertiteln) vorgetragen. Deutsche Stimmen gibt es keine. Die Beziehung bildet zwar den thematischen Rahmen der insgesamt sechs Kapitel von Maquette, die Spielmechanik bleibt im Vergleich dazu aber sehr abstrakt und abgekapselt. Sie schafft es nicht, die Brücke zwischen Story und Spiel zu schlagen.
Aus dem Rahmen gefallen
Im Kern steht die Idee einer rekursiven Welt, die sich - in sich selbst verschachtelt - endlos wiederholt. Im Zentrum der kleinen Stadt sehen wir ein Miniaturmodell aller Gebäude um uns herum. Und auch wir selbst sind nur Teil eines Modells in einer uns umschließenden, noch größeren Variante dieser Umgebung.
Die Besonderheit: Verändern wir etwas und verschieben zum Beispiel eine Kiste, wirkt sich das stets auf jede Variante der Kiste auf allen Ebenen gleichzeitig aus. So lassen sich schwere Objekte wie eine Treppe mit Leichtigkeit neu platzieren, in dem wir einfach nur die handlichere Variante bewegen.
Zudem lassen sich Gegenstände beliebig verkleinern oder vergrößern, in dem man sie von einer Ebene in die nächste trägt. Mit diesem Trick verwandeln wir beispielsweise einen »großen« Haustürschlüssel, den wir im »kleinen« Modell zwischen zwei Pfosten legen, in eine provisorische Brücke.
Abwechslungsreiche Knobelaufgaben
Die Rätsel sind abwechslungsreich und steigern sich langsam aber stetig im Schwierigkeitsgrad. Jedes Kapitel setzt optisch und inhaltlich dabei einen leicht anderen Schwerpunkt und bietet für Rätselfans gehobene, aber insgesamt nicht zu schwere Knobelkost.
Falls es doch mal klemmt, fangen die sehr limitierten und eng abgesteckten Areale dieses Manko in den meisten Fällen gut auf. Oft gibt es nur ein oder zwei Objekte, mit denen man gleichzeitig hantieren muss, so dass die Lösung mit etwas Herumprobieren schnell gefunden ist.
Gebiete, die wir bereits abgeschlossen haben, werden außerdem durch Barrieren versperrt, so dass wir uns in der theoretisch endlosen Welt von Maquette nicht verlaufen können. Ein unterstützendes Hilfesystem oder auf Wunsch einblendbare Tipps vermissen wir dennoch.
Trotz dieser Vorkehrungen konnten wir uns im Test mehrfach komplett in die Sackgasse manövrieren. An einer Stelle gelangten wir durch das Vergrößern einer Leiter an Orte, von denen es kein Zurück mehr gab. Wenige Zeit später fehlte uns ein Objekt, das für das aktuelle Rätsel unbedingt nötig war. Der Gegenstand tauchte erst nach dem verzweifelten Reload des letzten Checkpoints wieder auf. Ärgerlich und frustrierend.
Märchenhaft guter Soundtrack
Der Soundtrack von Maquette ist mit besonderer Sorgfalt ausgesucht und bietet mehrere tolle Momente, in denen die Entwickler das Tempo bewusst herausnehmen und die Wirkung des Lieds voll zur Geltung kommen lassen.
Grafisch orientiert sich die gesamte Welt an der gemeinsamen Liebe für das Zeichnen sowie Michaels Skizzen-Buch, über das unser Paar zum ersten Mal ins Gespräch kam. Alle Objekte sind etwas schief modelliert, Texturen fehlen bewusst nahezu komplett, und phasenweise baut sich die Welt um uns herum auf - ganz so, als würde sie in diesem Moment erst gezeichnet werden.
Die eingespielten Dialogfetzen, die teils sehr abstrakte Architektur und handschriftliche Texte, die inmitten der Spielwelt schweben lassen uns glaubhaft in Michaels Gedankenwelt umherziehen. Die fragmentierte, szenische Erzählweise passt gut zur Prämisse, dass es sich um die Aufarbeitung seiner Erinnerungen an die gescheiterte Beziehung mit Kenzie handelt.
Der Glaube an die Liebe kann bekanntlich Berge versetzen und große Probleme klein machen, uns aber ebenso ratlos und verloren zurücklassen. Diese Metaphern sind klar im Spiel erkennbar, aber den Entwicklern gelingt es nur in sehr wenigen Momenten, Rätsel und Story wirklich harmonisch miteinander zu verbinden.
Die meiste Zeit fühlen sich beide Elemente wie getrennt zueinander laufende Stränge an, die nicht miteinander harmonieren. Sicherlich keine bewusste Analogie zum Verlauf der Beziehung von Michael und Kenzie.
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Eine unfertige Skizze
Maquette ist das französische Wort für Modell, kann aber auch mit Skizze oder Entwurf übersetzt werden. Das bezieht sich auf das Miniaturmodell im Zentrum der Welt, passt aber auch zum Eindruck, den das Spiel nach dem Abspann bei uns hinterlassen hat.
Maquette - Screenshots ansehen
Vieles hat uns gefallen und wir hatten eine schöne gemeinsame Zeit, aber für ein romantisches Happy End hätten beide Ebenen noch besser miteinander abgestimmt sein müssen. Das zu Beginn aufflammende Verliebtheitsgefühl weicht im Verlauf des Spiels der Erkenntnis, dass sich diese kurze Beziehung schnell erschöpfen wird.
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