Seite 2: Marvel’s Avengers zeigt im Test so viel Herz – und so viele Probleme

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It's clobberin time!

Ob ihr bei Marvel's Avengers an Bord bleibt, steht und fällt mit der Frage, wie lange euch die Kämpfe begeistern. Denn damit verbringt ihr 90 Prozent der Spielzeit. Im Rahmen der Kampagne gehen die Kloppereien voll in Ordnung: Mit leichten und schweren Angriffen, Griffen, Würfen und Schlägen im Nah- wie im Fernkampf deckt Avengers alles ab, was wir vom Genre erwarten.

Dabei ist jedes Moveset auf die Fähigkeiten der einzelnen Avengers zugeschnitten: Black Widow setzt auf schnelle Tritte und ihre Pistolen, Thor auf Hammer und Donner, Hulk auf Fäuste. Die Gegnervielfalt ist ordentlich: leichte, mittlere und schwere Roboter machen euch das Leben schwer, in der Luft schwirren Drohnen und fliegende AIM-Soldaten, aus der Distanz ballern Schützen und hier und da gibt's auch mal einen Bosskampf gegen einen häusergroßen Panzer oder Superschurken.

Die Gegnerscharen bestehen aus Robotern und AIM-Mitarbeitern in Exoskeletten. Nicht sehr markant, aber dafür jugendfrei. Die Gegnerscharen bestehen aus Robotern und AIM-Mitarbeitern in Exoskeletten. Nicht sehr markant, aber dafür jugendfrei.

Jeder Feind hat eigene Stärken und Schwächen, manche Drohnen machen die Kollegen beispielsweise unverwundbar, gehen aber selbst mit einem Schuss zu Boden. Das Ensemble an Marvel-Superschurken fällt hingegen ärgerlich mager aus, gerade mal eine Handvoll bekannter Gegner wie Taskmaster oder Abomination steigen in den Ring.

Wie bei Loot-Spielen üblich, basieren die Kämpfe auf Schadenszahlen. Deshalb fühlt sich ein Hulk-Angriff nicht ganz so wuchtig an, wie man's erwartet, aber doch wuchtig genug. Wenn Iron Man Raketen auf die Feinde regnen lässt, dann knallt und kracht es schon ordentlich. Das Spiel macht einen wirklich guten Job, euch in die Rolle der Avengers zu stecken. Nach der Kampagne werden die Schwächen der Kämpfe trotzdem sehr offensichtlich.

Gamepad vs. Tastatur
Ihr werdet es schon ahnen, aber hier nur zur Vollständigkeit: Spielt Avengers mit dem Gamepad. Die Bedienung mit Maus & Tastatur funktioniert zwar, besonders Black Widows Pistolen schießen sogar präziser, aber insgesamt ist Marvel's Avengers ganz klar fürs Gamepad optimiert. Ihr spart euch Fingerknoten.

Knackpunkt Langzeitmotivation

In der Spieleentwicklung gibt's das Konzept des "Gameplay Loops". Die Philosophie dahinter? Wenn in deinem Spiel ein 30-sekündiger Gameplay-Kern steckt, auf den die Leute so richtig abgehen, hast du gewonnen. Das Monster-Spratzeln und Looten in Diablo 3 zum Beispiel. Oder die Bullet-Time-Schießereien in Max Payne. Dann bleibt Langeweile selbst dann aus, wenn wir immer das Gleiche tun. Darauf setzt auch Marvel's Avengers. Und verfehlt das Ziel.

Denn nach der Kampagne soll das Spiel eigentlich erst so richtig losgehen. Auf dem Avengers-Planungstisch tauchen jede Menge Missionen auf, die sehr lose eine Geschichte erzählen: Taskmaster macht was Böses, haltet ihn auf. Eher ein Vorwand, um euch in die immer gleichen Canyon-, Wald- und Großstadt-Warzones zu schicken, damit ihr solo oder mit bis zu drei Kumpels Gegner zerhaut. Wer den Schwierigkeitsgrad hoch schraubt, merkt schnell: So richtig Bombe ist das nicht.

Die Warzones sind riesige Areale, in denen ihr diverse Hotspots für Beute abgrasen könnt - oder direkt zum Ziel fliegt. Die Warzones sind riesige Areale, in denen ihr diverse Hotspots für Beute abgrasen könnt - oder direkt zum Ziel fliegt.

Anders als bei den Arkham-Spielen fehlt den Kämpfen die Präzision für ein befriedigendes High-Level-Erlebnis. Dauernd werdet ihr aus dem toten Winkel von irgendeinem Geschoss erwischt, die Warn-Markierungen für das richtige Konter- und Ausweichtiming gehen im Effektgewitter völlig unter. Außerdem wirkt es manchmal zufällig, wann einer eurer Schläge die Attacken der Gegner unterbricht. Kurzum: Die Kämpfe arten in den falschen Momenten in wildes Tastengedrücke aus.

Die KI verhält sich zudem recht blöd. Als Solo-Avenger könnt ihr die zwei hohen der vier Schwierigkeitsgrade quasi komplett knicken, weil ihr im Gefecht keine drei Kontrollpunkte gleichzeitig gehalten bekommt, wenn die KI irgendwo in der Landschaft rumturnt. Ja, KI-Hulk versteht grob, dass er was zerstören oder euch wiederbeleben soll, aber agiert nicht mal annähernd so strategisch wie ein echter Mitspieler und wie ihr es in vielen Situationen eigentlich benötigt.

Loot, komm zu Hilfe

Nicht falsch verstehen: Die Kämpfe machen durchaus Laune. Für eine Weile. Mit jedem Levelaufstieg gibt's neue Skills, die teils ziemlich cool sind. Iron Man verschießt plötzlich Lenkraketen, Kamala greift Gegner aus der Luft und dätscht sie gegen die eigenen Kollegen. Das Experimentieren und Meistern der Manöver hält bei der Stange, aber nicht für immer. Und einem Service Game wie Marvel's Avengers reichen zehn Stunden nicht, es will euch 100 Stunden beschäftigen. Hier kommt Loot ins Spiel.

Wie nervig sind die Mikrotransaktionen?
Marvel's Avengers verkauft haufenweise kosmetische Goodies für echtes Geld. Neue Kostüme beispielsweise, die gerne mal fast 15 Euro pro Stück kosten. Einige Outfits lassen sich auch mit Ingame-Währung kaufen oder im Battle Pass (die der Starthelden sind kostenlos) freischalten.

Im Battle Pass könnt ihr allerdings nur ein paar Level pro Tag weiterkommen - oder ihr zahlt echtes Geld. Wer unbedingt Kostüme freischalten will, muss also zwischen langatmigem Grind und echtem Geld entscheiden. Allen anderen kann's egal sein, in puncto Gameplay bekommt ihr alle Inhalte kostenlos, weshalb wir auch gemäß unserer Pay2Win-Regularien auf eine Abwertung verzichten.

Die Level sind vollgestopft mit Kisten, in denen Cap, Tony, Hulk und Co. neue Brustpanzer, Armreife, Reaktorkerne und so weiter finden. Die verbessern Statuswerte, erlauben leichte Spezialisierungen (beispielsweise auf Plasma-Schaden) und sollen eurem Hirn ein Gefühl von Fortschritt vermitteln. Das klappt auch, ist aber trotzdem bizarr, weil ihr keines eurer edlen Ausrüstungsteile an euren Avengers seht.

Denn die coolen Outfits von Iron Man und Konsorten sollt ihr ja idealerweise mit echtem Geld kaufen, deshalb bleibt das eigentliche Gear unsichtbar. Naja. Aber in Kombination mit zig Daily, Weekly und Fraktions-Challenges bekommt ihr so jeden Tag neue Freischaltkarotten, damit die Kämpfe nicht zu eintönig werden. Ob das bei euch klappt, hängt sehr stark von eurer Liebe für die Avengers zusammen.

Ein Spiel für eine ganz bestimmte Sorte Fan

Marvel's Avengers ist nicht der Totalausfall, den viele nach der Beta befürchtet haben. Die Kampagne erzählt eine coole Geschichte mit fesselnden Figuren, untermalt mit solidem Klopper-Gameplay-ein Mix der die meisten Action-Fans acht bis zehn Stunden gut unterhalten dürfte. Gut genug für 60 Euro? Nur falls ihr dem Spiel auch nach der Story die Treue haltet. Und hier wird's knifflig.

Avengers bietet kein grandioses Endgame. Ihr grindet mit leichtem Story-Kontext große Warzone-Missionen oder stürzt euch in kleine 5-Minuten-Überfälle. Ab und zu gibt's Bosskämpfe, die weniger langatmig ausfallen, wenn ihr euch in die Feinheiten des Gear-Systems reinfuchst. Das werden aber nur solche Avengers-Fans tun, die dem Spiel viel verzeihen können. Denn das Kampfsystem zu meistern, bedeutet in erster Linie, dessen Ungenauigkeiten zu umgehen oder auszuhebeln.

Marvel's Avengers ist eine sehr niedrigschwellige Feierabend-Fantasie für Avengers-Aficionados. Nach Dienstschluss ein paar Ründchen mit den Kumpels als Iron Man abfliegen, zwei, drei Challenges abhaken, vielleicht ein cooles Outfit für Iron Man im Battle Pass freischalten - für solche Menschen bietet das Spiel sehr feine Beschäftigung. Aber wer wirklich meisterhaftes und langlebiges Superhelden-Gameplay sucht, sollte lieber nochmal die alten Arkham-Spiele auf die Platte werfen.

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