Marvel’s Avengers zeigt im Test so viel Herz – und so viele Probleme

Marvel’s Avengers entpuppt sich im Test lange nicht als das Fiasko, das viele nach der Beta befürchteten. Sondern als merkwürdig zwiespältiges Actionspiel.

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Update: 4. September 2020
Was wurde geändert? Beim Einbuchen des Artikels ist uns leider ein Fehler unterlaufen. Die letzten drei Absätze haben gefehlt. Haben wir ausgebessert.

Die Zeichen stehen nicht gut für Marvel's Avengers. Erst muss der Release um vier Monate verschoben werden. Dann hagelt es Kritik: Die Beta läuft auf PC, PS4 und Xbox One alles andere als rund, Fans, Presse und YouTuber bemängeln Framerate-Einbrüche, Bugs und derart langweilige Kämpfe, dass manch einer schon vor Release keinen Bock mehr hatte, ein Superheld zu sein.

Außerdem hält sich die allgemeine Begeisterung darüber in Grenzen, dass Crystal Dynamics jede Service-Game-Marotte der letzten zwei Jahre ins Spiel packt: zig Battle Passes, Loot-Grind, Daily Challenges, Weekly Challenges, Fraktions-Challenges, Post-Release-Versprechen bis Sankt Nimmerlein. Und das zu einer Zeit, in der andere Publisher ihre Service-Game-Reklame emsig von den Plakatwänden kratzen, weil mit dieser Strategie 2019 so viele Spiele gegen die Wand fuhren (Anthem, Breakpoint und Co.).

Marvels Avengers - Test-Video zum Superhelden-Actionspiel Video starten 11:36 Marvel's Avengers - Test-Video zum Superhelden-Actionspiel

Bewahrheiten sich im Test zu Marvel's Avengers also alle Befürchtungen? Ja und nein. Das Spiel hat hulk-große Probleme, da werden viele Leute zurecht Reißaus nehmen. Crystal Dynamics wirft hier mit derart vielen Gameplay-Klischees um sich, es ist zum Haare raufen. Quick Time Events, Schlauchlevel, Sammel- und Freischaltorgien-und all das kaschiert bloß die eigentlichen Schwächen des Spiels.

Aber in Marvel's Avengers stecken auch unheimlich viel Liebe und Verständnis für die Vorlage, einige großartige Momente sowie eine Superhelden-Fantasie, die bisweilen richtig viel Spaß macht. Und mit einer der größten Stärken überhaupt fangen wir direkt mal an: die neue Heldin Kamala Khan.

Inszenierung ist alles

Die Hauptfigur von Marvel's Avengers verkörpert alles, was die Story so mitreißend macht: Kamala Khan ist ein Avengers-Fangirl, besucht als junges Mädchen ausgerechnet die Convention, auf der das Avengers-Team durch eine tragische Katastrophe auseinanderbricht. Hunderte Menschen sterben.

Fünf Jahre später hat Kamala die Pubertät fast hinter sich-und seit der Katastrophe zudem eigene Superkräfte. Mit einem Herzen aus Gold, aber jeder Menge Selbstzweifeln macht sie sich auf, die Avengers wieder zusammenzubringen. Denn die Welt wird von der bösen Organisation AIM bedroht.

Kamala Khan ist der Star der Show und wärmt ab der ersten Minute das Herz. Kamala Khan ist der Star der Show und wärmt ab der ersten Minute das Herz.

Da wird jetzt manch einer denken: Klingt nicht so krass. Stimmt auch. Die Story von Marvel's Avengers ist ähnlich innovativ wie eine Dose Ravioli, selbst auf der großen Leinwand haben wir den "Re-Assemble" von Thor, Iron Man und Co. schon zweimal erlebt, in den Comics weit häufiger. Aber manchmal zählt nicht das "Was", sondern das "Wie".

Die knapp achtstündige Kampagne ist spektakulär inszeniert mit bombastisch choreographierten Rangeleien, grafisch beeindruckenden Szenarien, die wir euch deshalb auch ganz bewusst nicht spoilern. Und vor allem die Darsteller leisten einen fantastischen Job, die Avengers mit Leben zu erfüllen. Jedes Gespräch hat Witz, Tragik, fesselt emotional, zieht euch ins Geschehen - ähnlich wie beim PlayStation-Hit Uncharted. Und Kamala Khans Darstellerin Sandra Saad stiehlt allen die Show.

Spielt unbedingt auf Englisch!
Marvel's Avengers lebt von seinen Darstellern. Die erstklassigen Sprecherinnen und Sprecher kommen vor allem im O-Ton zur Geltung. Der deutschen Vertonung merkt man stark an, dass die Dialogzeilen separiert und ohne Kontext aufgenommen wurden. Spielt das Spiel unbedingt in englischer Sprache, optional könnt ihr ja deutsche Untertitel einstellen.

In einer einzigen Mission vermittelt Kamala die liebevolle Beziehung zu ihrem Vater glaubhafter, als viele Spiele das in ihrer gesamten Kampagne hinbekommen (hallo, Assassin's Creed: Odyssey). Entsprechend fiebern wir mit, wenn sie Papa im Stich lässt, um die Avengers zu retten. Kamala ist so wunderbar menschlich, ihre Begeisterung für die Avengers steckt an, sie zweifelt an sich selbst, überschätzt sich dann aber an den falschen Stellen (Teenager halt). Das alles verfolgen wir genauso bewegt wie Tobey Maguires Spider-Man vor 20 Jahren.

Ja, die Story von Marvel's Avengers hat ihre Logiklöcher, Klischees und leider gerät Kamala gegen Ende ein bisschen in den Hintergrund, weil die Story so viele Avengers gleichzeitig beleuchtet. Doch der grandiose Showdown macht alles wieder wett und brilliert als eine der unterhaltsamsten Action-Kampagnen 2020. Oder anders: Selbst als reiner Film wäre Marvel's Avengers mitreißende Popcorn-Unterhaltung. Gut, abseits von den Kloppereien ist das Spiel auch nicht viel mehr als das. Reden wir also über Probleme …

Marvels Avengers macht uns wirklich Sorgen Video starten 18:27 Marvel's Avengers macht uns wirklich Sorgen

Kaschierte Schläuche

Entwickler Crystal Dynamics (oder Publisher Square) muss ein sehr zynisches Bild von uns Spielerinnen und Spielern haben. Denn Marvel's Avengers ist in puncto Gameplay eine ziemliche Scharade. Zwischen vielen - wie gesagt grandiosen - Zwischensequenzen gaukelt euch das Spiel nur vor, ein … naja … Spiel zu sein. Avengers tut anfangs so, als gäbe es Schleichabschnitte, hier und da Rätsel, spannende Flucht- und Sprungpassagen. Natürlich überzeugend präsentiert, weil links und rechts ständig Sachen explodieren. Kennen wir aus den Tomb-Raider-Spielen. Doch das ist alles ein Hoax!

Standardsituation: Ihr blickt auf Horden von Feinden, denn in Avengers geht’s in erster Linie ums Kloppen. Standardsituation: Ihr blickt auf Horden von Feinden, denn in Avengers geht’s in erster Linie ums Kloppen.

In Wahrheit müsst ihr meist bloß den Stick nach vorne drücken, euch von A nach B bewegen, dann X gedrückt halten. Fertig. Die Entwickler nehmen euch peinlich genau bei der Hand, damit ihr euch bloß nicht doof fühlt: Bei jedem Sprung blendet Avengers ein, wann ihr welchen Knopf drücken müsst, um nicht runter zu plumpsen.

Und mit jedem neuen Avenger im Sortiment wird euch erneut erklärt, was ein Spezialangriff ist. Wie Fernkampf funktioniert. Gerade die ersten Spielstunden sind ein spielmechanisch fast unerträglich belangloser Schlauch, in dem ihr nur dann scheitert, wenn ihr einen Meter zu weit rechts oder links vom vorgegebenen Pfad steht.

Das bessert sich, sobald der ganze Tutorial-Bumms nach ein paar Stunden (!) endlich rum ist und ihr beispielsweise in drei Schritten gelernt habt, was ein Skill, was ein Skillpunkt und was die Verteilung eines Skillpunktes bedeuten. Dann weichen die Schläuche den sogenannten Warzones: riesigen Arealen, die auch im Endgame und im optionalen Koop das Fleisch an Avengers Rippen bilden. Und spätestens hier merkt ihr, dass das Gameplay eigentlich bloß aus einem einzigen substanziellen Inhalt besteht: kloppen!

Wie rund läuft die Technik?
Die Beta von Avengers lief auf allen Plattformen alles andere als reibungslos, die Release-Fassung schlägt sich zum Glück besser. Besser, aber nicht perfekt. Mit einer Geforce 2080 Ti und einem schnellen i7-Prozessor müsst ihr euch auf maximalen Details über die Framerate keine Sorgen machen (selbst in 1440p).

Mit einer 1070 und Mittelklasse-Prozessor schwankte die Bildrate in sehr hitzigen Großstadtgefechten allerdings schon in hohen Details und 1080p zwischen 40 und 60 Bildern hin und her. Dabei wird das Spiel nie unspielbar, eine Vorzeige-Performance-Optimierung sieht aber anders aus.

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