Nier Replicant im Test: So mutig können Remaster sein

Nier Replicant ist mehr als ein Remaster und bricht auf Story-Ebene mit vielen Erwartungen. Spielerisch geht dem Action-Rollenspiel zwischen flotten Kämpfen aber etwas die Puste aus.

Das beste Remaster aller Zeiten - NieR Replicant vers.1.22474487139… im Test Video starten 12:33 Das beste Remaster aller Zeiten - NieR Replicant vers.1.22474487139… im Test

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Vielleicht geht es euch wie uns. Ihr habt schon mal gehört, wie toll dieses Nier Automata ist, wie tiefsinnig die Story, wie actiongeladen die Kämpfe. Nun wollt ihr euch endlich an die Reihe wagen und schaut dumm aus der Wäsche. Denn jetzt ist plötzlich noch Nier Replicant aufgetaucht. Oder mit offiziellem Titel Nier Replicant ver.1.22474487139… ja, die Punkte gehören dazu. Und es gibt noch Nier, Nier Gestalt, das alte Nier Replicant und Drakengard, das irgendwie auch noch mitmischt.

Versteht man Nier Replicant ohne Uniabschluss in Nier-Historie überhaupt? Und soll man nach dem Port-Fiasko um Automata nicht lieber die Finger von der PC-Version lassen? Wir haben Nier Replicant gespielt und liefern interessierten Story- und RPG-Fans Antworten. Aber eines vorweg: Das Action-Rollenspiel hat uns mehr als einmal verblüfft.

Nier, Replicant, Gestalt und Automata? Hilfe!

  • Nier Replicant und Nier Gestalt sind zwei Versionen des gleichen Spiels, in Gestalt spielt ihr statt dem Bruder aber einen Vater, weil im Westen ältere Charaktere beliebter schienen.
  • Diese Version erschien 2010 unter dem schlichten Namen "Nier" dann auch hierzulande, Replicant nur in Japan.
  • Das Remaster überarbeitet die gleichnamige japanische Version und erzählt lose die Vorgeschichte von Automata, spielt aber über 1.000 Jahre davor.
  • Bestimmte Charaktere aus Replicant tauchen in Nier Automata trotz des großen Zeitunterschieds wieder auf
  • Nier ist ursprünglich ein Spin-Off der japanischen Fantasy-Rollenspiele Drakengard. Für die inhaltlichen Verknüpfungen müsst ihr aber tief in die Nier-Lore einsteigen.

Warum die Story von Nier so fantastisch ist

Auf dem Papier klingt die Geschichte von Nier furchtbar. Als namenloser Held in einer fernen Zukunft suchen wir ein Heilmittel für unsere kranke Schwester Yonah, spielen den Laufburschen für jeden im Dorf, kämpfen gegen schattenhafte Kreaturen und schnarch…

Aber die Charaktere brechen aus Schema F aus. Sie sind nicht nur großartig geschrieben und vertont, sondern überraschen immer wieder. Dass Kriegerin Kainé in Reizwäsche auftritt, wirkt zum Beispiel wie billiger Fan-Service. Dahinter offenbart sich aber ein provokanter, mutiger und sensibler Twist, an den sich nur wenige Entwickler überhaupt herantrauen würden.

Vollends erfasst ihr den aber erst nach mehreren Spieldurchgängen, weil neue Szenen und Dialoge dazukommen. Nier Replicant verfügt über mehrere Enden, Abspann 1 erreicht ihr nach 20 bis 30 Stunden je nach Spielstil. Keine Sorge, für jedes weitere Ende müsst ihr das Spiel nicht nochmal komplett neu spielen, mehr wollen wir aus Spoiler-Gründen aber nicht verraten.

Charaktere wie Kainé wachsen uns nicht nur ans Herz, weil sie fantastisch geschrieben sind. Die Kämpferin bekommt nach dem ersten Durchlauf sogar neue Szenen spendiert, die uns mehr über sie verraten. Charaktere wie Kainé wachsen uns nicht nur ans Herz, weil sie fantastisch geschrieben sind. Die Kämpferin bekommt nach dem ersten Durchlauf sogar neue Szenen spendiert, die uns mehr über sie verraten.

Die Enden decken auch die Hintergründe der Welt auf und verleihen der Story so mehr Gewicht. Was ist mit unserer Zivilisation passiert? Wie passt Automata ins Bild? Nier Replicant nimmt uns mit auf eine atmosphärische und meist melancholische Reise voller Fragen, Schmerz, Bedauern und Hoffnung. Wir finden nie leichte Antworten oder ein Happy End für alle. Aber genau dieses Grübeln, (Ver)Zweifeln und Interpretieren macht die Faszination der Reihe aus.

Allein dass Nier den Spieler zum Nachdenken zwingt, macht das Spiel schon mutig. Ein mutiges Remaster wird aber daraus, weil eben weit mehr drinsteckt als ein paar schnöde Texturverbesserungen. Mehr dazu lest ihr im Kasten zu den Optimierungen.

Remaster oder Remake? Das steckt alles in Replicant
Nier Replicant ist auch als Remaster kein modernes Spiel. Schicke Beleuchtung, Grashalme oder Nebel täuschen nicht über statischen Look der Spielwelt hinweg und vollvertonte NPCs bringen trotzdem keine Gesichtsanimationen mit. Trotzdem zeigt sich der Aufwand bei den gestochen scharfen Texturen, neuen Modellen oder butterweichen Kampfanimationen. Die Entwickler wollten Replicant so an Automata angleichen.

Spielerisch übrigens genauso: Neben dem Auto-Kampf kommt eine Aufschaltfunktion neu dazu und ihr dürft Magie und Waffen parallel nutzen, was den Kämpfen ihre Behäbigkeit nimmt. Außerdem wurden Dialoge und der Soundtrack neu aufgenommen - wahlweise könnt ihr auch den von Automata nutzen.

Replicant geht aber noch weiter und bindet eine neue Questreihe rund um ein Geisterschiff in die Hauptgeschichte ein. Und ein neues Ende, über das wir hier nichts verraten wollen. Auch ein früherer DLC über den ihr neue Kostüme freischaltet, ist nach dem ersten Durchgang spielbar.

Gute Geschichten, nervige Missionen

Selbst aus belanglosen Sammelaufgaben entstehen oft tragische Liebesgeschichten oder mit dem Eber als Reittier nützliche Spielvorteile. Ja, nach der erfolgreichen Wildschweinjagd, dürft ihr auf einem Eber durch die Landschaft rasen.

Absolviert ihr die Eberjagd als Nebenmission, dürft ihr anschließend auf den wuchtigen Tieren durch die Welt reiten. Absolviert ihr die Eberjagd als Nebenmission, dürft ihr anschließend auf den wuchtigen Tieren durch die Welt reiten.

Die erarbeiten wir uns dafür aber hart: Fast jeder Auftrag schickt uns zig mal von einem Schauplatz zum nächsten, ganz ohne Schnellreise, dafür aber mit Ladepause vor vor jedem Gebiet und jeder Tür, seufz. Immerhin nimmt Nier es selbst mit Humor und nennt uns irgendwann nur noch "Idiot, der alles macht". Auch Minispiele wie Angeln oder ein eigener Gemüsegarten bieten einen optionalen Zeitvertreib.

Landschaftlich sorgen grüne Wiesen um unser Dorf, eine Wüste, ein zugemüllter Schrottplatz oder eine Stadt in schwindelerregender Höhe für Abwechslung, etwas zu entdecken gibt es aber nicht. Ihr begegnet Monstern und findet als leuchtende Punkte getarnte Items wie Heiltränke, das war's. Die solltet ihr aber nicht verschmähen, denn in Nier wird ordentlich gekämpft.

Tipps für Nier-Neulinge
… Ihr dürft optional Lebensleisten bei den Gegnern aktivieren.
… Ihr könnt Samen kaufen oder finden und einen Gemüse- oder Blumengarten vorm Haus anlegen.
… Das Angel-Tutorial ist fehlerhaft. Ihr dürft beim Fisch einholen keine Taste drücken, sonst brecht ihr die Aktion ab. Außerdem müsst ihr diagonal zu euch ziehen, statt nur entgegengesetzt.
… Ihr könnt Begleiter oder Tiere einfach über das Menü herbeirufen.
… Ihr kreuzt Blumen, indem ihr sie nebeneinander pflanzt, zwei echte Tage wartet, bis sie verwelkt sind und dann die verbliebenen Samen aufsammelt.
… Händler verkaufen Karten der Gebiete, mit denen ihr euch leichter zurechtfindet.

Was taugen die Kämpfe in Nier?

Jedes Gefecht entzündet ein bombastisches Feuerwerk aus Effekten. Unser Held flitzt elegant über das Schlachtfeld, treibt mit leichten und schweren Angriffen Kombos in die Höhe und wählt zwischen großflächigen Zaubern mit wenig Schaden oder langsam aufladenden Geschossen, die Lebensleisten in Windeseile wegbrutzeln.

Jeder Kampf in Nier Replicant zündet dank Magie und funken sprühender Schwerthiebe ein Effektgewitter. Jeder Kampf in Nier Replicant zündet dank Magie und funken sprühender Schwerthiebe ein Effektgewitter.

Das spielt sich schnell und fordernd, weil wir beides parallel nutzen und immer in Bewegung bleiben, damit man uns nicht überrennt. Auch Gegner heizen uns mit Schwertern und Magie ein, rein optisch hätten wir uns abseits von den cool designten Bossen mehr Abwechslung gewünscht. Obwohl sie später Rüstungen tragen, die wir mit Magie durchbrechen müssen, bekämpfen mit wenigen Ausnahmen immer die gleichen Schattenkrieger. Das Problem hatte schon Nier: Automata.

Wollt ihr die dynamische Action mit etwas mehr Taktik würzen, könnt ihr zwischen Waffentypen wie Großschwert, Lanze oder Einhandschwert wechseln, eure Ausrüstung aufleveln und passende Buffs wie Giftschaden oder schnellere Magie-Regeneration anbringen. Notwendig wird das nur auf dem hohen der drei Schwierigkeitsgrade.

Über Verse für unser Zauberbuch schalten wir neue Fähigkeiten frei - zum Beispiel ein magisches Sensenrad, das Gegner um uns herum ummäht. Über Verse für unser Zauberbuch schalten wir neue Fähigkeiten frei - zum Beispiel ein magisches Sensenrad, das Gegner um uns herum ummäht.

Frust kommt selten auf, weil Checkpoints fair gesetzt sind: Einmal durften wir nach einem ungünstigen Ableben zum Beispiel bei einem Boss in Phase 3 weitermachen. Abseits von Dungeons gilt das allerdings nicht, hier müsst ihr manuell an Briefkästen speichern. Geht es euch nur um die Story, könnt ihr Nier aber auch auf "leicht" mit Auto-Kampf durchzocken - nein, hier kämpft kein Fahrzeug für euch, sondern euer Held weicht selbständig aus und greift an.

Was Nier Replicant auf dem PC technisch von Automata gelernt hat
Nier Replicant läuft auf dem PC solide: Wir konnten mit unserer Geforce 2070 alle Grafikregler auf Anschlag stellen und trotzdem flüssig in 4K spielen - für schwächere Hardware existiert aber ein Performance-Modus. Größere Schnitzer wie Abstürze oder Bugs fielen uns nicht auf, nur seltene Ruckler in Zwischensequenzen.

Allerdings wies Nier kleinere Probleme mit Steam auf: Nutzt ihr im Spiel den Chat oder macht Screenshots, taucht stets die Computermaus zentriert im Spiel auf. Für Controller oder Maus und Tastatur existieren unterschiedliche Presets oder ihr belegt die Tasten benutzerdefiniert neu. Allerdings konnten wir nicht für alle Funktionen die Maus nutzen, obwohl wir gerne per Mausrad auf Gegner aufgeschaltet hätten.

Beide Steuerungsvarianten funktionieren grundsätzlich, mit dem Gamepad spielen sich die schnellen Gefechte aber flüssiger. Stören euch diese Aspekte sehr, solltet ihr warten oder euch die Konsolenversion kaufen. Eine Technik-Abwertung rechtfertigen die Mängel für uns aber nicht.

Nier, Diablo, Mario

Nier überrascht immer wieder mit Ausflügen in andere Genres: Zum Beispiel mit Twinstick-Shooter-Action, Plattformer-Passagen oder einem Textadventure-Exkurs. Nier überrascht immer wieder mit Ausflügen in andere Genres: Zum Beispiel mit Twinstick-Shooter-Action, Plattformer-Passagen oder einem Textadventure-Exkurs.

Einen einfachen Modus hätten wir uns eher an anderer Stelle gewünscht, nämlich für die Platformer-Passagen. Dass Nier sich zwischendurch zum Hack&Slay im Diablo-Stil, zum flotten Twinstick-Shooter oder eben Jump&Run wandelt, lockert den Spielfluss auf und überrascht. Aber gerade bei Sprüngen kommt uns die unpräzise Steuerung in die Quere.

Man merkt, dass Nier im Kern nicht darauf ausgelegt ist und manche dieser Abschnitte höchstwahrscheinlich Budgetgründen geschuldet sind. So fehlte zum Beispiel schon beim Märchenwald das Geld für ein neues Gebiet, sodass er als Text-Adventure umgesetzt wurde.

Trotzdem wollen wir weiterspielen - eben weil Nier immer für eine Überraschung gut ist und weil es sich nicht davor scheut, kreative Lösungen zu finden und mit Erwartungen zu brechen. Nier ist auch als Neuauflage noch kein perfektes Spiel, aber ein mutiges und welches Remaster kann das schon von sich behaupten?

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