Pathfinder: Kingmaker - Warum es jetzt jeder anspruchsvolle Rollenspiel-Fan erleben sollte

Pathfinder: Kingmaker erschlägt einen mit Komplexität. Aber wer sich durchbeißt, wird mit dem besten Rollenspiel der letzten fünf Jahre belohnt, findet Genre-Experte Heiko.

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Halt, nicht weglaufen! Seid schlauer als der Autor dieses Textes! Das enorm komplexe Regel- und Charaktersystem von Pathfinder: Kingmaker mag auf den ersten Blick erschlagen, ermöglicht aber auch eines der intensivsten Rollenspiel-Erlebnisse der letzten Jahre. Halt, nicht weglaufen! Seid schlauer als der Autor dieses Textes! Das enorm komplexe Regel- und Charaktersystem von Pathfinder: Kingmaker mag auf den ersten Blick erschlagen, ermöglicht aber auch eines der intensivsten Rollenspiel-Erlebnisse der letzten Jahre.

Nach dem Lesen unseres Tests von Pathfinder: Kingmaker habe ich das Mammut-RPG auf meiner »Muss ich spielen!«-Liste ziemlich weit nach hinten priorisiert. Und das, obwohl es laut des geschätzten Kollegen Ben Danneberg der wahre Erbe von Baldur's Gate sei - einem meiner absoluten Lieblingsspiele aller Zeiten!

Aber es klang halt doch alles recht kompliziert, mühsam, zu hardcore und anfangs auch zu verbuggt. Also habe ich mich erst anderen Rollenspielen gewidmet und Pathfinder: Kingmaker mit zweijähriger Verspätung nachgeholt, weil mir die Ankündigung des Nachfolgers Pathfinder: Wrath of the Righteous den Titel zurück ins Gedächtnis geholte hat.

Und was soll ich sagen: Seit Baldur's Gate 2, also wirklich seit fast 20 Jahren, hatte ich nicht mehr so viel Spaß mit einem anspruchsvollen Rollenspiel!

Pathfinder: Kingmaker - Test-Video zum epischen Rollenspiel Video starten 7:49 Pathfinder: Kingmaker - Test-Video zum epischen Rollenspiel

Aufwertung dank Enhanced Edition

Im Test zu Pathfinder: Kingmaker waren wir zwar begeistert von der inhaltlichen Qualität des Rollenspiels, mussten es wegen einiger Bugs aber um 3 Punkte abwerten. Im Juni 2019 veröffentlichte Entwickler Owlcat eine für alle Besitzer kostenlose Enhanced Edition, die nicht nur deutlich runder und stabiler läuft, sondern auch neue Inhalte wie zusätzliche Heldenklassen und Zufallsereignisse ergänzte. Entsprechend streichen wir aus Anlass dieses Artikels natürlich auch die Abwertung im Wertungskasten von Pathfinder: Kingmaker.

Worum es geht

Wer schon mal ein Baldur's Gate, Icewind Dale oder eben ein Pillars of Eternity gespielt hat, weiß präzise, was ihn oder sie erwartet:

  • Klassisches Fantasy-Szenario
  • Monumentale Spielzeit mit locker 100 Stunden
  • Viel Helden- und Party-Management
  • Spielwelt-Erkundung aus der Vogelperspektive
  • Keine Open World, aber eine riesige Weltkarte mit Dutzenden Schauplätzen, die wir im Verlauf der Story freischalten und erkunden
  • Standardmäßig pausierbare Echtzeit-Kämpfe – seit dem Definitive Edition Update vom August 2020 könnt ihr allerdings auch auf einen Rundenmodus umschalten
  • Viele (auch auf deutsch gut geschriebene) Text-Dialoge mit teils harten Entscheidungen
  • Ein komplexes Regelwerk mit unzähligen Attributen, Fähigkeiten und Zaubersprüchen, die sich auf sämtliche Teilaspekte des Spiels auswirken

Die pausierbaren Echtzeitkämpfe von Pathfinder: Kingmaker fordern euer ganzes taktisches Können und sehen in Bewegung dank toller Spezialeffekte deutlich besser aus als auf Bildern. Die pausierbaren Echtzeitkämpfe von Pathfinder: Kingmaker fordern euer ganzes taktisches Können und sehen in Bewegung dank toller Spezialeffekte deutlich besser aus als auf Bildern.

Die Story dreht sich anfangs darum, dass wir einen Banditenkönig aus den so genannten Raublanden vertreiben sollen, entwickelt sich aber noch - natürlich - zu einem weitaus größeren Abenteuer, das ich so schnell nicht vergessen werde.

Der Experte

GameStar-Chefredakteur Heiko Klinge liebt komplexe Rollenspiele, seit er halbwegs der englischen Sprache mächtig ist. Seine ersten Abenteuer erlebte er 1988 im SSI-Klassiker Pool of Radiance, seitdem hat er nahezu alles durchgespielt, was Heldengruppen und Fantasy-Szenario hat. Vor Pathfinder: Kingmaker war Pillars of Eternity 2 samt sämtlicher DLCs an der Reihe.

Was macht es besonders

Pathfinder: Kingmaker hat aus meiner Sicht zwei große Besonderheiten, die es von allen anderen aktuellen Rollenspielen abheben:

1. Ich verwalte ein ganzes Königreich! Nachdem ich den Banditenkönig besiegt habe, werde ich tatsächlich zum Baron der Raublande ernannt. Ich bestimme Berater, führe diplomatische Verhandlungen, entscheide was als nächstes gebaut wird. Nein, Pathfinder: Kingmaker wird dadurch nicht zum konkurrenzfähigen Fantasy-Aufbauspiel, und ihr könnt diesen Bereich auch komplett automatisieren.

Aber die Königsreich-Verwaltung hat bei mir dafür gesorgt, dass ich viel stärker in die Spielwelt eintauche und sie immersiver erlebe als bei der versammelten Konkurrenz. Denn das ist mein verdammtes Königreich, das ich wie meine Westentasche kenne! Und wehe, ihr krümmt meinen Untertanen auch nur ein einzelnes Haar!

Im Königsreich-Modus von Pathfinder: Kingmaker platzieren wir wie in einem Aufbauspiel die Gebäude in unseren Siedlungen, was die Identifikation mit unserer (!) Rollenspiel-Welt enorm erhöht. Im Königsreich-Modus von Pathfinder: Kingmaker platzieren wir wie in einem Aufbauspiel die Gebäude in unseren Siedlungen, was die Identifikation mit unserer (!) Rollenspiel-Welt enorm erhöht.

2. Ich liebe meine Helden! So ihr nicht bereits mit dem zugrundeliegenden Pen&Paper-Regelwerk vertraut seid, ist das Helden-Management in Pathfinder ein echt fieses Biest, das bezwungen werden will. Bei jedem Charakter könnt ihr pro Levelaufstieg zwischen Dutzenden Fähigkeiten wählen, nur wenige davon sind je nach Party-Zusammenstellung wirklich sinnvoll. Zwar könnt ihr eure Helden auch automatisch aufleveln lassen, müsst aber selbst dann herausfinden, was mit welchem Helden sinnvoll ist und was ihr lieber lassen solltet.

Ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich das eine oder andere Mal in Internet-Guides nachschlagen musste, um als anfänglich Regelwerk-Unkundiger eine Verskillung zu vermeiden. Aber diese intensive Auseinandersetzung mit meinen Helden hat eben auch dafür gesorgt, dass sie mir deutlich mehr ans Herz gewachsen sind als die vorgefertigten Anziehpuppen der meisten anderen Rollenspiele. Pen&Paper-Rollenspieler kennen dieses Phänomen, das wir auch für einen Plus-Report untersucht haben:

Welche DLCs lohnen sich?

Für Pathfinder: Kingmaker gibt es neben dem Hauptprogramm noch drei DLCs, die qualitativ allerdings recht unterschiedlich ausfallen.

Varnhold's Lot: Ein rund 6-12 Stunden langes Abenteuer, das die Vorgeschichte eines Nebencharakters erzählt und komplett separat von der Haupt-Story läuft, ohne allerdings erzählerisch oder spielerisch deren Qualität zu erreichen.

Beneath the Stolen Lands: Der DLC ergänzt einen riesigen Dungeon, der aber fast ausschließlich auf Kämpfe setzt – eine verschenkte Chance angesichts des tiefen Rollenspielsystems von Pathfinder. Separat als zufallsgeneriertes Rogue-Like spielbar oder als Quest in der Hauptstory.

The Wildcards: Unserer Meinung nach der beste DLC, weil er eine neue Gefährtin samt Questreihe sowie mit den Tieflingen eine neue spielbare Rasse ins Spiel integriert und damit auch die Hauptkampagne bereichert. Lohnt sich am ehesten für diejenigen, die komplett neu anfangen.

Für wen geeignet, für wen nicht

Auch wenn ich Pathfinder: Kingmaker wirklich mit Nachdruck jedem anspruchsvollen Rollenspieler ans Herz legen möchte, solltet ihr doch ganz genau wissen, auf was ihr euch einlasst:

1. Viel Lesen: Ihr müsst bereit sein, euch in ein komplexes Rollenspiel-Regelwerk einarbeiten zu wollen. Wer sich nicht die Zeit nimmt, jede Skill-, Zauber- und Spielinformation aufmerksam zu lesen, wird schon früh im Spiel mit dem Schwert auf Insektenschwärme einhacken und sich wundern, warum es keinen Schaden verursacht. Wer sich wie ich gern in komplexe Brettspiele reinfuchst, ist hier klar im Vorteil.

In Pathfinder: Kingmaker müsst ihr nicht nur in den (gut geschriebenen) Dialogen viel lesen, sondern solltet euch auch intensiv mit den zahlreichen Erklärungen zum Regelwerk auseinandersetzen, wenn ihr das Maximum an Spaß aus diesem Rollenspiel-Epos herausholen wollt. In Pathfinder: Kingmaker müsst ihr nicht nur in den (gut geschriebenen) Dialogen viel lesen, sondern solltet euch auch intensiv mit den zahlreichen Erklärungen zum Regelwerk auseinandersetzen, wenn ihr das Maximum an Spaß aus diesem Rollenspiel-Epos herausholen wollt.

2. Viel Scheitern: Selbst mit einer perfekt abgestimmten Heldengruppe und trotz gut austarierter Schwierigkeitsgrade werdet ihr immer mal wieder ordentlich eins auf die Glocke bekommen. Weil ihr nicht die passenden Waffen am Start habt, die entscheidenden Buffs aus eurem Zauberbuch nicht gelernt wurden oder die Monster schlicht noch 5 Level zu groß für euch sind. Quicksave und Quickload werden wie in einem Echtzeittaktik-Spiel schnell zu euren besten Freunden. Das mag nicht jeder! Umso größer aber das Glücksgefühl, wenn ihr einen einst übermächtigen Feind plötzlich in die Knie zwingt.

3. Wenig Tempo, aber Zeitlimits: Wer von einem Höhepunkt zum nächsten hetzen will, ist in Pathfinder: Kingmaker definitiv an der falschen Adresse. Mal vergehen mehrere Monate Spielzeit, bis ein wichtiges Reichsprojekt abgeschlossen wird. Mal habt ihr nur wenige Tage Zeit, um auf ein Problem in eurer Hauptstadt zu reagieren und beißt euch in den Hintern, dass eure Heldengruppe gerade am anderen Ende der Spielwelt weilt. Ich kann jeden verstehen, den das nervt. Mich hat dieser »Realismus« aber noch mehr in die Welt und ins Abenteuer gezogen. Und, kleiner Tipp: Ihr könnt Teleporter in euren Siedlungen bauen!

Die zehn besten Rollenspiele - Platz 4: Baldurs Gate 2 - »Dieses Spiel hat mir gezeigt, wie großartig Rollenspiele sind« Video starten 8:45 Die zehn besten Rollenspiele - Platz 4: Baldur's Gate 2 - »Dieses Spiel hat mir gezeigt, wie großartig Rollenspiele sind«

4. Echtes Rollenspiel = Ihr verpasst viel: Am meisten Spaß habt ihr mit Pathfinder, wenn ihr bei Entscheidungen nicht darüber nachdenkt, was jetzt wohl für euren Spielerfolg am besten wäre – sondern was für euren Charakter in der jeweiligen Situation am glaubwürdigsten ist. Wer sich ärgert, dass sie oder er wegen einer Äußerung ein Party-Mitglied verliert oder einen Dungeon überspringt und dann einen Spielstand lädt, beraubt sich selbst der Faszination, wie konsequent Pathfinder Entscheidungen protokolliert und in Konsequenzen umwandelt.

Denn Pathfinder geht hier wesentlich weiter als nahezu alle Genre-Kollegen. Je nach euren Entscheidungen könnt ihr eigentlich spektakuläre Bosskämpfe mit einem simplen Dialog überspringen oder wie in meinem Fall einen mehrstündigen, spielbaren Epilog verpassen. Hätte ich aber nicht zu Pathfinder recherchiert, wäre mir das gar nicht aufgefallen. Es war meine Heldenreise, nicht die der Entwickler. So wie es bei einem echten Rollenspiel sein sollte.

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