Spielen wie vor 25 Jahren - DOOM, DRAMEN, DOSTALGIE

Doom wurde 1993 schlagartig zum Klassiker – dabei ist es erstaunlich, dass es überhaupt jemand spielen konnte, denn PC-Gaming war damals eine komplexe Wissenschaft. Wir starten einen Selbstversuch mit der Technik von damals: mit 386er, DOS-Dramen, Schweiß und Tränen.

Der Rechner links hat einen Turbo-Knopf. Doch der tat das genau Gegenteil von dem, was sein Name vermuten ließ. Der Rechner links hat einen Turbo-Knopf. Doch der tat das genau Gegenteil von dem, was sein Name vermuten ließ.

Die großen Werke der Kunstgeschichte waren den meisten Zeitgenossen nur schwer zugänglich: Wer im Jahre 1506 die »Mona Lisa« betrachten wollte, musste nach Florenz reiten und in Da Vincis Werkstatt einbrechen. Um sich 1824 die Neunte Sinfonie Beethovens anzuhören, galt es zunächst ein 44-köpfiges Orchester aufzustellen. Und wer 1993 das vielleicht wichtigste Spiel der PC-Historie erleben wollte, musste eine sündhaft teure Maschine bauen, kryptische DOS-Befehle studieren, einen analogen Weg ins Internet finden und viel, viel Geduld aufbringen.

Heute können wir im Web jederzeit und überall Da Vincis Gesamtwerk bewundern, Beethovens Kompositionen lauschen und uns (wozu auch immer) jedes erdenkliche Spiel vorspielen lassen. Doch der wahre Genuss entfaltet sich erst im Museum, im Konzertsaal - und beim Selberspielen. Auch das war noch nie so einfach: Doom lässt sich in zwei Sekunden bei Steam herunterladen und mit drei Klicks in der DOSBox spielen oder, noch simpler, auf der Website archive.org direkt im Browser.

1993 lagen die Hürden höher. Wie hoch? Das finde ich heraus in einem heroischen Selbstversuch: Wie der Doom-Marine durch die Höllenbrut kämpfe ich mich durch die Tücken der analogen Datenfernübertragung, der DOS-Speicheroptimierung und der IRQ-Zuweisung - genau wie damals. So viel sei schon verraten: Ihr wisst nicht, wie gut wir es heute haben.

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Die Zeitmaschine Die Zeitmaschine

Ein zeitgenössischer Desktop-PC mit 20 MHz schneller 386-CPU, VGA-Grafikkarte, 4 MB RAM sowie 80-MB-Festplatte. Und Turbo-Taste.

Doom-DeLorean

Meine Zeitmaschine für die Reise in die frühen Neunzigerjahre ist ein 386SX-PC mit 4 Megabyte Arbeitsspeicher, VGA-Grafik und einem Desktop-Gehäuse in jenem Grau-Beige, das damals offenbar gesetzlich vorgeschrieben war. Solch ein PC gehörte vor 25 Jahren zum Hardware-Prekariat, stand aber in vielen Arbeitszimmern und ist genau das, was die Ur-Fassung von Doom verlangt. Mit 80-MB-Festplatte (die wird ja nie voll!), Diskettenlaufwerk und dem Betriebssystem MS-DOS 5 führen historische Preislisten solch einen Rechner für mindestens 1.800 Mark - heute wären das 1.350 Euro.

Wer der Empfehlung von id Software folgte und sich für Doom einen schnellen 486er gönnte, gab locker 3.000 Mark aus. Zusätzlich bietet mein System den Luxus eines CD-Laufwerks, auch wenn ich Doom spielen will und nicht Rebel Assault, das kurz vorher erschien; eine Soundkarte hingegen fehlt noch - ich werde hören, ob ich das noch bereue. Ich drücke den Startknopf.

Der Prozessor des Test-PCs ist 2×2 Zentimeter klein – und läuft so nackt, wie er sich auf dem Bild präsentiert: ohne Kühlkörper, ohne Lüfter, bedeckt nur mit Staub. Der Prozessor des Test-PCs ist 2×2 Zentimeter klein – und läuft so nackt, wie er sich auf dem Bild präsentiert: ohne Kühlkörper, ohne Lüfter, bedeckt nur mit Staub.

Hmm, vielleicht werde ich doch nicht viel vom Spiel hören: Der Rechner rauscht, rattert, röhrt wie ein Laubbläser, obwohl auf der CPU nicht mal ein Kühler pustet - das ist bei diesem Tempo nicht nötig, die Frequenzanzeige an der Gehäusefront vermeldet 20 Megahertz. Der Bildschirm unterhält mich mit BIOS-Statusmeldungen und einem schleppenden Speichertest, der weitere 25 Jahre zu brauchen scheint, mich aber schließlich entlässt ins schwarze Nichts der DOS-Kommandozeile.

So muss sich der erste Mensch auf dem Mars fühlen: allein in der Einöde. Wo, bitte, geht's zu Doom? Heute würde ich ein Browserfenster öffnen und hätte die Welt vor Augen. Aber DOS hat keine Fenster, nicht mal Icons, nur einen grauen Cursor, keine Doppelklicks, nur Tastaturbefehle. Ins Netz gehen musste man damals trotzdem, wenn man Doom am ersten Tag spielen wollte: Auf Diskette gab's das Spiel noch nicht, id Software verbreitete die Shareware-Version am 10. Dezember 1993 ausschließlich online, alternativ via FTP-Server oder ein archaisches Online-System namens Mailbox (siehe Kasten).

Damit ging man 1993 ins Netz: ein typisches 14,4-kbits-Modem. Diese 14.400 Bit pro Sekunde erreichte es in der Praxis aber leider nicht. Damit ging man 1993 ins Netz: ein typisches 14,4-kbit/s-Modem. Diese 14.400 Bit pro Sekunde erreichte es in der Praxis aber leider nicht.

Außer einem PC brauchten Shooter-Fans also auch ein Modem - und Geduld: Die ZIP-komprimierte Datei war über zwei MB groß, mit einem üblichen 14,4-kbit/s-Modem brauchte der Download rund 30 Minuten. Klingt nicht schlimm? Nun, wenn die Verbindung abbrach, durfte man von vorne beginnen. Und sie brach gerne ab. Wer so wahnsinnig - oder sagen wir: leidenschaftlich - war, sich direkt nach Veröffentlichung der Doom-Shareware in die US-Mailbox einzuwählen, zahlte allein für den Download die horrenden Telefongebühren für ein Auslandstelefonat, etwa 30 Euro in heutiger Währung. Das 2016er Doom ist günstiger.

Ist die ZIP-Datei erst mal auf der Festplatte, steht der DOSmonaut vor dem nächsten Problem. Entpacken, installieren, ab zum Mars? So einfach ist das nicht, anders als Windows kann DOS nicht selbstständig mit ZIP-Dateien umgehen. Ein DOS-tauglicher Entpacker ist heute leicht zu finden, damals hätte ich wohl schneller selbst einen programmiert.

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