The Last of Us Serienkritik: Ohne Controller in der Hand ist es einfach nicht dasselbe

Die Spielverfilmung startet in die erste Staffel. Unsere spoilerfreie Kritik verrät, über welche Hindernisse die Serie dabei stolpert und für wen sie sich lohnt.

Die HBO-Serie läuft hierzulande auf Sky. Wir verraten, ob sich The Last of Us für euch lohnt. Die HBO-Serie läuft hierzulande auf Sky. Wir verraten, ob sich The Last of Us für euch lohnt.

Update: Mittlerweile ist die HBO-Serie The Last of Us gestartet. Die 9 Folgen erscheinen wöchentlich jeweils in der Nacht von Sonntag auf Montag. Wie ihr die Serie in Deutschland schauen könnt, erklärt euch Kollegin Linda von der GamePro:

In wenigen Tagen startet die erste Staffel der Serie zum PlayStation-Meisterwerk The Last of Us auch in Deutschland. Wir begleiten den Schmuggler Joel, der das junge Mädchen Ellie quer durch die postapokalyptischen USA eskortiert. Doch die Reise ist kein Kinderspiel. Der tödliche Cordyceps-Pilz breitet sich weiter aus. Neben den Infizierten sind es aber besonders die Überlebenden, vor denen man sich in Acht nehmen sollte. Dabei könnte Ellie die Rettung für die gesamte Menschheit sein.

Wir haben uns die gesamte erste Staffel bereits Wochen vor der Veröffentlichung angesehen. In unserer Kritik verraten wir euch, ob die Story rund um Joel und Ellie auch als Serie funktioniert, über welche Hindernisse die Serie stolpert und für wen sie sich überhaupt lohnt.

Natalie Schermann
Natalie Schermann

GameStar-Redakteurin Natalie ist großer Fan der beiden The Last of US-Spiele. Besonders Ellie hat es ihr angetan, denn nur wenige weibliche Helden haben sich für sie bisher so menschlich und real angefühlt. Der TV-Serie stand sie deshalb skeptisch gegenüber: Wie kann eine Spielverfilmung einer bereits grandios inszenierten Story und solch nahbaren Charakteren gerecht werden? Trotz Vorurteilen wurde Natalie von der TV-Show positiv überrascht - doch nicht jede Rechnung geht auf.

Funktioniert das Story-Meisterwerk als Serie?

Erstmal können wir alle beruhigt ausatmen: The Last of Us ist keine Katastrophe wie viele andere Spielverfilmungen. Schließlich hatte Neil Druckmann selbst als Executive Producer ein wachsames Auge auf die Produktion. Und tatsächlich merkt man der Serie an jeder Ecke an, dass hier der Vorlage mit viel Respekt begegnet wurde.

Die erste Staffel umfasst das gesamte erste Spiel einschließlich des DLCs Left Behind, in dem wir die Vorgeschichte von Ellie erleben. Viele atmosphärische Schlüsselszenen wurden fast bis aufs Detail genau in die Serie übernommen - das dürfte besonders Fans der Spiele freuen. Ein paar davon könnt ihr schon im Trailer bestaunen:

The Last of Us: Gänsehaut-Trailer zur Serie fängt die Stimmung des Spiele-Meisterwerks ein Video starten 2:08 The Last of Us: Gänsehaut-Trailer zur Serie fängt die Stimmung des Spiele-Meisterwerks ein

Wie schon in den Spielen ist Ellie auch in der Serie der große Star - und Bella Ramsey liefert eine fantastische Performance ab. Denn sie ist nicht einfach nur ein Abklatsch der Vorlage, sondern eine eigene Interpretation des Charakters. Sie ist schnippisch, lustig, mal albern, mal sehr ernst und erwachsen. Auch das Zusammenspiel mit ihrem Serien-Ziehvater Pedro Pascal in der Rolle des Joel und dem restlichen Cast wirkt stimmig und authentisch. Da wird es schnell egal, dass die Schauspieler nicht haargenau so aussehen wie die Charaktere im Spiel.

The Last of Us verzichtet außerdem auf unnötige Längen. Mit neun Folgen ist die erste Staffel (und damit die Ereignisse aus dem ersten Spiel) abgeschlossen und sie endet ohne nervigen Cliffhanger.

Die Serie ist aber nicht einfach nur eine reine Nacherzählung des Spiels. Beispielsweise erfahren wir hier noch stärker als im Spiel über die Hintergründe der Zombiepilze und wie es überhaupt zur Cordyceps-Apokalypse kam. Das verleiht der Serie einen stimmigen Rahmen und führt Zuschauer in die Welt ein.

Während die Serie von derartigen kleinen Ergänzungen und Ausführungen hier und da profitiert, sind es aber die größeren Abweichungen vom Spiel, die The Last of Us ins Stolpern bringen.

Abweichungen vom Spiel

Die Serie führt auch neue Charaktere und Hintergrundgeschichten ein oder verändert die Schicksale von bereits bekannten Persönlichkeiten. Das wird zum einen nicht allen gefallen, weil gerade Fans es anders aus dem Spiel kennen und möglicherweise eine vorlagentreue Darstellung der Charaktere erwarten. Außerdem bringt es eine neue Ebene in die Serie, die wir Spieler so nicht aus dem ersten Teil kennen: Joel und Ellie sind nicht der einzige Fokus.

Der Cast liefert eine fantastische Performance ab. Besonders Bella Ramsey glänzt in ihrer Rolle als Ellie. Bildquelle: HBO Der Cast liefert eine fantastische Performance ab. Besonders Bella Ramsey glänzt in ihrer Rolle als Ellie. Bildquelle: HBO

Wer The Last of Us Part 2 gespielt hat weiß, warum der große Plot-Twist zur Hälfte des Spiels solch eine Überraschung war. Wir waren es einfach gewohnt, Joel und Ellie auf ihrem Roadtrip und ihrer emotionalen Reise zu begleiten. Wir haben starke Sympathien für sie entwickelt, sind wortwörtlich über Leichen gegangen, damit wir Ellie sicher ans Ziel bringen können - der große Knall traf uns daher sehr unvorbereitet.

Die Serie versucht wie Part 2, die Schicksale anderer Überlebender in den großen Kontext einzuordnen und auch die menschliche Seite von Gegenspielern zu zeigen. Das hat aber nicht denselben Effekt wie im zweiten Spiel, wirkt stellenweise komplett aufgebläht und aus der Luft gegriffen und sorgt leider nur dafür, dass der Zuschauer weniger Zeit hat, eine starke Bindung zu Joel und Ellie aufzubauen.

Wo bleiben denn die Infizierten?

Doch das bleiben nicht die einzigen Änderungen zum Spiel. Im Videospiel wird die Cordyceps-Infektion über Sporen in der Luft verteilt. Wir geraten oft in Bereiche, die komplett von dem tödlichen Pilz überwuchert sind und müssen uns mit Gasmasken vorsichtig durchkämpfen.

In der Serie wurden die Sporen durch Ranken ausgetauscht. Der Pilz bildet damit ein Netzwerk und verbindet Runner, Clicker und alle anderen Infizierten miteinander. Wird irgendwo eine Ranke aufgewirbelt, bekommt es der ganze Schwarm mit. Dadurch soll vermieden werden, dass The Last of Us einfach zu einer weiteren Zombie-Show verkommt und die Bedrohung soll allgegenwärtig sein. Doch leider geht diese Rechnung nicht auf.

Von den Infizierten wie dem Bloater hier sehen wir in der Serie leider reichlich wenig. Bildquelle: HBO Von den Infizierten wie dem Bloater hier sehen wir in der Serie leider reichlich wenig. Bildquelle: HBO

Lauern die Infizierten im Videospiel an jeder Ecke und die Anwesenheit der Gefahr ist ständig zu spüren, vergehen in der Serie einige Folgen, ohne auch nur einen einzigen Auftritt eines einfachen Runners. Die Bedrohung, die zum Untergang unserer Zivilisation geführt hat, ist oft gar nicht zu spüren und die Cordyceps rücken so schneller in den Hintergrund der Story als Ellie einen Flachwitz erzählen kann.

Das tut auch der Beziehung der Zuschauer zu den Charakteren keinen Gefallen. Joels und Ellies Reise fühlt sich stellenweise wie ein langer Spaziergang an, der ab und zu von gefährlichen Situationen - meist ausgelöst durch das Eingreifen anderer Menschen - unterbrochen wird. Die haarsträubende Spannung wie aus den Spielen hat keine Chance sich aufzubauen und die Serie verpasst zu zeigen, wie viel hier eigentlich wirklich auf dem Spiel steht.

Auch die schönen und emotionalen Momente der Serie, die für sich genommen fantastisch umgesetzt wurden, leiden darunter. Waren diese im Spiel kleine Instanzen, wo die Charaktere auch mal zum Durchatmen kamen und sich von der schweren Reise erholen konnten, können sie in der Serie nicht ihr volles Potenzial entfalten. Gänsehaut-Momente wie im Spiel bleiben so die meiste Zeit aus.

Was bleibt noch unklar?

Bei den Presse-Versionen von The Last of Us handelte es sich um eine noch nicht finale Version. Unter anderem waren CGI, Visual und Sound Effects noch Platzhalter und nicht repräsentativ für die fertige Serie.

Leider bedeutet das auch, dass wir aktuell nicht einschätzen können, wie atmosphärisch beispielsweise das Aufeinandertreffen von Joel und Ellie mit den Infizierten wirklich ist. Da weder Optik noch Sound final waren, fehlte in bestimmten Sequenzen jegliche Immersion. Wie stimmungsvoll diese tatsächlich ausfallen, wird sich erst mit der Ausstrahlung der finalen Version zeigen.

Fazit: Für wen lohnt sich die Serie überhaupt?

Natalie Schermann
@theycallme_lie

Nun kommen wir zur wohl schwierigsten Frage: Für wen lohnt sich The Last of Us als Serie? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn es kommt ganz auf eure Erwartungshaltung an. Seid ihr Fans der Spiele und habt einfach Lust, eure liebsten Charaktere in einer Neuinterpretation zu erleben, kann das Vergleichen zwischen TV-Show und Videospielen viel Spaß machen. Erwartet ihr hingegen eine 1:1-Umsetzung des Videospiels, werdet ihr mit der Serie nicht glücklich.

Wenn ihr die Spiele gar nicht kennt, aber Lust auf eine in sich abgeschlossene kurzweilige Story mit tollem Cast habt, dann solltet ihr euch The Last of Us auf jeden Fall ansehen. Unter der Voraussetzung, dass für euch das Spielen der Videospiel-Vorlage wirklich nicht in Frage kommt!

Emotionale Momente, die wir bereits aus dem Spiel kennen, hätten noch stärker einschlagen können, wenn sie nicht so vom Drumherum verwässert worden wären. Bildquelle: HBO Emotionale Momente, die wir bereits aus dem Spiel kennen, hätten noch stärker einschlagen können, wenn sie nicht so vom Drumherum verwässert worden wären. Bildquelle: HBO

Denn so sehr mich die Serie auch manchmal überrascht hat, kann sie für mich die Spielerfahrung, die ich mit The Last of Us hatte, einfach nicht ersetzen. Während einzelne Szenen aus der Serie auch beim Zuschauen für Gänsehaut und brennende Augen sorgen - etwa der Prolog oder das Treffen auf David - sind es gerade Joels Gefühle, sein Kampf mit sich selbst und seine Aufopferung für Ellie, die nicht so recht zu mir überschwappen wollen.

Mit Controller in der Hand konnte ich die Vatergefühle und den Beschützerinstinkt besser nachfühlen, den die Kleine bei Joel geweckt hat. Ich war selbst dafür verantwortlich, das ungleiche Duo durch Gefahren zu lotsen, habe Ellie dabei beobachtet, wie sie Erfahrungen machte, die ein Kind in ihrem Alter nicht sammeln sollte, und setzte alles aufs Spiel, nur um sie sicher ans Ziel zu bringen.

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In der Serie entgeht mir das. Und so kann ich auch beim großen Finale - Vorsicht, winziger Spoiler, falls ihr TLOU noch nicht kennt - nicht so mitfiebern wie beim Spiel, als Joel stoisch durch das Krankenhaus der Fireflies läuft.

The Last of Us gehört zu den wenigen wirklich guten Spielverfilmungen, kann in vielen Punkten überzeugen, trifft aber auch ein paar falsche Entscheidungen. Die Serie zeigt auch nochmal deutlich: Die Story von Joel und Ellie wurde von Anfang an mit dem richtigen Medium erzählt. Mit dem Sprung vom Videospiel zur Serie geht der emotionalen Reise unweigerlich etwas verloren.

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