Seite 2: Tropico 5 im Test - Mit dem Schnuller zum Diktator

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Kuschelgouverneur

Das Verhältnis zu den Briten im Blick zu behalten, gehört zu den neuen Spielmechaniken von Tropico 5 - und hier unterscheidet sich der fünfte Teil deutlich von seinen Vorgängern. Denn durch die neuen Epochen peilen wir nicht einfach nur den Spielsieg durch ordentliches Wirtschaften an, sondern verfolgen als mittelfristiges Ziel das nächsthöhere Zeitalter. Und das ist auch bitter nötig: Wer nicht mit der Zeit geht, der wird früher oder später durch erschöpfte Rohstoffquellen, mangelnde Baumöglichkeiten und nicht zuletzt durch den britischen Mandatsdruck an seine Grenzen kommen.

Um als unabhängiges Tropico nicht direkt überrannt zu werden, stellen wir uns vorsorgend mit der Krone gut. Um als unabhängiges Tropico nicht direkt überrannt zu werden, stellen wir uns vorsorgend mit der Krone gut.

Denn unser Mandat als Gouverneur läuft nur vier Spieljahre, bevor wir durch einen neuen Herrscher abgelöst werden und das Spiel endet. Zwar können wir durch Quests Aufschub erringen, früher oder später bleibt uns aber keine Wahl, als die Unabhängigkeit zu erklären. Also spielt unser Gouverneur Alberto ein doppeltes Spiel: Die Briten beruhigt er mit Gefälligkeiten, im Geheimen fördert er jedoch seine Widerstandsarmee, indem er Forts in den Dschungel baut, Wachtürme errichtet und gezielt rebellische Bürger einwandern lässt.

Schade finden wir, dass man sich den Royalisten in den Weg stellen muss und nicht beispielsweise über diplomatisches Geschick die Krone von der eigenen Unabhängigkeit überzeugen kann. Trotzdem sorgt das Kalkulieren zwischen den Fraktionen gerade am Anfang jeder Partie für einen sehr dynamischen und abwechslungsreichen Spielfluss - auf höheren Schwierigkeitsgraden wird das ablaufende Mandat zum größten Feind, für Einsteiger strukturieren die Aufgaben von Briten und Rebellen hingegen den Spielbeginn und geben wichtige Impulse, damit sich Gouverneur Alberto richtig auf die Dinge vorbereiten kann, die vor ihm liegen.

Krieg auf Auto-Pilot

Haben wir nämlich genug Zustimmung auf Seiten der Rebellen, erklären wir unsere noch kleine Nation für unabhängig und uns selbst zum ersten Presidente - damit geht's ins Zeitalter der Weltkriege. Das heißt in Tropico 5: Wenn wir nicht genug angespart haben, um uns bei den Briten freizukaufen, stehen deren Invasionstruppen vor unserer Tür und beginnen damit, unsere Gebäude abzufackeln.

Gerade zu Spielbeginn sind Rebellen und andere Feinde problematisch, weil uns das nötige Kleingeld für die teuren Militärgebäude fehlt. Gerade zu Spielbeginn sind Rebellen und andere Feinde problematisch, weil uns das nötige Kleingeld für die teuren Militärgebäude fehlt.

Das Kampfsystem von Tropico 5 spielt sich indirekt und unkompliziert: Haben wir ein paar Kasernen gebaut, machen sich unsere darin ausgebildeten Regimenter automatisch auf den Weg, die Angreifer abzuwehren. Zwar nimmt das Militär in Tropico 5 eine größere Rolle ein als in den Vorgängern und einige Rangeleien mit Rebellen oder Feinden lassen sich pro Partie kaum vermeiden, im Kern bleibt's aber trotzdem ein reines Aufbauspiel.

Alberto hat indes mit einigen Kasernen vorgesorgt und braucht sich um Invasoren keine Gedanken machen. Im Liegestuhl rumlungern geht aber trotzdem nicht, denn ab dem Weltkriegszeitalter muss er sich zunehmend um Forschung, Diplomatie und Handel kümmern - auch im Kalten Krieg und in der Neuzeit sehen wir ganz schön alt aus, wenn wir unsere Position im Machtgefüge der großen Nationen nicht behaupten können.

Deshalb zeigt sich Alberto von der Schokoladenseite und erledigt Aufgaben für die konkurrierenden Großmächte. Wer über den Hafen Bananen an die Alliierten verschifft, macht sich keine Freunde bei den Achsenmächten, wer hingegen später für die Sowjets Raketen im Land versteckt, darf sich nicht über eine Intervention der Amerikaner wundern.

Um den Präsidentenpalast bauen wir Botschaftsgebäude, um unser Vitamin B im Ausland zu pflegen. Um den Präsidentenpalast bauen wir Botschaftsgebäude, um unser Vitamin B im Ausland zu pflegen.

Was nach spannendem Ränkeschmieden klingt, hat zumindest auf dem normalen Schwierigkeitsgrad einen Haken: Wer zwei Botschaften neben seinen Palast baut, kann über Delegationen, Lobpreisungen und andere Schachzüge mit mehreren Seiten gleichzeitig Kuschelpolitik betreiben - und am Ende der Weltkriege ist es lediglich eine Formalie, dass wir beide Kriegstreiber vom Frieden überzeugen und geradewegs aufs nächste Zeitalter zusteuern. Tropico-Experten sollten deshalb vor dem Start jeder Partie von den zahlreichen Voreinstellungen Gebrauch machen und die Schwierigkeit der Außenpolitik hochschrauben.

Welcher Staat darf's sein?

Vor allem innenpolitisch spielen sich die drei modernen Epochen wesentlich ähnlicher als die Kolonialzeit. Zufriedenheit wird immer wichtiger - nicht zuletzt, weil wir als unabhängiger Herrscher Wahlen gewinnen und uns vor Rebellen in Acht nehmen müssen. Mit Arbeitsplätzen und Freizeitaktivitäten ist das aber nicht getan, vor allem dem Wohnungsmangel müssen wir mit neuen Mietskasernen entgegenwirken. Tropico 5 gelingt es sehr gut, unserer Republik das Aussehen einer organisch gewachsenen Stadt zu verleihen, denn ob wir alte Wohnhäuser modernisieren oder zum Slum verkommen lassen, müssen wir selbst entscheiden.

Die Epochen: Kolonial In der Kolonialzeit halten wir uns mit Landwirtschaft über Wasser - allerdings expandieren wir rasch zur Exportnation

Weltkriege Für die Weltkriege bauen wir unser Militär aus - man weiß ja nie.

Kalter Krieg Ab dem Kalten Krieg sorgen wir uns um Tourismus und Umweltaktivisten.

Neuzeit Mit Wohnkomplexen und Luxusgebäuden stillen wir die steigenden Bedürfnisse der Tropicaner - gleichzeitig debattieren wir mit der UN und sorgen uns um Umweltschutz.

Beim Kalkül mit den Tropicanern spielt auch die Verfassung unserer Nation eine entscheidende Rolle: Mit jeder neuen Epoche schalten wir Paragraphen frei, aus denen wir ein eigenes Grundgesetz zusammenstellen dürfen. Wer sich also per Gesetz ein stehendes Heer wünscht oder gerne eine totale Kontrolle der Medien hätte, kann das genauso verwirklichen wie ein liberales Wunderland mit Wahlrecht für alle.

Die tatsächlichen Auswirkungen der Paragraphen schlagen sich zwar nur in den Statistiken nieder (eine totalitäre Diktatur hat's zum Beispiel nicht so mit dem positiven Freiheitsempfinden), fügen sich aber trotzdem organisch ins Zusammenspiel der verschiedenen Tropico-Disziplinen ein. Ohnehin wirkt sich unser Spielstil viel entscheidender auf das Aussehen unserer Republik aus - und auch auf die Probleme, denen wir uns stellen müssen.

Obdachlose bauen sich solche Verschläge - gerade im Touristengebiet nervt das gewaltig. Obdachlose bauen sich solche Verschläge - gerade im Touristengebiet nervt das gewaltig.

Wer sich besonders auf die Industrie konzentriert und mit Zigarren oder Textilfabriken den Export befeuern will, bekommt spätestens ab der Neuzeit Probleme mit Umweltschützern und wird ordentlich Schotter in alternative Forschungen, umweltschonende Kraftwerke und Öko-Edikte investieren müssen. Wer ab dem Kalten Krieg auf Tourismus setzen will, muss einen Haufen Geld für teure Hotels und Freizeitanlagen investieren, hat dafür aber kurz darauf eine beständige Einnahmequelle. Errichten wir eine militante Diktatur und geben das nötige Geld für ein stehendes Heer aus oder riskieren wir als liberale Demokratie die verpatzte Wiederwahl?

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