Jetzt auch auf Steam & mit Koop!
Dieser Artikel erschien ursprünglich im September 2019. Damals war Untitled Goose Game für PC nur im Epic Store verfügbar. Ein Jahr nach dem Release, startet am 23. September 2020 (ab ca. 18 Uhr) nun auch die Steam-Version. Als kostenloses Update erscheint zeitgleich außerdem der Koop-Modus für zwei Spieler, in dem ihr euch mit zwei Terror-Gänsen durch die Kampagne... äh schnattert! Bei Steam geht das lokal und via Remote Play Together auch online.
Jeder, der selbst einmal mit diesem garstigen Geflügel in Kontakt gekommen ist, wird es bestätigen: Gänse sind böse. Dabei sieht die Hauptfigur in Untitled Goose Game doch eigentlich ganz putzig aus. Und dann ist die auch noch so niedlich animiert! Die watschelt, flattert und schnattert gar allerliebst.
Doch der Blick in unsere To-Do-Liste, die wir in unserem knapp zweistündigen Abenteuer abarbeiten, lässt nicht viel Spielraum für Interpretation: Wir sollen Leute in Telefonzellen und Garagen einsperren, Sehhilfen entwenden und das Hab und Gut der Dorfbewohner im See versenken. Wir sind abgrundtief böse. Wir sind eine Gans!
Kaltherzige Trötungsdelikte
Wir sollen jemanden dazu bringen, die falsche Brille aufzusetzen. Mehr Erklärung gibt's nicht - die ist auch nicht nötig, denn wir haben unser Opfer bereits auserkoren. Ein Junge spielt in der Straße mit einem Modellflieger. Dass er das 2019 überhaupt noch darf, statt sicher in seinem Zimmer vorm PC zu sitzen, muss er jetzt büßen.
Er ist nämlich ein richtiges Weichei und ergreift panisch die Flucht, wann immer wir ihn auf Knopfdruck anschnattern. Mit englischen Spracheinstellungen wird aus dem deutschen Schnattern übrigens ein Honk. Also honken wir dem Honk jetzt was.
Honk! Der Junge rennt. Ist uns aber noch nicht spektakulär genug, also fischen wir eine leere Flasche aus dem Abfall und stülpen sie uns über den Schnabel. Als Honk-Verstärker. Der Knirps erleidet einen mittelschweren Herzkasper.
Ein Jammer, dass wir ihm die Schnürsenkel geöffnet haben, während er mit seinem Flieger gespielt hat, denn nun legt er sich bei seinem Fluchtversuch erst mal hin, und wir schnappen uns seine Brille. Die wandert zunächst ins nahe Gebüsch, dann klauen wir den Spielzeugflieger und packen ihn in die Auslage des Ladens um die Ecke.
Und weil wir eh schon dabei sind, Einkäufe zu erledigen, lassen wir noch eine schicke Sonnenbrille mitgehen. Dazu lenken wir die Ladenbesitzerin mit zwei Walkie-Talkies ab. Wir tröten in eines rein, das andere gibt unser Gequäke wieder und verwirrt die Dame, während wir uns bedienen. Alternativ hätten wir auch eines ihrer Regale leerräumen können, um sie für eine Weile mit dem Aufräumen zu beschäftigen. Unterschiedliche Lösungswege sind toll!
Die geklaute Sonnenbrille setzen wir dem Knirps vor, der sich hilflos auf allen Vieren durch die Straße tastet. Damit traut er sich zumindest wieder auf die Füße, ist anscheinend aber immer noch blind wie die Nacht. Zumindest würde das erklären, weshalb er wenige Augenblicke später seinen eigenen Modellflieger kauft, den wir vorhin im Laden abgegeben haben. Perfekt - direkt zwei Aufgaben auf unserer Liste erledigt! Die meisten Jobs lassen sich recht intuitiv und mit etwas Kreativität lösen, auch wenn es vereinzelt Ausnahmen gibt, beispielsweise, wenn wir einen Besen »zerbrechen« sollen.
Keine Konsequenzen
Nicht alle Dorfbewohner lassen sich so leicht austricksen wie der Steppke. Oft müssen wir uns unbemerkt an Leute heranschleichen, beispielsweise, um einem Gärtner den Schlüsselbund abzunehmen. Wir verstecken uns in Sträuchern und unter Tischen, um Verfolger abzuschütteln und nicht aus deren Gärten geworfen zu werden. Tatsächlich funktioniert das Verstecken so gut, dass NPCs, die uns eben noch dabei beobachtet haben, wie wir unter einen Tisch geflitzt sind, wenige Sekunden später unsere Existenz vergessen.
Das soll uns nur recht sein, da geht Gameplay eben vor Realismus. Ein grimmiger Pub-Besitzer lässt uns gar nicht erst auf sein Grundstück, also müssen wir auf Tricks à la Metal Gear zurückgreifen. Das funktioniert nicht immer gleich beim ersten Versuch, schon weil die Steuerung (wahlweise per Gamepad oder Tastatur und Nagetier) stellenweise ihre Tücken hat. Es ist nicht immer ganz einfach, immer genau den Gegenstand in den Schnabel zu bekommen, den man sich gerade schnappen will - besonders dann, wenn wir mehr als ein interaktives Objekt vor der Nase haben.
Dann nimmt uns der genervte Dorfbewohner unser Diebesgut einfach wieder ab oder jagt uns schlimmstenfalls sogar vom Platz. Schlimmer wird es nicht. Es dreht uns niemand den Hals um, auch wenn wir es für manche Aktionen echt verdient hätten. Überhaupt gibt es für unser Handeln keine nennenswerten Konsequenzen.
Zwar spielen wir den einen oder anderen fiesen Streich, während wir unsere Liste abarbeiten, es kommt aber niemand ernsthaft zu Schaden. Als wir für unsere letzte Aufgabe noch mal durch das gesamte Dorf watscheln, gehen alle wieder ihrem Alltag nach, als sei nie etwas passiert, abgesehen von ein paar eiligst zusammengebastelten Gänseverbotsschildern. Vielleicht schreibt noch jemand einen etwas strenger formulierten Brief an den Bürgermeister. So läuft das in England auf dem Land.
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Kurz aber lustig
Als wir die letzte Aufgabe auf unserer Liste erledigen, freuen wir uns schon ganz gespannt auf den nächsten Level. Stattdessen rollen die Credits. Danach läuft das Spiel mit einer Liste an Zusatzaufgaben weiter, von denen einige etwas schwieriger zu erledigen sind als im ersten Anlauf, andere haben jetzt ein Zeitlimit, das so vor dem ersten Durchspielen nicht existiert.
Viele sind aber auch einfach nur leicht abgewandelte Wiederholungen. »Sperre einen anderen Dorfbewohner in der Garage ein.« Das ist schade, denn so kommt man zwar noch mal auf zwei oder drei Spielstunden mehr, ein paar zusätzliche Umgebungen mit völlig neuen Aufgaben wären hier auf jeden Fall interessanter gewesen. So ist Untitled Goose Game ein recht kurzes Vergnügen zum kleinen Preis. Positiv formuliert endet das Spiel, bevor es langweilig wird. Wer im Internet aber schon ein paar Trailer und vielleicht etwas Gameplay gesehen hat, wird beim Spielen überrascht sein, wie viel er vom kompletten Spiel bereits kennt.
Untitled Goose Game lebt von seiner liebevollen Präsentation. Wann habt ihr zuletzt triumphierend und laut trötend eine Packung Klopapier mitgehen lassen, während eine Verkäuferin sichtbar den Verstand verliert? Die kann nämlich ihren Besen nicht finden, mit dem sie uns verscheuchen will, weil wir ihn versehentlich drei Straßen weiter verlegt haben. Die Optik ist einfach, aber stimmig. Die Gestik der Dorfbewohner vermittelt alles, was wir wissen müssen, auch ganz ohne Worte.
Darum gibt's die auch nur im Optionsmenü und auf unserer Aufgabenliste. Auch das Sound-Design ist klasse, schon wegen der Honk-Taste und dem Tröten durch Objekte wie Flaschen, Funkgeräte und ein paar weitere Gegenstände. Dazu passt auch die Musik im Spiel. Die hält sich so lange vornehm zurück, bis wir irgendwelchen Blödsinn anstellen, dann reagiert sie dynamisch auf das Spielgeschehen.
Schade nur, dass es von alledem nicht ein wenig mehr gibt. Furchtbar lange ist unsere Aufgabenliste nicht - da sorgen auch unterschiedliche Lösungsansätze für manche Puzzles nicht für viel Wiederspielwert. Über eine oder zwei zusätzliche Karten wären wir echt happy!
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