Die erste Firma, die zweimal in Folge den goldenen Kackhaufen gewonnen hat, heißt Electronic Arts. Die virtuelle Trophäe wird seit 2006 vom Onlinemagazin The Consumerist im Rahmen seiner Wahl zur »Schlimmsten Firma der USA« vergeben. Inzwischen hat sich der Ruf von EA zwar wieder gebessert, die wenig schmeichelhaften Preise dürfte man dort aber nicht vergessen haben.
Der historisch erste Gewinner des Titels war der Ölkonzern Haliburton, einer der großen Profiteure des Irak-Krieges und damals Vorwürfen von Umweltverschmutzung und fragwürdiger Beziehungen zu US-Politikern ausgesetzt. In den Jahren danach durften sich unter anderem der Interessenverband der Musikindustrie und der Versicherungskonzern AIG über den Sieg »freuen«.
Letzterer war 2009 gerade in die Schlagzeilen geraten, weil er sich während der Finanzkrise zuerst durch eine Milliarden schwere Finanzspritze der Regierung retten ließ, nur um danach seinen Top-Managern dicke Boni auszuzahlen. Doch keines dieser Unternehmen, kein Waffenfabrikant, kein Pharmakonzern und kein Zigarettenhersteller wurde je ein zweites Mal gewählt. Bis Electronic Arts kam.
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Natürlich ist die Wahl zur »Schlimmsten Firma der USA« eine ziemliche Farce. Als Onlinebefragung ist sie durch in Foren organisierten Zustrom einzelner Nutzergruppen leicht manipulierbar und garantiert kein Abbild der breiten Bevölkerung. Zum anderen macht sie aber überdeutlich, welch unglaublich schlechtes Image dem Konzern lange Zeit anhing.
Die Frage ist nur: Warum? Was hat Electronic Arts verbrochen, dass Tausende Spieler in aller Welt dem Publisher mit diebischer Schadenfreude vergoldete Exkremente in den Trophäenschrank wählten? Blickt man auf die Geschichte der Firma, stechen eine ganze Reihe von Gründen ins Auge.
Allein 2013 konnte man den Eindruck bekommen, Electronic Arts wolle alle erdenklichen Vorurteile bestätigen. Die Hit-Serie Battlefield degradierte im vergangenen Jahr ihren Singleplayer endgültig zum ideenarmen Möchtegern-Call of Duty während Bugs den hervorragenden Multiplayer abwerten. Dead Space 3 frustrierte Serienfans durch die Einführung von Ingame-Käufen und verwässerten Horror derart, dass die Serie vorerst auf Eis liegt. SimCity und sein absurder Online-Zwang zerstörten das Image einer großen Traditionsmarke.
Plus Report: Nie mehr Battlefail - Was EA aus den Battlefield-Bugs gelernt hat
Ruinierte Jugendidole
Jeder dieser Fehlschläge zieht Tausende wütender, enttäuschter und anklagender Kommentare nach sich. Völlig zu Recht. Doch der erstaunliche Hass auf EA ist kein aktuelles Phänomen und sicher nicht an Jahre gebunden, in denen der Publisher kein Fettnäpfchen auslässt. Inmitten der wütenden Beiträge tauchen immer wieder Begriffe aus der grauen Vorzeit der Computerspiele auf: Origin. Bullfrog. Westwood Studios.
Es sind die Namen halbvergessener Spielefirmen, geliebt und bewundert in einer Zeit, als Spieler zu sein noch etwas Besonderes war. Firmen, die auf der Höhe ihrer Zeit von EA aufgekauft wurden, nur um danach scheinbar einen langsamen kreativen Tod zu sterben.
Bis heute haben viele Spieler EA nie verziehen, dass sie die Idole ihrer Jugend ruiniert haben. Das belegen sowohl die Ergebnisse einer Gamestar-Umfrage, die wir im Rahmen unserer Recherchen durchführen, als auch die Befragungen anderer Webseiten wie beispielsweise des US-Magazins RockPaperShotgun. Doch was geschah damals wirklich mit all diesen Firmen? Und vor allem: Wie kann es sein, dass sich ihre Gründer in einer Sache vollkommen einig sind: Das Schlimmste, was ihnen Electronic Arts angetan hat, waren Großzügigkeit und kreative Freiheit?
Gekauft und vernichtet
Die Vorgeschichte führt uns weit zurück in der Spielehistorie, in den September 1992. Damals verkauft Richard Garriott seine Firma Origin Systems an Electronic Arts. Über neun Jahre hinweg hat er die Firma vom Ein-Mann-Entwicklungsstudio zu einem der bedeutendsten PC-Spieleentwickler und -Publisher der Welt aufgebaut.
Seiner Ultima-Reihe und Titeln wie Wing Commander von Chris Roberts verschafften Origin einen fantastischen Ruf. Die Firma ist insbesondere bekannt dafür, die Grenzen des technisch Machbaren mit jedem Spiel neu zu definieren. Acht Jahre nach dem Verkauf existiert Origin Systems nur noch als leblose Hülle, die weitere Inhalte für Ultima Online produziert, den letzten großen Hit. Im Jahr 2004 macht EA den Laden dicht.
Plus-Reportserie: Die Geschichte von Wing Commander
1994 verkauft Peter Molyneux einen Großteil des von ihm mitgegründeten Studios Bullfrog Productions an Electronic Arts, mit denen das britische Studio bereits seit seiner Gründung im Jahr 1987 zusammenarbeitet. Titel wie Populous, Syndicate und Powermonger sichern der 45-Mann-Firma einen Platz in den Geschichtsbüchern der Computerspiele. Molyneux selbst wechselt in die Rolle des Vizepräsidenten von EA.
1995 folgte die endgültige Übernahme. Auf seinem neuen Posten hält es Molyneux gerade mal zwei Jahre lang aus, dann verlässt er EA und gründet ein neues Studio namens Lionhead. Im Jahr 2000 erscheint mit Theme Park Inc das letzte Spiel auf dessen Verpackung ein Bullfrog-Logo zu sehen ist. 2004 verschmilzt EA das Studio mit seinem Entwicklungsteam EA UK und Bullfrog hört endgültig auf zu existieren.
1998 gerät der Publisher Virgin Interactive nach einigen kostspieligen Fehlschlägen in finanzielle Schieflage. Der in den USA angesiedelte Teil des Unternehmens muss verkauft werden. Zum Preis von 122 Millionen Dollar bekommt Electronic Arts den Zuschlag.
Dem Vernehmen nach ein recht hoher Preis, den EA in erster Linie nur wegen eines einzigen Entwicklerteams auf den Tisch legt: Westwood Studios, seit 1992 im Besitz von Virgin. 2003, nur fünf Jahre später, werden die Westwood Studios geschlossen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat EA seinen Ruf als Totengräber weg.
Natürlich konnte die eine oder andere Firmenübernahme scheitern. Aber wie in aller Welt hatte es der Publisher geschafft, gleich drei ehemals gefeierte Entwicklerteams an den Punkt zu bringen, an dem keine andere Wahl blieb, als den Laden dicht zu machen?
Die Schließung von gleich drei legendären Studios im Abstand von kaum einem Jahr erscheint vielen Spielern als glasklarer Beweis, dass EA zum seelenlosen Großkonzern verkommen ist, der seine Entwickler durch Vorschriften aus der Marketingabteilung knebelt und jede Innovation im Keim erstickt.
Rule, Britannia: Die Geschichte der Ultima-Serie
»EA hat uns den Strick gegeben ...«
»Ich selbst habe EA eine Zeit lang auch immer wieder als das böse Imperium beschrieben. Je nachdem in welcher Stimmung ich war mit mehr oder weniger Ernst«, sagt Origin-Gründer Richard Garriott im Jahr 2013. Garriott ist gerade auf Pressetour um sein Kickstarter-Projekt Shroud of the Avatar unter die Leute zu bringen. Es habe Zeiten gegeben, sagt er, da sei er so wütend auf EA gewesen, dass er den Publisher einfach pauschal verteufelt habe.
Zum Beispiel als er sich von der Sales-Abteilung überreden ließ, Ultima 7 zu früh auf den Markt zu bringen. Oder als EA sein Wunschprojekt Wing Commander Online nicht unterstützen wollte und ihm viele gute Mitarbeiter zu Sony davon liefen, um dort Star Wars Galaxies zu machen. Ganz besonders, als er zum ersten Mal in der Geschichte von Origin im großen Umfang Mitarbeiter feuern musste. Dabei, so räumt er rückblickend ein, war Letzteres vor allem seine eigene Schuld. »Die Wahrheit ist: EA hat uns den Strick gegeben, aber aufgehängt haben wir uns selbst«, sagt er.
Dieser Strick, so glaubt Garriott, war aus Dollarscheinen geknüpft. »EA sagte damals zu uns: Wir finden euch super! Arbeiten wir doch zusammen. Wir können die Größe eurer Studios verdoppeln! Wir können eure Arbeit auf den nächsten Level heben!«
Aus der Sicht von Garriott und seinen Partnern im Jahr 1992 klingt das hervorragend. Während Origin im PC-Spielemarkt sehr erfolgreich ist, hat die Firma im immer wichtigeren Konsolensegment nie einen Fuß auf den Boden bekommen. Doch gerade die Produktion der aufwendigen Origin-Spiele wird immer teurer.
Für Garriott ist absehbar, dass sich die Spiele in Zukunft nur durch eine Veröffentlichung auf PC und Konsolen finanzieren lassen werden. Genau hier kommt EA ins Spiel. Die Sportspiele des Publishers beherrschten den Konsolenmarkt wie kein Zweiter, doch im PC-Segment kann er noch nicht ganz vorne mitspielen. Die beiden Firmen scheinen sich perfekt zu ergänzen.
Zudem verspricht das große Finanzpolster von Electronic Arts ein Ende der lästigen Entwicklungssorgen. All die vielen Ideen und Spielprojekte, die man aus Geldnot hatte unter den Tisch fallen lassen? Mit EA wurden sie möglich. Garriott schlägt ein, EA hält Wort und das Schicksal von Origin ist besiegelt.
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