10 Jahre Steam - Die Geschichte des Dampfs

Im September 2013 feiert Steam den zehnten Geburtstag, es ist die derzeit wichtigste Download-Plattform für PC-Spiele. Das war nicht immer so. Wir blicken zurück auf die Anfänge von Steam.

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»Man muss sich durch wirre Menüs klicken, in denen man ein Abo angedreht bekommt. Die Anmeldung grenzt an Folter. Hoffentlich wird diese Geschäftspolitik nicht zur Regel!« Diese harschen Worte haben Gamestar-Leser nicht für ein Free2Play-Spiel übrig, sondern für Steam. Es ist Anfang 2005, wenige Wochen nachdem Valve Software mit Half-Life 2 das erste Spiel veröffentlicht hat, das einen Account beim Spiele-Downloaddienst Steam erfordert. Dort muss man sich anmelden. Zwangsweise. Im Jahr 2005 ist das ein Skandal. Heute ist es etwas Wundervolles.

Denn seitdem hat sich einiges getan. Mit Half-Life 2 hat Valve die Blaupause des modernen Shooters erschaffen, deren Grundzüge sich in Konkurrenten von Bioshock bis Call of Duty: Modern Warfare wiederfinden. Dank beliebter Titel wie Team Fortress 2, Dota 2 oder Portal gilt Valve als einer der innovativsten, einer der wichtigsten Spieleentwickler der Moderne. Voraussichtlich diese Woche stellt das Studio aus Seattle überdies die Steam Box vor, die den PC auch in eine Wohnzimmerkonsole verwandeln soll.

Und der Grundstein dieser Erfolge, das Rückgrat von Valve als Innovationsmotor einer Branche, ist Steam, der Spiele-Download-Service. Der gilt mit über 50 Millionen Nutzern weltweit als wichtigste Plattform für PC, Mac- und Linux-Spiele. Nur die wenigsten Publisher können es sich erlauben, ihre Spiele nicht über Steam zu vertreiben; Electronic Arts und Ubisoft haben angesichts des Valve-Erfolgs mit Origin und Uplay eigene Plattformen aus dem Boden gestampft.

Doch gegenüber der Strahlkraft von Steam verblassen die Konkurrenten - und zwar nicht nur, was namhafte Entwickler angeht: Viele Indie-Studios haben erst durch Steam ausreichend viele Käufer gefunden, um weiterhin unabhängig arbeiten zu können. Kurzum: Steam ist überall, in den zehn Jahren ihrer Existenz hat sich die Plattform von einer Vision zum allgegenwärtigen Online-Giganten entwickelt. Wir gratulieren zum Geburtstag - und blicken zurück auf die Anfänge.

Steam-Historie - Die Entwicklung von Valves Online-Plattform ansehen

Ein besserer Serverbrowser

Angefangen hat Steam als ein weitaus simpleres Vorhaben. Um das Jahr 1999 herum waren die Entwickler bei Valve unzufrieden mit der Online-Multiplayer-Erfahrung in den (inzwischen selbst schon legendären) Half-Life-Mods Counter-Strike und Team Fortress Classic. Eine zentrale Anlaufstelle soll her, die Spiele automatisch auf die neueste Version aktualisiert, Betrug durch Cheats verhindert und eine vernünftige Serversuche anbietet, damit alle Spieler das gleiche Spiel fair miteinander spielen können.

Valve versucht, diese Plattform mit externen Partnern zu realisieren. Aber bei großen Internetunternehmen wie Yahoo werden sie desinteressiert abgelehnt. Ein Beleg für die Kurzsichtigkeit der »alten« Internet-Riesen - und der Startschuss für Valve, das fortan selbst an der Umsetzung arbeitet.

Die Entwickler von Garry’s Mod verdienen über Steam mehrere Millionen Dollar. Die Entwickler von Garry’s Mod verdienen über Steam mehrere Millionen Dollar.

Auf der Game Developers Conference im Jahr 2002 in San Jose kündigt der Valve-Chef Gabe Newell schließlich Steam an. »In einer Zeit, in der Internet-Breitbandverbindungen weltweit zunehmen und auch Entwickler immer mehr die Funktion ihrer Produkte über das Internet erweitern, ist uns bewusst geworden, dass eine Plattform für neue Dienste und Angebote notwendig ist.« Schon 2002 steht fest: Steam soll das Kaufen, Installieren und Benutzen von Spiele-Software aus dem Netz erleichtern, sowie die Kosten für den traditionellen Verkauf von Spielen auf physischen Datenträgern eliminieren. Es ist eine erstaunlich präzise Vorhersage, wofür die Plattform einmal stehen soll.

Die Journalisten, die zum damaligen Zeitpunkt über Spiele berichten, haben zu dieser Ankündigung wenig zu sagen. Noch im selben Jahr gibt sich der Gamestar-Autor Richard Löwenstein in Ausgabe 04/2002 skeptisch, was digitale Distribution angeht. Über den frühen Games-Streaming-Dienst RealArcade (inzwischen eine Flashgame-Sammelseite) schreibt er: »Die meisten PC-Benutzer sind einfach viel zu sehr Sammler, als dass sie auf eine Verpackung im Regal verzichten wollten - egal, ob DVD-Hülle oder Eurobox.«

Steam bekommt kaum mediale Aufmerksamkeit, auch nicht, als Valve den Online-Dienst im September 2003 erstmals der Öffentlichkeit zugänglich macht. Steam startet mit Counter-Strike 1.6, der bis dato wohl beliebtesten Version des Multiplayer-Shooters - und eine ganze Weile lang ist Counter-Strike effektiv der einzige gute Grund, den Service zu benutzen. Von der Zukunft, von der Gabe Newell vor einem Jahr in San Jose gesprochen hat, ist nicht viel zu spüren. Steam ist der Serverbrowser für Counter-Strike, nicht mehr.

Der Half-Life-Schock

Erst am 16. November 2004 leitet Valve mit der Veröffentlichung des langerwarteten Half-Life 2 seine wahre Zukunftsvision ein - auf überaus schroffe, schockierende Art. Half-Life 2 ist das erste Singleplayer-Spiel, das einen Steam-Account zwingend voraussetzt, und es ist das Spiel, das jeder haben will. Die Half-Life-2-DVD installiert das Spiel zwar auf dem Rechner, um es zu aktivieren, muss der CD-Key aber auf Steam registriert werden.

Half-Life 2 ist für viele Spieler 2004 der erste Berührungspunkt mit Steam. Half-Life 2 ist für viele Spieler 2004 der erste Berührungspunkt mit Steam.

Spieler müssen das Spiel zumindest einmal starten, während sie online sind. Danach soll Half-Life 2 auch im Offline Modus laufen, tut es aber nicht. Das überrascht viele Käufer und schließt viele schlicht aus. Laut Gamestar-Umfrage hatten 20 Prozent der damaligen Leser keinen Internetzugang. Steam gilt nicht als die Revolution des PC-Spiele-Marktes. Es ist ein lästiger Kopierschutz. Noch dazu gibt es auf der Packung keinen Warnhinweis, dass Half-Life 2 eine Internet-Verbindung benötigt, wütende Spieler geben die Schachtel im Handel zurück.

Auch für Valves damaligen Publisher Vivendi (inzwischen Teil von Activision Blizzard) ist Steam eine Überraschung. Denn wenn Valve die Plattform gehört, auf die Half-Life 2 angewiesen ist, was verkauft dann eigentlich Vivendi mit dem Datenträger? Ein Rechtsstreit entbrennt, aus dem Valve 2005 als sein eigener Publisher herausgeht.

Den schlechten Ruf wird Steam in den kommenden Jahren nur langsam wieder los. Doch zugleich schafft es Valve, unabhängige Entwickler auf ihre Plattform zu locken, denn dort lassen sich Spiele ohne großen Aufwand vertreiben, noch dazu entfallen die althergebrachten Vertriebskosten für Datenträger und Schachteln. Dank Steam werden ein Indie-Entwickler plötzlich selbst zu kleinen Publishern ihrer eigenen Titel: Sie bestimmen, wann was zu welchem Preis auf den Markt kommt.

Zu den ersten Studios, die dieses Angebot annehmen, gehören Introversion mit ihrem Strategiespiel Darwinia und Mark Healey mit dem bizarren Prügelspiel Rag Doll Kung-Fu. Steam behält 30 Prozent der Einnahmen für sich. Für Indie-Entwickler wird Steam zur Chance, ihre Spiele ohne Publisher und ohne traditionellen Vertrieb an Spieler zu bringen. Dank des Early-Access-Programms lassen sich heute sogar unfertige Spiele anbieten - sodass deren Entwickler schon während der Arbeit an einem Titel Geld damit verdienen können. Das kann den finanziell meist klammen Indie-Studios ungemein helfen.

Rag Doll Kung-Fu ist eines der ersten Indie-Spiele, die über Steam erscheinen. Rag Doll Kung-Fu ist eines der ersten Indie-Spiele, die über Steam erscheinen.

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