Arcane, LoL und Co: Was Riot aus seinem Universum macht ist einzigartig

Arcane hat Elena eine faszinierende Welt eröffnet, die weit mehr ist als nur ein Marketing-Trick für League of Legends: Warum Riot gerade ein genialer Schachzug gelingt.

Jeder, wirklich jeder, hat mir davon abgeraten wegen Arcane League of Legends zu spielen. Angefangen mit lieb gemeinten Hinweisen dazu, dass man die Story im MOBA mit der Lupe suchen muss, bis hin zu eindeutigen Warnungen vor wahnsinnig komplexen Spielsystemen, einer toxischen Community und einem gefährlichen Suchtfaktor, der wahrscheinlich dazu führt, dass ich Weihnachten mit dem Laptop auf dem Schoß feiere.

Aber ich bin nun mal tief im Herzen immer noch die Art Kind, die einfach selbst auf die heiße Herdplatte fassen muss, egal, was Mama sagt. Also habe ich es natürlich trotzdem getan - und mir nicht die Finger verbrannt. Im Gegenteil: Ich zocke nach einer kurzen Einweisung von Kollege Phil nicht nur begeistert LoL auf dem PC, sondern auch den Kartenableger Legends of Runeterra auf dem Handy, habe mir das Rollenspiel Ruined King schon auf die Steam-Wunschliste gepackt und schmökere fernab vom Bildschirm in einem Comic über Champion Ashe.

Bin ich also das perfekte Opfer für Riots Marketing-Strategie? Jein. Denn natürlich hat das alles mit Vermarktung und Zielgruppen zu tun, aber es steckt noch mehr dahinter. Der Entwickler baut ein so breites, tiefes und erweiterbares Story-Universum auf, wie es das in dieser Form im Spiele-Kosmos noch nicht gab.

Die Autorin: Elena (@Ellie_Libelle) ist Journalistin und Designerin, sie liebt also gute Geschichten und Ästhetik, weshalb es kaum verwundert, dass sie Arcane vom ersten Moment an verfallen ist. Aber nicht nur die schicke Netflix-Serie drückt die richtigen Knöpfe bei ihr: Das ganze Universum rund League of Legends lässt sie nicht mehr los, weshalb sie seitdem jeden Lore-Krümel aufsaugt und sich fragt, wie ein Arcane mit neuen Helden in einem anderen Teil der Welt aussähe. Oder ein Adventure mit Jinx in der Hauptrolle. Oder in MMO im Stil von ESO, das sich nach und nach ganz Runeterra und Bewohner erschließt. Die Möglichkeiten sind endlos!

Riot gewinnt, Blizzard verliert

Dabei ist eigentlich Blizzard bekannt dafür, die eigenen Helden in neue Spiele zu verpacken und die Marken weiterzudenken. Sei es als MMO oder gar Kinofilm mit World of Warcraft, als Kartenspiel wie bei Hearthstone oder als MOBA Heroes of the Storm. Aber das Unternehmen strauchelt gerade, stolpert von einem Skandal oder Rückschlag zum nächsten, während Riot einen Sieg nach dem anderen feiert. Das hat drei simple Gründe: 1. Timing, 2. Kommunikation, 3. Qualität.

Timing

Dass Blizzard aktuell eine schwerer Zeit durchmacht, ist kein Geheimnis. Diablo 4 und Overwatch 2 verschieben sich, die BlizzCon 2022 ist abgesagt, weil es nichts anzukündigen gibt. Die Leinwand für mögliche neue Blizzard-Erzählungen fehlt.

Riot veröffentlicht derweil mit Arcane eine extrem erfolgreiche-Netflix-Serie. Eine zweite Staffel ist schon bestätigt, noch mehr Serien sollen kommen und der Entwickler schmiedet das Eisen weiter, solange es noch heiß ist: Völlig überraschend veröffentlicht er das Rollenspiel Ruined King und der Rhythmus-Plattformer Hextech Mayhem auf Steam, während weitere Spiele bereits offiziell in der Mache sind. An Riots Universum kommt man gerade kaum vorbei.

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Kommunikation

Blizzard macht gerade vor allem negative Schlagzeilen: Die Spieler sind frustriert über den technischen Zustand von Diablo 2 Resurrected und die Branche entsetzt über die toxische Unternehmenskultur. Auch Riot wurde zurecht für ein sexistisches Arbeitsumfeld angeprangert, der Skandal liegt aber schon weiter zurück und überschattet Arcane und Co. nicht. Warum Blizzard so nicht mehr weitermachen kann, besprechen wir auch ausführlich im Podcast:

Link zum Podcast-Inhalt

Qualität

Zu guter Letzt liefert Riot momentan extrem hochwertige Ergebnisse ab, die sich nicht hinter Blizzards Erfolgen verstecken müssen. Arcane ist bei Kritikern, Spielern und Zuschauern beliebt, die nichts mit League of Legends am Hut haben. Auch sonst macht der Entwickler deutlich, dass man sich nicht für ein kompliziertes MOBA erwärmen muss, um Spaß mit der Welt von Runeterra zu haben. Song of Nunu wird ein Story-Adventure, Conv/ergence ein Plattformer, Project L ein Fighting Game mit den bekannten Helden und dann wartet noch ein gewaltiges Riot-MMO irgendwo am Horizont geduldig auf seinen großen Auftritt.

Wie gut die werden, weiß man aktuell noch nicht. Aber bisher lieferte Riot auch abseits von LoL durchweg Qualität auf einem sehr hohen Niveau ab, sei es bei Arcane, dem Kartenspiel Legends of Runeterra oder der Mobile-Variante Wild Rift. Das Unternehmen will aber nicht nur gute Spiele veröffentlichen, sondern sich auch völlig neue Zielgruppen erschließen.

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Ein kluger Plan, der aufgeht

Egal ob (Online)-Rollenspiele, Plattformer, Story-Adventures, Prügelspiele, Card Games oder Mobile-Varianten: Riot bringt alle Geschütze in Stellung, um möglichst viele unterschiedliche Arten von Spielern und potenziellen Fans zu erreichen. Einmal angefüttert, öffnen die sich im besten Fall auch dem restlichen Universum und werden zu treuen Kunden.

Gleichzeitig existiert rund um LoL schon eine loyale Community, die mit den Champions durch dick und dünn gegangen ist. Für sie ist der Weg zu einem neuen Spiel oder eine Serie ebenfalls nicht weit, wenn es in das vertraute und geliebte Runeterra geht.

Außerdem unterstützen die Projekte sich gegenseitig: In League of Legends findet parallel zum Serien-Hit ein Event statt, bei dem sich die Arcane-Helden samt besonderer Skins erspielen lassen. Über solche Cross-Promotions kann Riot die eigene Fanbase gezielt in den Spielen umwerben und dazu animieren, mal innerhalb des Universum über den Tellerand zu schauen.

Und wenn der unglaubliche Artstyle von Arcane nicht zum Serien gucken animiert, dann weiß ich auch nicht:

Eine großartige Welt blüht endlich auf

Aber das große Universum ist eigentlich eine Win-Win-Situation für das Unternehmen und die Spieler. Jedes Spiel, jede Serie und was sonst noch kommt, schlägt eine neue Seite in einem Buch auf, das immer dicker wird, sich immer weiter füllt mit Helden, Geschichten und Orten.

Riot kann Figuren wie Jinx nachträglich eine unglaubliche Tiefe verleihen, kann sie zur tragischen, missverstandenen Anti-Heldin machen, mit der ich mitfühle und mitleide, während ich an der Seite von Miss Fortune, Illaoi, Ahri oder Yasuo mehr über Piratenfestung Bilgewasser und eine dunkle Bedrohung dort erfahre. Was Riot vorher der Fantasie der Spieler überließ, wird nun nach und nach mit Farbe und Leben gefüllt.

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Und das aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln mit ganz anderen erzählerischen Möglichkeiten: Champions wie Jinx und ihre Erzfeindin Caitlyn keifen sich bei Legends of Runeterra über die Kartenfelder hinweg an, müssen dann aber plötzlich zusammenarbeiten oder die blauhaarige Irre versucht, ihre Beziehung zu ihrer Schwester Vi mit einem Stoffhasen wieder ins Lot zu bringen. Nichts davon schürft so tief wie Arcane, aber es stopft die immer noch klaffenden Erzähllücken bei geliebten Figuren mit neuen Details und mal rührenden, mal humorvollen und mal bedrückenden Momenten.

Zukünftige Serien und Spiele können es genauso machen. Sie schöpfen schließlich aus einer reichhaltigen Quelle, die über zwölf Jahre hinweg mit zig Geschichten, Helden, Schauplätzen und Lore-Schnipseln gefüllt wurde. Orte wie das asiastisch angehauchte Ionia bieten genauso furchtbaren Nährboden für fesselnde Abenteuer wie Piltover und Zhaun in Arcane oder Bilgewasser in Ruined King, auf die dann wieder neue Spiele, Serien, Bücher oder Comics aufbauen können, die weit mehr sind als bloße LoL-Anhängsel.

Riot ist auf den besten Weg ein wirklich lebendiges Story-Universum zu erschaffen und das auf Basis eines Spiels, das strenggenommen keine Geschichte hat. Das muss ihnen erstmal jemand nachmachen.

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