Baldur’s Gate 3: Über eine große Story-Stärke wird zu wenig geredet, weil man dafür alt sein muss

Das Comeback des legendären Helden Minsc samt Hamster Boo wirkte auf Heiko zunächst wie plumper Fan-Service. Heute weiß er, wie konsequent und liebevoll beide in Baldur's Gate 3 eingebaut wurden.

Ich bin kein nostalgischer Mensch. Was ich nicht mehr benötige, fliegt rigoros raus – selbst, wenn es eine umfassende Sammlung von Magic-Karten aus den 90er-Jahren trifft. Seufz.

Die Packung der amerikanischen Boxversion von Baldur’s Gate 2 steht trotzdem seit fast 24 Jahren auf einem Ehrenplatz in meinem Regal. Regelmäßig hole ich sie heraus, öffne das Klapp-Cover, entfalte die Karte der Spielwelt oder blättere durch das 265-seitige Ring-Handbuch.

Heiko Klinge

@heikosklinge

GameStar-Chefredakteur Heiko Klinge ist Baujahr 1977, war also 22 Jahre alt, als das von ihm verehrte Baldur's Gate 2 im September 2000 erschien. Als er sich wenige Wochen später aus einer Bierlaune heraus bei GameStar bewarb und dafür einen Kurztest schreiben sollte, wählte er todesmutig Biowares Epos aus, um es auf gerade mal einer lumpigen Seite zu analysieren. Damals hatte er sich nicht viel dabei gedacht, heute weiß er, dass dies eine ziemlich clevere Entscheidung war. Denn es ist viel schwieriger, ein so umfangreiches Spiel in nur wenigen Worten treffend zu sezieren als lang und breit. So fiel er auf. Fest steht: Ohne Baldur's Gate 2 wäre Heiko heute nicht bei GameStar.

Meine Verehrung für den Rollenspiel-Klassiker von Bioware ist derart irrational, dass ich ihn seit über 20 Jahren nicht mehr gespielt habe – zu groß die Angst, dass meine nostalgische Verklärung in sämtliche Einzelteile zerbröselt.

Also ja, ich bin einer dieser Hardcore-Fans, die mehr als nur skeptisch waren, ob Larian mit Baldur’s Gate 3 dieser legendären Serie gerecht werden kann. Ich hatte keine Zweifel, dass es ein gutes Spiel wird. Nur große Zweifel, dass es ein würdiges Baldur’s Gate wird.

5:23 Baldur's Gate 3 - Das bombastische Intro machte 2020 jede Menge Eindruck, ließ mich als Serienfan aber vergleichsweise kalt.

Aber je länger ich Baldur’s Gate 3 spielte, desto mehr wurde mir klar, wie unberechtigt meine Skepsis war. Denn Larian hat nicht nur viel besser als ich verstanden, was Baldur’s Gate eigentlich ausmacht. Sie haben auch ein Lehrbeispiel abgeliefert, wie man eine alte Marke für neue Zielgruppen attraktiv machen und trotzdem die alten Fans emotional abholen kann.

Trick 1: Die clevere Verbeugung zu Spielbeginn

Aus den oben genannten Gründen habe ich die Early-Access-Phase von Baldur’s Gate 3 ignoriert, bin also erstmals mit Release-Version an Bord des Gedankenschinder-Flugschiffes aufgewacht.

Und trotz der Fremdartigkeit der Location fühlte ich mich direkt ein Stückweit zuhause. Denn für mich wirkte der Auftakt ganz klar als Verbeugung vor dem ersten Dungeon in Baldur’s Gate 2. Damals wie heute wache ich in einer Kapsel in einem Labor auf, damals wie heute offenbar als Teil eines Experiments, damals wie heute werde ich direkt mit der gewaltigen Macht meiner Widersacher konfrontiert.

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