Entwickler Valve wirkt für mich ein bisschen wie der viel zu coole 16-Jährige vom Pausenhof. Während der Typ denkt, dass gespieltes Desinteresse durchaus ein probates Mittel im Umgang mit Menschen darstellt, lässt der Entwickler den Eindruck entstehen, dass ihn sein Kerngeschäft nur noch am Rande interessiert. Riesige Patches mit einschneidenden Änderungen? Werden nicht angekündigt und offensichtlich kaum getestet. Nachfolger geliebter Spieleserien? Hat man doch gar nicht nötig. Markteintritt mit Hardware wie Steam Machine und Steam Controller? E3 und Gamescom werden ignoriert, man ist zu cool, um neue Produkte mal vorab der Öffentlichkeit zu zeigen.
Willkürliche Sperren und trollende Entwickler auf Steam? Werden - wenn überhaupt - zu spät bekämpft.
Plus-Report: Streit, Zensur, Willkür - Anarchie auf Steam?
Valve mag vielleicht nicht ignorant sein - aber sie wirken so.
Nun sollte das aber mal langsam vorbei sein: Das Winter-Update von Counter-Strike: Global Offensive, der resultierende Shitstorm und das Eingeständnis von Versagen zeigen, dass Valve sich ändern muss. Denn während den Schulhofentypen irgendwann blüht, dass sie nicht so cool sind wie erhofft, muss auch Valve lernen, dass die eigene Firmenpolitik so nicht weiterlaufen kann. Was muss sich also ändern?
Der Autor:
Stefan Köhler mag Shooter, egal ob PC, Multiplattform oder Konsole - solang die jeweilige Umsetzung stimmt. Counter-Strike ist (Achtung Wortwitz) sein GO-to-Shooter am PC, gerade weil die klassische Formel und das komplexe Meta-Gameplay extrem gut austariert sind.
Eine Abschwächung von AK und M4 zugunsten seiner Lieblingssturmgewehre AUG und SG würde er begrüßen, für eine E-Sport-taugliche Überarbeitung der Karte Aztec würde er gerne Geld bezahlen. Nur bitte kein überraschendes Update ohne Kommentar, eine Patch-Politik der Marke »sneaky beaky like« braucht niemand mehr im Jahr 2015.
Das Problem: Das CS:GO Winter-Update
Nochmal kurz zur Problemlage: Am 8. Dezember 2015 wurde das Winter-Update für CS:GO veröffentlicht, das einschneidende Änderungen brachte. Wohlgemerkt bei einem der wichtigsten E-Sport-Titel der Welt.
Die wichtigsten Neuerungen:
- Der R8 Revolver: Die neue Pistole war mies ausbalanciert und sogar verbuggt. Die Mängel waren so gravierend, dass Valve die Probleme hätte erkennen müssen - fragt sich, wie sie überhaupt ins Spiel kamen.
- Eine Abschwächung von Pistolen: Wer eine Eco-Runde einlegte (das gesamte Team nimmt Pistolen, um für die nächste Runde Geld zu sparen) war zu stark gegenüber Teams, die normal eingekauft haben. Die Verringerung der Präzision aller Pistolen klingt sinnvoll, macht aber nicht für jede Waffe Sinn - eigentlich müsste man von Waffe zu Waffe gehen und schauen, welche Abschwächung sie denn bräuchte. Weniger Schaden, weniger Munition oder vielleicht tatsächlich weniger Präzision? Je nach Fall ein probates Mittel.
- Eine Abschwächung von Dauerfeuer für AK und M4, um Feuerstöße zu stärken. Aber: Valve reduzierte einfach die Präzision, Dauerfeuer und Feuerstöße wurden gleichermaßen geschwächt und das Ziel damit nicht erreicht - vielmehr ist einfach der Glücksfaktor höher, laut Valve-Statistiken hat sich beim Nutzerverhalten nichts geändert.
Das Ganze klingt absurd. Eine neue Waffe, die man so niemals hätte freigegeben dürfen, und deren Bug reproduzierbar ist? Eine Abschwächung von Pistolen mit der Axt, wenn ein Skalpell nötig wäre? Eine neue Berechnung der Streuung nach dem ersten Schuss, um Feuerstöße sinnvoller zu machen, wobei die Änderung aber auch Feuerstöße entwertet?
Es ist schön und gut, dass Valve am Shooter weiterarbeitet und nicht nur am Balancing schraubt, sondern auch neue Inhalte liefern möchte. Nein, es ist sogar vorbildlich! Wie Valve dabei vorgeht, wird dem Stellenwert des wichtigsten und größten PC-Shooters aber nicht gerecht. Valve scheint wie ein chaotisches Indie-Studio zu arbeiten, statt sich seiner Verantwortung und Erfahrung bewusst zu sein. So sieht es zumindest von außen aus.
Die Antwort folgte natürlich sofort in Form eines riesigen Shitstorms, Bugs und Balance-Probleme des Revolvers mussten per Hotfix angegangen werden. Und dann die vollständige Bankrott-Erklärung: Die Änderungen an Pistolen und Gewehren wurden komplett rückgängig gemacht, das »Versagen« eingestanden, und man muss »ganz offensichtlich« Kommunikation und Arbeit überdenken.
Valve, hier ein paar Vorschläge:
- Testserver: Macht endlich, was eure Kollegen von Blizzard und DICE LA schon lange tun. Lasst Neuerungen auf Testservern ausprobieren, sammelt das Feedback. Die einfachsten Bugs und offensichtliche Balance-Probleme werden so gefunden. Und ein paar Prozent hier und da kann man mit den Daten von Millionen Usern später immer noch nachbessern, um Perfektion zu erreichen.
- Redet mit der Community: Updates sollten eure Fans (eure Kunden!) niemals überraschen. Niemals! Dabei müsst ihr ja gar nicht all eure Pläne sofort detailliert darlegen. Sagt einfach »Wir denken, Eco-Runden sind zu stark und einfach. Wir schauen, was wir da ändern können«. Das Ziel ist damit klar, der Input der Community kommt sofort - die Umsetzung bleibt eure Sache.
- Redet mit den Profis: CS:GO ist ein E-Sport, einer der größten und wichtigsten Titel auf dem Markt. Doch selbst die Profispieler werden im Dunkeln gelassen, was damit als nächstes passiert. Valve, redet mit denen, die für die Beliebtheit eures Shooters verantwortlich sind! Die E-Sportler wissen im Zweifel am besten über jedes Detail Bescheid und kennen jeden Exploit, jede Baustelle.
- Macht klar, was ihr wollt: Die Änderungen an AK und M4 haben noch ein tieferes Problem. Denn während vorne herum behauptet wird, dass es um Dauerfeuer vs. Feuerstöße geht, mag die Balance-Änderungen zumindest teilweise einen anderen Grund haben: Die Waffen werden überproportional häufig genutzt, AUG und SG haben derzeit keinen Platz in aktuellen Counter-Strike-Spielstilen. Vielleicht war es auch der Plan, diese Waffen wieder attraktiver zu machen, dafür gibt es durchaus Indizien - das könnte man aber auch mal so sagen.
- Ändert eure Art der Ansprache: Dass man Updates nicht ankündigt, neue Hardware dem Konsumenten vorenthält und nur ausgewählten Journalisten zeigt und eigene Marken (Was war noch mal dieses Half-Life?) verkümmern lässt, zeugt nicht von einer simplen Markenstrategie. Es ändert auch, wie Valve wahrgenommen wird: Offensichtlich sind der Kunde und seine Wünsche gar nicht so wichtig. Valve macht, was Valve will. Das Ergebnis sind Beschwerden wie jüngst um CS:GO; über Steam Machine, Steam OS und Steam Controller spricht derzeit fast niemand. Und wenn man Half-Life 3 nicht mal erwähnt (und sei es auch nur um zu sagen, dass man es derzeit nicht entwickelt), führt dies nur zu einem Hype, den man niemals wieder in den Griff bekommen wird. Und dem man mittlerweile nicht mehr gerecht werden kann.
Natürlich kann man einen Beschwerdesturm auch mal aussitzen und zur eigenen Arbeit stehen. Und es ist auch verständlich, dass ein Unternehmen nicht mehr täglich auf jedes bereits tausendmal diskutierte Thema eingeht (Half-Life 3).
Aber das kann nicht die einzige Strategie sein. Dafür drehen sich der Markt, die Welt und die Community auch ohne Valves Mithilfe weiter. Die Konsequenzen sind dann mehr als unangenehm und schreien nach einem Umdenken. Und offensichtlich findet dies auch gerade statt, wie das neueste Statement im CS-Blog zeigt:
"Wir haben darin versagt, die Reaktionen der Community [zu den Waffenänderungen] vorherzusehen. Und ganz offensichtlich müssen wir unser Vorgehen und unsere Kommunikationen bei solchen Änderungen überdenken. Wir denken immer noch, dass es das sinnvoll wäre, eine bessere Balance für Pistolen zu haben und mehr auf das Können bei der Benutzung von Gewehren zu setzen. Deswegen hoffen wir, dass wir uns an Gewehre und Pistolen in Zukunft nochmal versuchen können."
Hier mein Wunsch: Ja bitte Valve, versucht es nochmal - eure Absichten sind ja die richtigen. Nur das Wie wirkt bei euch mittlerweile unwürdig, der unterkühlte Typ verkommt zum Pausenclown.
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