Eines der mächtigsten Unternehmen im Spielemarkt benimmt sich wie ein exzentrisches Indie-Studio. Oder, böse gesagt: wie ein Haufen Kommunisten. Es gibt weder Aktionäre noch Quartalsberichte, dafür sind die Angestellten am Unternehmen beteiligt. Der Verzicht auf Abteilungszuordnungen, Hierarchien und Job-Bezeichnungen wird in einem Leitfaden für neue Mitarbeiter schonend erklärt: »Niemand ist dein Boss - und Gabe am allerwenigsten.« Jener Gabe, dem mehr als die Hälfte der Firmenanteile gehören und der 2012 in die Milliardärsrangliste des US-Magazins Forbes aufgenommen wurde.
Jener Gabe, der vor 20 Jahren den gut dotierten Manager-Job bei Microsoft hinschmiss, um mit seinem Freund und Kollegen Mike Harrington ein Spielestudio zu gründen. Ein Studio namens Valve, aus dem durch eine Verkettung von Genialität, Glück und vor allem der Kraft von Online-Communitys die Antriebs(dampf)maschine der PC-Spielebranche wurde. Valve beginnt als Keimzelle von Visionären – und wird eines Tages den PC-Markt beherrschen wie kein anderes Unternehmen zuvor.
Dass Valve mit Half-Life einen legendären Actionklassiker entwickelt hat, ist nämlich fast nebensächlich. Denn der ist nicht das wichtigste Produkt des Unternehmens. Die bei ihrem Start belächelte Onlineplattform Steam läutete eine neue goldene Ära der PC-Spiele ein, bescherte unabhängigen Entwicklern einen Vertriebskanal und seinen Kunden Schnäppchenpreise. Inzwischen gibt es rund 142 Millionen aktive Steam-Konten, fast 7.000 Spiele sind auf der Plattform erhältlich. Marktforschungsinstitute schätzen, dass etwa 75 Prozent aller digitalen PC-Spieleverkäufe über Steam laufen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich im Januar 2016. Zum 20. Geburtstag von Half-Life und dem Artifact-Release (das erste neue Valve-Spiel seit Dota 2 aus dem Jahr 2013!) im November 2018 haben wir ihn aktualisiert.
Valve ist inzwischen sogar unter die Hardware-Hersteller gegangen und bietet ein (leidlich erfolgreiches) Universal-Gamepad namens Steam Controller an, das sowohl mit Windows-PCs als auch dem linuxbasierten Betriebssystem Steam OS funktioniert. Die Firma organisiert das E-Sport-Turnier »The International«, bei dem die Dota 2-Elite um mehrere Millionen Dollar Preisgeld klickt.
Es ist eine Vielseitigkeit, die manchen Fan in den Wahnsinn treibt - denn Valve macht anscheinend alles, außer der überfälligen Fortsetzung zu dem legendären PC-Spiel, mit dem die Geschichte des Studios begann. Und das wohl nie entstanden wäre, wenn man sich nicht einst bei Microsoft gefragt hätte, warum Doom beliebter ist als Windows.
Die Valve-Geschichte, Teil 2
Der Erfolg von Half-Life legt den Grundstein für eine Weltmacht: Aus dem modfreundlichen Shooter entsteht Counter-Strike - und aus Counter-Strike entsteht Steam. Sukzessive baut Valve seine anfangs als bescheidener Patch-Downloader gedachte Online-Plattform weiter aus. Das läuft keineswegs reibungslos: Im zweiten Teil unseres Reports beleuchten wir unter anderem die Proteste über den Online-Zwang von Half-Life 2 und andere Valve-Skandale.
Der Aufstieg von Valve, Teil 2 - Alle Macht dem (Online-)Volke!
Microsoft wundert sich
Der Studienabbrecher Gabe Logan Newell ist der 271. Angestellte in der Geschichte von Microsoft, er betreut als Produzent die ersten Windows-Versionen. 1994 wird er stutzig, als er Verkaufsstatistiken und Umfragen studiert: Das am zweithäufigsten installierte Programm auf PCs ist Windows - hinter id Softwares MS-DOS-Version von Doom. Wie kann das sein? Newell ist mit dem Ego-Shooter bestens vertraut, er bezeichnet sich selbst als »Doom-Fanboy«.
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