Wer glaubt, als Friedhofswärter ab und an mal jemanden unter die Erde zu bringen und ansonsten die Beine hochlegen zu können, der irrt – zumindest, wenn wir unser Tätigkeitsprofil in Graveyard Keeper als Referenz nehmen. In dem ursprünglich 2018 erschienenen Spiel, das wir getrost auch als »Harvest Moon mit Leichen« bezeichnen können, errichten wir unser Friedhofsparadies samt Kirche und Bauernhof.
Außerdem betätigen wir uns als Gärtner, Winzer oder Alchemist und erkunden einen Dungeon, der sich über 15 Ebenen unter der Kirche erstreckt (ein Schelm, wer »Diablo« dabei denkt). Dazu kommen noch die Schwierigkeiten, in die uns die ausgezeichnet geschriebenen Nebencharaktere wie ein kommunistischer Esel und ein sprechender Totenschädel im Rahmen der Handlung immer wieder verwickeln.
Das alles haben wir bereits im ursprünglichen Test zu Graveyard Keeper lobend hervorgehoben. Allerdings gab es auch Kritikpunkte, nämlich den an vielen Stellen zu sehr ausufernden Grind und die langen Laufwege. Doch seitdem ist viel passiert, daher wollen wir die drei bisher erschienenen Erweiterungen Breaking Dead, Stranger Sins und Game of Crone an dieser Stelle einem Nachtest auf Herz, Nieren und andere wiederverwertbarer Organe unterziehen.
Der Autor
Wenn Christian Schwarz sich in einem Spiel wie Harvest Moon oder Stardew Valley verlieren kann, sitzt er mitunter Tage in seinem mentalen »Raum von Geist und Zeit«. Die Mischung aus Bauen, Erkunden, Optimieren und Quests ist für ihn immer wieder eine motivierende Triebfeder. Tauchen dann auch noch schwarzer Humor und schrullige Figuren auf, kann er sich noch schwerer losreißen. Ein zu offensichtlicher Grind sowie unausgewogene Spielanteile können Christian aber auch die beste Bauernhof-Romantik trüben.
Leichen im Keller
Die drei DLCs fügen sich nahtlos ins Hauptspiel ein. Wer das verpasst hat, bekommt hier eine kurze Zusammenfassung: Unser namensgebender Graveyard Keeper ist eigentlich ein ganz normaler Mann, der auf dem Heimweg von einem Auto erfasst wird. Als er zu sich kommt, erwacht er in einer mittelalterlichen Welt.
Dort soll er die Rolle des Friedhofwärters übernehmen, Predigten abhalten sowie sich um Haus und Hof kümmern. Durch Erledigen von Quests decken wir eine durchaus komplexe Hintergrundgeschichte auf. Ziel unseres Protagonisten ist es, ein Portal zu aktivieren und nach Hause zu kommen.
Bis es so weit ist, können aber gut 70 Stunden und mehr vergehen. Zunächst ist es unsere wichtigste Aufgabe, den Friedhof und später auch die Kirche auf Vordermann zu bringen. Dafür sorgen wir mit schönen Grabsteinen und -umrandungen. Neue Leichen bringt bei Bedarf ein Esel, den wir ob seiner Gesinnung direkt »Genosse« nennen können.
Um unseren Job erledigen zu können, brauchen wir vor allem Rohstoffe. Also hacken wir Holz, bauen Stein und Metalle ab, stellen daraus bessere Werkzeuge, Grabsteine, höherwertige Crafting-Materialien sowie Zutaten für Rezepte her.
Alles wird besser mit Zombies!
Hier setzt der kostenlose DLC Breaking Dead an, denn dieser gibt uns die Möglichkeit, Leichen wieder zum Leben zu erwecken, damit sie als willenlose Zombie-Arbeiter das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden (so oder so ähnlich würde es der Esel bestimmt formulieren).
In der Praxis geht das so: Sobald wir in einer Quest das Tor in unserem Keller geöffnet haben, fordert uns ein lautes Stöhnen zur Erkundung auf. An der Wand im Kerker nebenan hängt Gunter, seines Zeichens Untoter mit Bewusstsein, der durch Experimente und einen speziellen Trank erweckt wurde. Praktischerweise erzählt er uns, wie wir aus unserer leblosen Klientel hirnlose Helfer machen können.
Das probieren wir am neuen Wiedererweckungstisch in der Leichenhalle aus und mutieren dann endgültig zu Dr. Frankenstein, indem wir neues Leben in die fauligen Körper hauchen – einschließlich des obligatorischen Stromschlags.
Und ab dann haben wir ganz neue Möglichkeiten! An unerschöpflichen Vorkommen für Ressourcen errichten wir die vorher über den nun noch umfangreicheren Tech-Tree erforschten Abbaustellen für Zombies und platzieren dort bis zu zwei untote Helfer. Da Zombies neben hacken auch besonders gut wanken können, schlurft ein anderer Kollege tagein, tagaus Paletten füllend zwischen Arbeitsstelle und Lager auf dem Hof hin und her.
Aber es wäre nicht Graveyard Keeper, wenn sich nicht selbst hinter diesen Automatismen noch eine verzwickte Komplexität verbergen würde: Um maximal effiziente Diener zu haben, müssen unsere Leichen die höchstmögliche Zahl an weißen Schädeln aufweisen.
An Sezier- und Einbalsamiertisch haben wir viele Möglichkeiten, das angelieferte Material aufzuwerten. Wie bei allem im Spiel zählt auch hier, dass das durchaus Spaß macht und man sich in der steten Optimierung verlieren kann. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es jede Menge Grind erfordert, um perfekte Leichen zu produzieren – und wirklich nötig ist das nicht.
Apropos Grind: Der war ein Hauptkritikpunkt im Test. Ist es mit dem Zombie-Update besser geworden? Klare Antwort: jein. Positiv ist auf jeden Fall, dass wir immer mit Grundressourcen versorgt sind und dass die Ernte direkt in die Taverne oder zum Händler gebracht wird. Negativ ist, dass die Produktionsketten einfach viel zu komplex sind. Da hätte es eine Ebene weniger auch getan. So wird das Problem mit dem Grind nicht gelöst, sondern nur verschoben.
Kommt ein Schädel in eine Bar
Die Automatisierung durch Zombies schafft aber auch Kapazitäten – etwa für die beiden Story-DLCs. Diese integrieren sich ähnlich gut ins Hauptspiel wie die Zombie-Mechanik. Stranger Sins startet, wenn wir unserem nie um einen spitzbübischen Kommentar verlegenen Totenschädel-Sidekick Gerry einen Wein gebracht haben (den er nicht schmecken kann) und er daraufhin mit uns ein Fass voll Cognac ausgraben will (den er ebenfalls nicht schmecken kann).
Statt eines edlen Tropfens stolpern wir über ein mächtiges Artefakt, das uns in nett animierten Ingame-Sequenzen Auszüge aus der Vergangenheit der Dorfgemeinschaft zeigt und so die komplette und sehr komplexe Hintergrundgeschichte von Graveyard Keeper erzählt. Um das Gerät weiter untersuchen zu können, hat Gerry auch gleich eine – im wahrsten Sinne des Wortes – Schnapsidee: Ehe wir uns versehen, haben wir das Land gekauft und darauf die Taverne »Zum sprechenden Schädel« errichtet. Damit der Laden läuft, werten wir die Einrichtung auf, erweitern das Lokal, halten unterschiedliche Events ab und versorgen die Gäste mit Alkohol.
Parallel sind wir auf der Suche nach insgesamt 17 uralten Artefakten, mit denen wir die Sequenzen freischalten. Diese sind um das Dorf verteilt oder in Besitz der Bewohner, was eine Folge von gerade gegen Ende immer nervigeren Hol-, Bau- und Bring-Quests nach sich zieht.
Es ist durchaus positiv, dass die Geschichte des Dorfes beleuchtet wird und die Bewohner mehr Tiefe bekommen. Wenn wir aber bei nahezu jedem Gegenstand mehrere Stellen ablaufen und zwischendrin durchaus komplexe Gegenstände herstellen müssen, die dann doch nicht gebraucht werden, fühlen wir uns selbst wie ein Zombie, der etwa acht Stunden lang nur stumpf von A nach B läuft. Apropos laufen: Das Pendeln zwischen den Orten ist zwar dank Teleportmöglichkeiten angenehmer als im Hauptspiel, aber noch immer pendeln wir in Graveyard Keeper viel zu oft hin und her.
Endlich ein eigenes Lager
Dachten wir bis hierhin, in unserem Job als Friedhofswärter schon alles gesehen zu haben, staunen wir nicht schlecht, als zu Beginn des dritten DLCs Game of Crone eines Morgens der mysteriöse Teodoro neben unserem Bett steht und von seiner Gruppe adeliger Flüchtlinge erzählt, die sich aus Angst vor der Inquisition im Wald unweit der Kirche versteckt hat.
Hilfsbereit, wie wir sind, versorgen wir die Camper wider Willen mit Nahrung, was die Flüchtlingszufriedenheit wachsen lässt. Diese brauchen wir, um neue Gebäude wie Kräutergarten, Gerberei und weitere Zelte freizuschalten. In Nebenquests lernen wir die gewohnt schrägen Bewohner besser kennen und fühlen uns bereits nach kurzer Zeit sehr heimisch unter den obskuren Gestalten.
Game of Crone spielt sich größtenteils angenehm entzerrt, bietet aber dennoch den meisten Inhalt der drei Addons. Statt nur das Flüchtlingslager zu managen, müssen wir noch die Motive einer neuen mysteriösen Inquisitorin aufdecken und außerdem treibt ein Vampir im Dorf sein Unwesen. Als wäre das alles nicht genug, hat sich unser Esel entschlossen, die sozialistische Revolution herbeizuführen – und wir sollen dabei helfen.
Die Handlung gipfelt in drei möglichen Enden, die wirklich unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen. Da leider nur auf einem Speicherstand gespeichert werden kann und der Grind-Faktor im gesamten Spiel sehr hoch ist, werden wohl nur die wenigsten Spieler die etwa zehn Stunden mehrmals durchlaufen.
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