GTA+: Rockstars Abo-Service ist gefährlicher als ihr denkt

Meinung: Mit GTA+ startet GTA Online einen kontroversen Abo-Service im Spiel. Doch die wahre Kontroverse könnte erst noch bevorstehen.

Eigentlich ist Rockstars neuer Abo-Service GTA+ wie dieser vermaledeite LEGO-Stein, auf den man nachts schlaftrunken drauftritt. Es tut saumäßig - und ich meine saumäßig! - weh, geht einem höllisch auf den Zeiger, ist langfristig aber eigentlich nicht weiter wild. Im schlimmsten Fall behaltet ihr ein LEGO-Stein-förmiges Loch im Fuß und könnt euch künftig selbst in LEGO-Sets verbauen (ganz coole Vorstellung eigentlich).

Und GTA+? Auch das sorgt jetzt gerade für ein wütendes, schmerzerfülltes und genervtes Raunen in der Community von GTA Online, könnte aber langfristig genauso egal bleiben wie Bethesdas Fallout First-Abo in Fallout 76.

Im Fall von GTA bezahle ich auf PS5 und Xbox Series X eine monatliche Gebühr von 6 Euro, kriege dafür ein paar Ingame-Rabatte und -Boni sowie 500.000 GTA-Dollar, die 2022 ohnehin so viel wert sind wie ein Pups im Wind, weil Rockstar seit Jahren die eigene Ingame-Wirtschaft inflationiert, damit die Leute die Echtgeld-Währung Shark Cards kaufen.

Eine halbe Million Dollar waren vielleicht vor vier Jahren noch was wert, aber heutzutage? Diverse Autos und Immobilien haben Preisschilder in Millionensumme, weil ich GTA Online idealerweise täglich grinden oder per Mikrotransaktion den Weg abkürzen soll, um diese saftigen Ingame-Karotten irgendwann zu erreichen. Für 6 Euro im Monat bekomme ich demnach ein ziemlich maues Angebot - also wen schert's?

Und genau bei dieser Frage liegt der Hund begraben. Denn die große Gefahr von GTA+ geht gar nicht von Rockstar selbst aus - sondern von allen anderen.

Der Autor: Eigentlich warnt Dimi immer davor, bei jeder Innovation im Gaming-Markt gleich mürrisch und voller Skepsis auf die Barrikaden zu gehen. Denn Trends bringen langfristig auch kreative Bewegung in die Gaming-Branche, selbst wenn Publisher den Bogen gerne mal überspannen. Ohne Battle Passes als allgemein akzeptiertes Season-Modell wären viele Service Games kaum denkbar. Ohne die Jahrespässe von Rainbow Six hätte Siege nie so viele Jahre überlebt. Aber die Dosis macht das Gift - und Dimi will Ende 2022 nicht schon wieder über einen enttäuschenden Spieleherbst klagen, weil irgendein großer Mainstream-Hoffnungsträger sich wegen fragwürdiger Trend-Trittbrettfahrerei als Riesenenttäuschung entpuppt. Jedes Herz bricht irgendwann.

Follow the money

Was sich FBI-Agenten in Mafiakrimis auf die Fahne schreiben, gilt auch für große Spielepublisher: Folge dem Geld. Prinzipiell ist das auch kein Problem, schließlich wollen wir alle Geld verdienen, denn Geld ist wunderschön. Geld finanziert mir die wichtigsten Gegenstände in meinem Leben: meinen Nasenhaar-Trimmer, eine neue minzfarbene Kaffeemaschine und meinen famosen Ultrawide-Montor.

Aber auf Verbraucherebene lassen sich haufenweise Gaming-Shitstürme der letzten Jahre darauf zurückführen, dass Publisher auf die falsche Weise zu viel Geld verdienen wollten.

Lootboxen, miese Preorder-Boni, verfrühte Releases, horrende Mikrotransaktionen, Jahrespässe, Season Passes, käufliche Ingame-Vorteile und, und, und. Im digitalen Zeitalter wurde reichlich mit unserem Geldbeutel experimentiert - und diese Experimente ruinierten manchmal richtig gute Spiele:

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Ist aber alles Schnee von gestern, denn das Hier und Jetzt geht eigentlich weitgehend in Ordnung. In den meisten Spielen kann ich bloß kosmetischen Schnickschnack dazukaufen - als Battle Pass oder als DLC-Bundle -, aber abseits davon wird keine wirklich unschickliche Sau durchs Dorf getrieben, die uns allen die Taschen leerräumt. Ruhe kehrt ein im Monetarisierungsmarkt.

Okay, vielleicht abgesehen vom NFT-Kokolores, da mussten Team 17 und die Stalker-2-Entwickler von GSC allerdings wegen massiven Gegenwinds schneller zurückrudern als der Deutschland-Achter.

Aber ich prophezeie: Abodienste werden diese Monetarisierungs-Ruhe empfindlich stören - im Guten wie im Schlechten.

Das Zeitalter der Abo-Services

Wer in den letzten drei Jahren unter keinem LEGO-Stein gelebt hat, weiß längst: Das Zeitalter der Abo-Services ist gekommen um zu bleiben. Microsofts Game Pass hat sich zu dem Gaming-Angebot neben Steam gemausert - und das in meinen Augen auch völlig zurecht. Hunderte Spiele, darunter brandneue Blockbuster, zum Preis eines Netflix-Abos? So viel Bang für den Buck - um es mal auf Französisch zu sagen - kriege ich nicht mal bei absoluten Steam-Schleudersales.

Klar, das liegt auch daran, dass Microsoft gerade wie ein Staubsauger durch die Gaming-Welt pflügt, um Publisher wie Entwickler mit monströsen Geldsummen aufzukaufen, mit denen man sich alternativ eine eigene Pirateninsel in der Karibik leisten könnte. Mehr dazu erfahrt ihr hier:

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Diese Monopolisierung birgt ihre eigenen Risiken, aber provoziert auf der anderen Seite auch, was wir gerade bei Sony (längst überfällig) sehen: Die Konkurrenz baut ihre eigenen Aboservices auf.

Vielfalt im Abo ist für einen Service wichtiger als die Langlebigkeit eines einzigen Spiels. Vielfalt im Abo ist für einen Service wichtiger als die Langlebigkeit eines einzigen Spiels.

Aber wie wirkt sich das auf die Spiele selbst aus? Klar, kurze Singleplayer-Erfahrungen gewinnen für Publisher an Attraktivität, weil ein Star Wars Jedi: Fallen Order die Leute da ins Abo treibt, wo es vor ein paar Jahren mangels langlebige Service-Game-Monetarisierung in puncto Rentabilität noch gegen ein FIFA abgestunken hätte. Aber GTA+ zeigt einen zweiten Pfad, den ich für äußerst bedenklich halte: Aus einzelnen Spielen Abo-Services zu machen.

Ein selbst erschaffener Markt

Natürlich sind Spiele mit Abo nicht neu - Hallo, World of Warcraft. Aber Monetarisierungen sind ja auch nicht von Natur aus böse, es kommt eben auf die Umsetzung an. Und ein kostenpflichtiges (wenn auch mittlerweile im Preis reduziertes) Spiel mit ohnehin schon horrend hoher Paywall nochmal mit einem kostenpflichtigen Abo zu füttern, das die Spielerschaft in Premium- und Normalo-Community zerteilt ... uff. Das Problem ist: Da kann ich jetzt den ganzen Tag drüber zetern, aber letztlich ist GTA Online genau wie FIFA ein gigantischer Erfolg.

Rockstar setzt auf eine Zielgruppe, die ohnehin nichts anderes als GTA zockt. Wenn davon bloß ein Bruchteil in GTA+ investiert, dürfte sich die ganze Sache schon lohnen, denn letztlich erschaffen die Entwickler hier Werte aus dem Nichts. Den Abo-Mitgliedern einmal im Monat 500.000 Ingame-Tacken in die Taschen zu stopfen, erfordert schließlich keine Produktionskosten, sondern ist letztlich Zahlengeschubse. Verwaltung kostet zwar ebenfalls Geld, aber natürlich deutlich weniger als neue Level oder Missionen.

GTA+ gewährt seinen Mitgliedern diverse Boni, die Normalos nicht kriegen. GTA+ gewährt seinen Mitgliedern diverse Boni, die Normalos nicht kriegen.

Klar gibt's hier Grenzen - und auch die werden durch Geld bestimmt. Wenn GTA Online euch jede Woche eine Million Dollar vor die Füße wirft, kauft niemand mehr Shark Cards. Selbst in einer künstlichen Ökonomie muss es künstliche Knappheit geben, damit das System funktioniert.

Aber Publisher haben noch lange nicht ausgereizt, wie sehr sie ihre Spiele zu virtuellen Einkaufszentren machen können. Und Services wie GTA+ könnten die Branche verführen, hier den Köpper vom Zehn-Meter-Brett zu wagen.

Wenn ein Spiel zum Abo wird

Nehmen wir mal Rainbow Six: Siege, das in Sachen Monetarisierung ja eh wirklich jeden erdenklichen Trend mitnimmt. Erst gab es den kostenpflichtigen Jahrespass sowie kostenpflichtige DLC-Bundles, dann kamen kostenpflichtige Lootboxen, dann zeitliche befristete kostenpflichtige Event-Lootboxen, danach saisonale kostenpflichtige Battle Passes.

2021 wurde der Jahrespass abgeschafft, weil die Leute ja schon viermal im Jahr ihren Zehner für die Battle Passes ausgeben müssen - und 2022, naja, kommt der Jahrespass wieder zurück, aber enthält immerhin alle vier Battle Passes und, hach ...

Rainbow Six: Siege ist im mittlerweile sechsten Content-Jahr der Inbegriff eines erfolgreichen Service Games. Rainbow Six: Siege ist im mittlerweile sechsten Content-Jahr der Inbegriff eines erfolgreichen Service Games.

Ich würde meine Hand zumindest in lauwarmes Wasser halten, dass Ubisoft+ als globales Ubisoft-Abo langfristig keine Zukunft hat und irgendwann im Game Pass aufgeht, aber ein Rainbow Six+? Was hindert Ubisoft denn daran, der Community ein monatliches 6-Euro-Abo anzubieten, das euch Vorabzugriff auf alle neuen Operatoren, 20 kostenlose Stufen im Battle Pass, drei exklusive Skins und ... keine Ahnung, Weihnachtskugeln mit Pistolenmuster gewährt?

Was hindert Entwickler denn an einem Assassin's Creed+ für 5 Euro mit Vorabzugang zu neuen Inhalten sowie exklusiven Skin-Paketen samt Altair-Kapuze und Ezio-Bärtchen? Oder um mal von Ubisoft wegzugehen: Just trudeln Gerüchte ein, dass Call of Duty: Modern Warfare 2 für 2022/2023 irgendeine Art von Abo-Service bekommt. Vielleicht denken sich auch die FIFA-Bosse plötzlich: Verkaufen wir den Ultimate-Team-Enthusiasten doch einfach ein Bonus-Kartenpaket-Abo für 10 Euro im Monat.

GTA Online ist eines der erfolgreichsten Service Games überhaupt, beeinflusst in Sachen Open-World-Design und -Monetarisierung ohnehin seit Jahren die Branche.

Wer hindert die Industrie also daran, sich von GTA+ zu solchen Experimenten inspirieren zu lassen? Letztlich nur ihr.

Ihr seid das Korrektiv

FIFA ist wie oben erwähnt das Paradebeispiel für laute Minderheiten, die letztlich nichts daran ändern können, dass Ultimate Team seit Jahren Geld druckt und deshalb mindestens so lange andauern wird wie die Entwicklung von Star Citizen: bis ans Ende aller Zeiten. Aber umgekehrt gibt's in der Gaming-Welt trotzdem kein stärkeres Korrektiv als die Community.

Lootboxen sind aus den meisten Spielen verschwunden - außer da, wo sie funktionieren. Lootboxen sind aus den meisten Spielen verschwunden - außer da, wo sie funktionieren.

Hättet ihr alle die Lootboxen in Battlefront 2 und Ork-Wundertüten in Mittelerde: Schatten des Krieges durchgewunken, würden wir sie heute in jedem Spiel sehen. Hättet ihr Ghost Recon: Breakpoint lobend auf die Schulter geklopft, würden Assassin's Creed Valhalla und Far Cry 6 jetzt alle paar Monate neue Battle Passes rauskloppen.

Klar, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt, ist jetzt keine große Weisheit. Sollten die wilden Abo-Experimente losgehen, dann liegt es an euch, uns und mir, die Publisher vernünftig einzunorden. Denn Abodienste müssen ja keine Katastrophe sein.

Sie können einen optionalen Mehrwert bieten wie eben bei Star Wars: The Old Republic, wo ich als Free2Play-Spieler reichlich Inhalt bekomme, aber für gewisse Addons und Komfortfunktionen zahlen muss. Oder sie clustern wie eine GOTY-Edition als Rundum-Sorglos-Paket alle kosmetischen monatlichen DLCs, ohne dass aus Gameplay-Sicht irgendein Zwang existiert.

Positivbeispiel für so ein Cluster sind die Paradox-Strategiespiele: Ich kann mir für fast 400 Euro Europa Universalis 4 und Myriaden DLCs gönnen oder ich abonniere das Spiel für 5 Euro im Monat, um Zugriff auf alles zu bekommen. Hier gibt's wirklich eine Alternative für unterschiedliche Spielertypen: Wer wie mein Kollege Reiner 3.000 Stunden in EU4 versenken will, ist am Ende mit dem 400-Euro-Paket sicher besser beraten (ist im Sale ja auch regelmäßig reduziert). Stecke ich stattdessen nur ein Jahr rein, dann komme ich als Abonnent weit günstiger weg.

Die Schattenseiten von Abo-Services

Aber ich will eben unterstreichen, wie wichtig die Community als Korrektiv ist, weil Abo-Services auch richtig unschöne Folgen haben könnten. Beispielsweise, indem sie die Community auf dieselbe Weise spalten wie damals kostenpflichte Multiplayer-Map-Pakete, weil nur Premium-Mitglieder Zugriff auf neue Maps haben oder so. Ein herber Schlag für die wundervollen Crossplay- und Communityfortschritte der letzten Jahre.

Crossplay wie in Call of Duty ist mittlerweile fast Standard. Ein Glück. Crossplay wie in Call of Duty ist mittlerweile fast Standard. Ein Glück.

Und noch wilder: Abo-Services geben Publishern einen perfiden Hebel, das Spiel selbst aufzuspalten. Für meine 60 Euro bekomme ich dann Pommes ohne Mayo und Ketchup, also bloß die popelige Basisversion, zum Beispiel eine kleine Total-War-Kampagne mit zwei von vier Feldherren, begrenzt auf zwei von vier Chaosreiche. Die große Map kriegen dann nur Mitglieder von Total War Premium oder Total War Plus.

Okay, ist bloß wilde Spekulation (und hoffentlich schreibt niemand von Creative Assembly hier Ideen mit), aber wenn die falschen Spiele plötzlich auf die falsche Art zu Abo-Services werden, belastet das nicht nur euren Geldbeutel. Und hier steckt eigentlich die größte Tragödie: Ich habe als Fan zu oft darunter gelitten, dass ein eigentlich gutes Spiel durch monetäre Praktiken und Trendhascherei zum Frankenstein-Monster wird.

Breakpoint, Battlefront 2 und Battlefield 2042 sind ja nicht einfach Produkte wie Zahnpasta, sondern kreative Visionen hunderter Leute, die von zig Faktoren beeinflusst werden. Und wer Indiana Jones 3 gesehen hat, kennt den riskanten Griff zum Heiligen Gral: Wer zu sehr die nächste Gelddruckmaschine zusammenzimmern will, landet am Ende bei Battlefield 2042 und opfert eine eigentlich spannende Erfahrung irgendwelchen Trend-Götzen.

Aber gut, noch ist es ja nur GTA+. Noch wüten nur die Fans von GTA Online, die nach dem mauen Next-Gen-Release und der noch maueren GTA Trilogy ohnehin stimmungsmäßig irgendwo zwischen Parkstraße und Gehen Sie direkt ins Gefängnis rumdümpeln. Aber wie schon der italienische Rapper Ovid damals gesagt hat: Wehret den Anfängen.

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