Seite 2: Octopath Traveler im Test - Famoses Oldschool-JRPG, überzogener Newschool-Preis

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Geschichte für alle

Die innovative Erzählweise von Octopath Traveler hat allerdings nicht nur Vorteile. Wer von einem JRPG in erster Linie monumentale, Universen und Zeitalter umspannende Geschichten im Stil von Final Fantasy oder Dragon Quest erwartet, dürfte von den ebenso kurzen wie bodenständigen Einzelschicksalen eher enttäuscht werden.

Weil wir die Hintergrundgeschichten unserer Helden quasi selber spielen, entwickeln wir zu ihnen eine engere Bindung als in den meisten anderen JRPGs. Weil wir die Hintergrundgeschichten unserer Helden quasi selber spielen, entwickeln wir zu ihnen eine engere Bindung als in den meisten anderen JRPGs.

Uns haben die vielen kleinen Abschnitte aber eher bei der Stange gehalten als abgeschreckt. Zum einen halten sie uns neugierig, weil jede Geschichte anfangs nur angeschnitten wird. Zum anderen haben die Kapitel mit ein bis zwei Stunden die optimale Länge, um abends eine Runde zu spielen und mit einem Gefühl von Abschluss ins Bett zu gehen.

Weil die ersten Kapitel der Helden als Einführung der Spielmechaniken und der Figuren dienen müssen, ähneln sie sich stark in ihrer Grundstruktur. Aber schon in den zweiten Kapiteln wird das Story-Korsett gelockert, hier laufen die Geschichten bereits in Handlung und Mechaniken weiter auseinander.

Neben den jeweiligen Hauptstorys warten allerlei Nebenquests auf uns, die mit den Talenten der Figuren gelöst werden. Sie erfinden das Rad nicht neu, führen uns bisweilen aber in noch unbekannte Dungeons. Lassen wir die Nebenquests links liegen, sitzen wir übrigens um die 40 Stunden an Octopath Traveler. Kümmern wir uns hingegen um unsere Mitmenschen und bauen eventuell noch die versteckten vier Laufbahnen aus, sind wir locker bei 60 bis 70 Stunden.

Wer die Augen offen hält, stolpert in der von Anfang an frei erkundbaren Spielwelt über jede Menge Nebenquests, die meist allerdings deutlich uninspirierter inszeniert werden als die Hauptgeschichten. Wer die Augen offen hält, stolpert in der von Anfang an frei erkundbaren Spielwelt über jede Menge Nebenquests, die meist allerdings deutlich uninspirierter inszeniert werden als die Hauptgeschichten.

Und jetzt ist es Zeit für die große Frage: Wenn das Spiel schon von acht Pfaden handelt, treffen die Geschichten der Helden dann auch aufeinander? Nicht direkt. Zwar teilen sich die Figuren einige Orte, in den Stories selbst taucht aber immer nur die aktuelle Hauptfigur auf. Und auch die Handlungsfäden selbst sind nur äußerst lose miteinander verknüpft.

Insbesondere bei den jeweiligen Endkapiteln lässt Octopath viel erzählerisches Potenzial unausgeschöpft. Ganz am Ende wartet jedoch noch eine Überraschung, die wir hier zwar nicht spoilern wollen, die unserer Meinung nach aber die Geschicke der Helden zumindest ein bisschen zusammenführt.

Ganz wie früher … oder doch nicht?

Sobald wir unterwegs in einen Zufallskampf geraten (Feinde sind auf der Karte nicht sichtbar), fühlen sich JRPG-Fans wie zuhause. In rundenbasierten Schlachten kämpfen wir gegen immer stärkere Feinde und müssen dabei darauf achten, deren Schwächen auszunutzen. Statuswerte wie Geschwindigkeit, aber auch besondere Attacken bestimmen, wer zu welchem Zeitpunkt angreift - oder eine Runde aussetzen muss.

Letzteres können und müssen wir provozieren, indem wir gezielt die jeweiligen Schwachstellen der Monster attackieren, etwa mit dem Klassiker Feuerzauber gegen Pflanzenmonster. Damit brechen wir die Deckung unserer Feinde, was sie bewegungsunfähig und anfälliger für Schaden macht.

Wer die Schwächen seiner Feinde nicht gezielt attackiert, gelangt in den anspruchsvollen Kämpfen von Octopath Traveler schnell an seine Grenzen. Wer die Schwächen seiner Feinde nicht gezielt attackiert, gelangt in den anspruchsvollen Kämpfen von Octopath Traveler schnell an seine Grenzen.

Die Kämpfe in Octopath Traveler haben zusätzlich drei besondere Kniffe. Zum einen ist es möglich, sogenannte Boost-Punkte zu sammeln, mit denen wir doppelt, dreimal oder viermal so stark angreifen.

Zum anderen sehen wir die Gesundheitsbalken unserer Feinde nicht. Das führt dazu, dass wir nicht einschätzen können, wie lange wir im Kampf gegen Bossgegner noch durchhalten müssen. Lohnt es sich, unseren Damage Dealer ein paar Runden aussetzen zu lassen, damit er zu einem vernichtenden Schlag ausholen kann? Oder hat der Gegner eh nicht mehr viel Energie und lässt sich auch mit einem einfachen Messerstich in die Knie zwingen?

Und zuletzt müssen auch die besonderen Fähigkeiten unserer Figuren in Betracht gezogen werden. Primrose kontert beispielsweise in 50 Prozent der Fälle, wenn sie angegriffen wird, die Jägerin H'aanit haut mit der gleichen Wahrscheinlichkeit direkt doppelt zu.

Die Bosskämpfe werden vor allem im späteren Spielverlauf richtig knackig und dauern schon mal 15 Minuten und länger. Die Bosskämpfe werden vor allem im späteren Spielverlauf richtig knackig und dauern schon mal 15 Minuten und länger.

Die Mechaniken fühlen sich bekannt genug an, damit JRPG-Kenner sich direkt zurechtfinden. Gleichzeitig streut das Spiel aber auch genügend neue Elemente ein, um interessant zu bleiben. Zusammen mit den Bosskämpfen an sich, die gerne mal 15 bis 20 Minuten dauern können, gehört das Kampfsystem zum taktisch komplexesten und spannendsten, was Japan-Rollenspiele aktuell zu bieten haben.

Das alles geht auch auf dem PC locker von der Hand. Zwar ist Octopath Traveler spürbar auf Gamepad-Bedienung ausgelegt, da es aber nie Zeitdruck gibt, kommen wir auch mit der frei konfigurierbaren Tastatursteuerung problemlos klar.

Pixel treffen auf 3D-Welten

Auch bei der Optik wählt Octopath Traveler seinen ganz eigenen Mittelweg aus alt und neu. Auf den ersten Blick erinnert der Retro-Pixel-Look ganz bewusst an 16-Bit-JRPG-Klassiker wie Chrono Trigger oder Final Fantasy 6, überrascht aber gleichzeitig auch immer wieder mit modernen Grafikeffekten, was einen anfangs irritiert, aber nach kurzer Eingewöhnung wie aus einem Guss wirkt und eine enorm stimmungsvolle Atmosphäre erzeugt.

Und die ist in jeder Gegend anders. Schneewüsten wechseln sich mit tatsächlichen Wüsten ab, düstere Tropfsteinhöhlen verbinden freundliche Küstenstädte mit tiefen Wäldern. Die Mischung aus 3D-Texturen und Pixeloptik sorgt für zusätzliche Details. Ein Schneesturm wirkt beispielsweise doppelt so schön, wenn im Schein unserer Laterne immer wieder Eiskristalle aufblitzen, und auch das Meer sieht so einladend aus, dass wir direkt einen Pixel-Zeh hineinstecken wollen.

Octopath Traveler kombiniert Pixelgrafik mit modernen Grafikeffekten, was anfangs gewöhnungsbedürftig ist, aber eine ganz eigene Atmosphäre entwickelt. Octopath Traveler kombiniert Pixelgrafik mit modernen Grafikeffekten, was anfangs gewöhnungsbedürftig ist, aber eine ganz eigene Atmosphäre entwickelt.

Bei allem Lob ist die Optik allerdings Geschmackssache. Nicht jeder mag knubbelige Minihelden, die durch eine bunte Pixelwelt marschieren. Wen die schon in Chrono Trigger genervt haben, für den werden es auch die modernen 3D-Effekte nicht rausreißen. Und trotz aller Stilsicherheit muss sich Octopath Traveler bei einem Preis von 60 Euro den Vergleich mit JRPG-Blockbustern wie Dragon Quest 11 oder Ni No Kuni 2 vergleichen lassen, die technisch eben doch mehrere Ligen höher abenteuern.

Bei der PC-Umsetzung gibt sich Square Enix dafür keine Blöße, die portierungsfreundliche Unreal Engine 4 (kein Scherz!) macht's möglich und erlaubt sogar recht umfangreiche Grafikeinstellungen. Wobei Octopath Traveler moderne PCs natürlich auch in keinster Weise ausreizt.

Die PC-Version von Octopath Traveler läuft ebenso stabil wie flüssig und erlaubt sogar diverse Grafikeinstellungen. Die PC-Version von Octopath Traveler läuft ebenso stabil wie flüssig und erlaubt sogar diverse Grafikeinstellungen.

Über jeden Zweifel erhaben ist hingegen der Orchester-Soundtrack: Aufpeitschende Kampfmusik, individuell an die Orte angepasste Melodien und eine auf Wunsch japanische Sprachausgabe geben unseren Ohren alles, was sie von einem klassischen JRPG erwarten, allerdings ohne die teilweise schon überstrapazierten Retro-Chiptunes.

Und so schafft Octopath Traveler auch hier das bemerkenswerte Kunststück, einerseits unsere Retroreize zu kitzeln, uns andererseits aber trotzdem immer wieder zu überraschen. Egal mit welchem Helden.

GameStar Plus Podcast über JRPGs: Rollenspiele jenseits des Tellerrands

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