Ist Technologie der Schlüssel?
Der Fortschritt bringt neue Nachfrage nach neuen Produkten und folgerichtig neue und umfangreichere Produktionsketten. Wir bauen Möbel, produzieren Getränke und machen in Bekleidung - bis hin zum ultimativen Ziel, dem Verkauf von Auto- oder Computer-Prototypen.
Alle Zwischenschritte und Produktionsstufen müssen wir allerdings vorher in einem umfangreichen Techtree erforschen, was Geld und Zeit kostet. Okay, die ersten drei Technologien sind kostenlos, danach müssen wir aber investieren.
Zu diesen Technologien gehören auch Fabriken, die Umweltschäden eindämmen. Luft- oder Chemiereiniger begrenzen den Schaden, den die Emissionen und andere Verschmutzungen einiger Fabriken anrichten. Die Folgen sind beträchtlich, wenn wir das nicht tun: Produktionen werden stillgelegt und Geisterstädte entstehen. Ein schönes kleines Feature, das aber leider ebenfalls nicht verhindern kann, dass uns schnell die mangelnde Tiefe des Spiels bewusst wird.
Mangel an Information ist ungleich Komplexität
Denn es ist allein der Mangel an guten Informationen über die zugrundeliegenden Mechaniken, die das Spiel zu Beginn überwältigend komplex erscheinen lassen. Es gibt keine Profitanzeige für einzelne Handelsrouten und die Bilanz zeigt nur den aktuellen und den letzten Monat in einigermaßen nachvollziehbaren Zahlen an.
Eine Produktionsübersicht gibt zwar Kosten und Profit unserer Produktionsketten an, wir gewinnen daraus aber so gut wie keine verwertbaren Erkenntnisse. Die eigentliche Budget-Übersicht besteht zudem ausschließlich aus Kurvendiagrammen: Wir müssen uns Zahlen mühsam selbst zusammensuchen und für eine gute Übersicht und diverse Berechnungen zur Produktivität und Auslastung nebenbei eigene Excel-Tabellen führen.
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Dachten wir zumindest. Denn als wir überraschend nach drei Spieljahren (die Spielzeit lässt sich in mehreren Stufen beschleunigen) unser Startkapital wieder zurückzahlen sollten, wurde klar, dass die Kosten uns schneller auffressen als ein Hedge-Fond. Also starteten wir eine zweite Spielrunde.
Hatten wir vorher noch versucht, die unterschiedlichen Produktionszeiten von Produkten durch ausgefeilte eigene Berechnungen (Excel!) nachzuvollziehen, um ähnlich wie im hervorragenden Anno 1800 hocheffiziente Produktionsketten und perfekte Auslastungen zu generieren, ignorierten wir das nun geflissentlich.
Entblößt und entzaubert
Wir schauten uns zuerst die Bedürfnisse der nächsten Stadt an und begannen, so viele Produkte wie möglich mit so wenig Aufwand wie möglich herzustellen. Dazu brauchen wir nur das hilfreiche Rezeptbuch, das die Produktionsketten anzeigt: Zweimal Cider benötigt beispielsweise einmal Äpfel und einmal Zucker. Nach drei Stunden bei zehnfacher Geschwindigkeit und ganz simpler Abarbeitung einer Produktionskette nach der anderen waren wir Milliardäre.
Durch entsprechende Forschung dauerte die weitere Freischaltung neuer und fortgeschrittener Produkte nur noch Sekunden, der Techtree war in weniger als fünf Stunden Spielzeit voll erschlossen. Aufträge, die als Events zwischendurch aufploppten (beispielsweise die Lieferung von Wandplatten an eine bestimmte Stadt), wurden völlig uninteressant, denn das Geld sprudelt auch ohne Zusatzeinkünfte.
Die erste Stadt war im Handumdrehen eine Metropole, die zweite belieferten wir einfach über Truck-Depots. Und bei der zigsten Auktion für Baugenehmigungen in neuen Regionen der prozedural generierten Karte stellte sich eine Frage immer nachdrücklicher: Warum? Warum soll ich noch eine Produktionskette aufmachen? Wozu noch eine Nachfrage erfüllen, wenn ich mit ein paar Produkten einfach warten kann, bis eine Stadt ausgewachsen ist? Wieso soll ich weitere Regionen erschließen?
Hinter der vorgetäuschten Komplexität verbirgt sich leider nur ein Produktionskettensimulator mit dem Tiefgang eines Smartphone-Spiels. Hat man einmal hinter die Fassade geschaut, ist Rise of Industry völlig entzaubert und enttäuscht mit geradezu roher Simplizität. Der coole Low-Poly-Look und die gute Stabilität und Performance können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dem Spieldesign an jedweder Finesse mangelt.
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