Wer 2023 die eigene Stromrechnung geöffnet hat, weiß: Enttäuschungen tun weh.
Aber existenzgefährdend hohe Lebenserhaltungskosten sind natürlich pillepalle verglichen mit dem wahren Aufreger: Dass ich mich nicht mal mehr in Videospielen davon ablenken kann, wenn gefühlt jedes neue, große PC-Spiel von mehr technischen Problemen geplagt wird als diese eine Kinder-Kinovorstellung 2010, in der statt Rapunzel versehentlich Saw gezeigt wurde!
Aber ironischer Galgenhumor mal beiseite: Der katastrophale Zustand aktueller PC-Portierungen oder -Releases (wie zuletzt bei The Last of Us) ist tatsächlich ein Unding, das allmählich besorgniserregende Ausmaße annimmt. Schaut euch nur mal alle elf größeren Releases des bisherigen Jahres 2023 an:
- The Last of Us
- Resident Evil 4 Remake
- Hogwarts Legacy
- Wo Long: Fallen Dynasty
- Das neue Die Siedler
- Company of Heroes 3
- Atomic Heart
- Returnal
- Dead Space Remake
- The Callisto Protocol
- Forspoken
Wisst ihr, wie viele davon unter massiven technischen Problemen litten? Sieben. Von elf. Das sind ... Sekunde ... Taschenrechner ... Telefonjoker ... 63 Prozent! Und da klammere ich noch unbekanntere Totalausfälle wie diesen hier aus:
Diese Liste lässt sich nach 2022 mühelos fortsetzen. Selbst PC-Platzhirsche wie Total War: Warhammer 3 litten zum Launch unter derben Performance-Problemen.
Und dann gab's da noch Call of Duty Modern Warfare 2, das zum Release auf vielen Rechnern aussah wie ein LSD-Trip und selbst Monate später noch Probleme fixen musste.
Oder gleich neue reinpatchte, denn ich musste diesen Brocken von einem Spiel mittlerweile zweimal neu installieren, nachdem Patches mir Farbenkleister, Ruckler oder permanente Abstürze reinrepariert
haben.
Da stellt sich die große Frage: Was ist denn da los?
Wieso erscheinen Spiele so verbuggt?
Die Frage ist aktuell gar nicht so leicht zu beantworten, denn für verbuggte PC-Versionen finden sich seit Jahren die immer gleichen (und auch richtigen) Argumente:
- Hunderte Konfigurationen: Statt einem Set an Hardware und Software wie bei den Konsolen musst du dich als Entwickler auf unendlich viele Kombinationen aus Grafikkarte, Prozessor, Arbeitsspeicher und Treibersoftware einstellen.
- Dezentrale Entwicklung: Auf allen Plattformen werden Spiele technisch komplexer. Große Studios müssen häufig Teams aus über 2.000 Köpfen verteilt über den ganzen Globus koordinieren.
- Komplexere Engines: Gerade Blockbuster-Produktionen werden aufwändiger und aufwändiger. Engines bekommen immer neue Features, die technischen Ansprüche wachsen, aber passend dazu skalieren natürlich auch mögliche Fehlerquellen.
- Externe Studios: Gerade PC-Ports werden häufig von externen Studios entwickelt, beispielsweise jetzt das Remake von The Last of Us oder das Remaster von The Outer Worlds. Hier können manchmal große Übergabe-Probleme auftreten.
- Spiele müssen nicht mehr so fertig erscheinen: Im Zeitalter von Steam und Co. können Produkte deutlich granularer gepatcht und auch nach Release verbessert und erweitert werden. Zynisch gesprochen ist der Release auch monetär nicht mehr ganz so wichtig wie früher, weil Mikrotransaktionen, Battle Passes und Co. über den Launch hinaus Geld in die Kassen spülen.
Nur ... galten alle diese Argumente auch schon vor fünf Jahren. Klar, da hatten wir andere Probleme, Lootboxen und derlei Quatsch, aber PC-Releases waren technisch deutlich zuverlässiger als jetzt.
Und Release-Verkaufe sind nach wie vor eine extrem wichtige finanzielle Kennzahl, Publisher werden nicht einfach sagen: Ja gut, dann pfeif halt auf eine saubere PC-Version, guter Wein reift ja auch erst über Jahre.
Ich habe mich auch bei Tech-Kollege Nils rückversichert: Spiele haben 2022 und 2023 nicht plötzlich einen Drei-Meter-Sprung hingelegt und sind technisch nun deutlich aufwändiger als vor ein paar Jahren - Next Gen hin oder her. Wo Long sieht zum Beispiel rein optisch deutlich schlechter aus als viele Blockbuster 2018.
Und dass ein lineares Spiel wie The Last of Us auf dem PC 15 Minuten lang Shader kompilieren muss ... ja, Programmierung ist kompliziert und ich bin nie über Delphi für Kids hinausgekommen, aber das wirkt trotzdem nicht verhältnismäßig.
Weil ich mit der Statur einer stämmigen Bowlingkugel leider in keinem Studio Mäuschen spielen kann, bleiben mir bloß die Hinweise, die die Studios selbst hergeben. Und die deuten zumindest auf eine Ursache für die aktuellen Probleme hin: strukturelle Fehlentscheidungen.
Was ist los bei den Studios?
Wir lesen immer wieder von großen Dysbalancen in der Spieleentwicklung. Zu enge Zeitpläne zwingen die Teams zum Crunch, Spiele wie Battlefield 2042 oder Halo: Infinite werfen halb in der Entwicklung um, was sie eigentlich sein wollen.
Wir lesen von Entlassungen, Umstrukturierungen - und dann gab es ja noch Covid. Selbst die besten Team-Manager dürften die Folgen einer weltweiten Pandemie nicht vorausgesehen haben, dafür habe ich als Kunde natürlich Verständnis.
Aber allmählich muss sich dieser Trend umkehren, sonst beschädigt er dauerhaft unser Verhältnis als Community zu den Entwicklern. Ich erinnere mich an die Zeiten von 2008 bis etwa 2012, als PC-Spieler wie ich sich sehr häufig als die eher unwichtigen Kunden fühlten.
Ports wie damals fürs erste Dark Souls waren oft ein Totaldesaster - und selbst funktionierende PC-Spiele wie Ghost Recon: Future Soldier waren so stark auf Konsolenbedienung hin optimiert, dass ich als PC-Kunde kaum drei Regler verstellen konnte.
Ich bin so froh, dass diese Zeiten eigentlich vorbei sind! Wir blicken jetzt auf fantastische PC-Umsetzungen wie Returnal mit derart umfangreichen Menüs, dass selbst Münchener Edelrestaurants dagegen wie Pommesbuden wirken.
Schon Assassin's Creed Origins hatte 2017 enorm viele Einstellungen; und selbst Ultrawide-Exoten wie ich können mittlerweile fast schon davon ausgehen, dass neue PC-Spiele in 21:9-Auflösungen laufen. PlayStation- und Xbox-Spiele erscheinen fast schon standardmäßig auch für den Rechner - und ich wünsche mir so sehr, dass dieser Trend sich fortsetzt. Aber aktuell steht er so sehr auf der Kippe wie ewig nicht. Und das ist ein Jammer!
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