Sea of Solitude im Test - Zu viel der Worte

Das Action-Adventure Sea of Solitude baut eine bildgewaltige Welt rund um unsere innersten Ängste auf, entzaubert sie aber viel zu oft durch Holzhammer-Erklärungen.

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Sea of Solitude überzeugt im Test vor allem durch seine Atmosphäre, zeigt aber Schwächen beim Storytelling. Sea of Solitude überzeugt im Test vor allem durch seine Atmosphäre, zeigt aber Schwächen beim Storytelling.

Sea of Solitude hätte gut daran getan, von Dark Souls zu lernen. Nicht, was die viel zitierte Schwierigkeit angeht oder die fiesen Bosskämpfe. Vielmehr macht ausgerechnet Dark Souls vor, welche Art des Geschichtenerzählens am besten zu Sea of Solitude gepasst hätte.

Dabei ist das düstere Action-Rollenspiel dafür bekannt, überhaupt keine richtige Story zu haben. Dafür verstecken sich die Infos zu Mythologie und Hintergründen in Dialogen oder Item-Beschreibungen, die Spieler erst mühsam aufdröseln müssen. Aber Dark Souls erschafft so eine atmosphärisch intensive und faszinierende Welt, über die Spieler auch unbedingt mehr erfahren wollen.

Was hat das mit Sea of Solitude vom deutschen Indie-Entwickler Jo-Mei zu tun? Nun, auch das bietet eine interessante Welt. Die spielt in ihrer Bildsprache bewusst mit unseren Ängsten, Sorgen und Wünschen. Während wir denen in Dark Souls jedoch in mühevoller, aber motivierender Kleinarbeit selbst auf den Grund gehen dürfen, liefert Sea of Solitude uns meistens gleich eine - obendrein ziemlich uninteressante - Antwort mit.

Sea of Solitude - Screenshots aus der PC-Version ansehen

GameStar-Podcast: Die E3 hinter den Kulissen mit Sea of Solitude und mehr

Stadt der Ängste

Wir begleiten die junge Kay, die sich mit ihrem treuen Boot einen Weg durch eine überschwemmte Stadt bahnt. Offenbar handelt es sich um ihren Heimatort, aber Kay erinnert sich nur lückenhaft daran, was passiert ist.

Diese Stadt ist kein realistischer Schauplatz, sondern eine Art Traumwelt, in der Kay und ihre Familie gemeinsam frühere Traumata wie die Scheidung der Eltern überwinden.

Auf unserer Reise begegnen wir deshalb mehreren Gestalten, die uns beim Erinnern und verarbeiten der Geschehnisse in Kays Vergangenheit helfen. Da ist zum Beispiel das fliegende Mädchen, das wie eine glückliche Version der Heldin erscheint. Oder Kays kleiner Bruder, der als riesiger Krähenvogel durch die Lüfte gleitet.

Das ist eine starke Grundidee, die auf der Bildebene auch großartig umgesetzt wird: Der Vater, der sich stets anpasst und es allen recht machen will, ist zum Beispiel ein riesiges, monsterartiges Chamäleon geworden. Die Mutter, die alles kontrollieren will, taucht als Krake mit stützenden, aber eben auch einengenden Tentakeln auf.

Kays Angst vor dem Ungewissen wird durch ein Seemonster dargestellt, das bedrohlich unter der Wasseroberfläche gleitet. Und die Schulhof-Schläger, die Bruder Sunny plagen, werden zu grausigen Schatten, die uns jagen und Drohungen flüstern.

Kay und ihre Familie wurden in Monster verwandelt. Kay und ihre Familie wurden in Monster verwandelt.

GameStar-TV: Wie geht gutes Storytelling in Spielen?

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

Rein auf der metaphorischen Ebene schafft es Sea of Solitude durch diese Darstellungen wunderbar, nachvollziehbar Gefühle wie Einsamkeit und Verlorenheit, Depressionen sowie Verlust- und Bindungsangst darzustellen.

Allerdings lässt es das Action-Adventure nicht dabei bewenden, sondern fügt immer wieder vertonte Story-Schnipsel und Dialoge ein, die Hintergründe erklären sollen.

Das schadet dem Spiel eher, weil die Texte eine sehr plumpe Holzhammer-Methode benutzen, wenn es darum geht, die Gefühle und Situationen zu erklären. Beispielsweise versucht Sunny seiner Schwester Kay in einem Rückblick von seinen Sorgen in der Schule zu erzählen. Kay ignoriert ihn aber und lacht sich stattdessen über eine SMS von ihrem Freund tot, wofür sie sich später Vorwürfe macht.

In einer anderen Szene tauschen die auseinander gelebten Eltern wiederum etwas holprige Dialoge darüber aus, dass man sich ja immer noch liebe, aber mehr Freiraum brauche. All das hat man so oder sogar besser schon in zahlreichen Filmen, Büchern oder Spielen gehört oder gelesen. Nichts davon ist unrealistisch oder unglaubwürdig, aber das meiste einfach überflüssig - man versteht die Geschichten eigentlich auch so.

Die Entwickler füllen damit jeden Interpretationsspielraum des Spielers aus und nehmen ihm damit auch ein Stück weit die Chance, die eigenen Gefühle hineinzulesen. Das lässt Sea of Solitude deutlich an emotionaler Wucht verlieren. Aus einem berührenden »Das ist ein Spiel über mich!«-Gefühl wird so schnell ein teilnahmsloses »Die soll sich nicht so haben«.

129 Sekunden für Sea of Solitude - Dieses Spiel lockt EA nach Deutschland zurück Video starten 2:09 129 Sekunden für Sea of Solitude - Dieses Spiel lockt EA nach Deutschland zurück

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