Zehntausende Open-World-Entwickler leben in Angst. In der Angst nämlich, dass nur ein Bruchteil der Spieler all das sieht, was in ihren riesigen Welten steckt. Dass viele Spieler an ausgefeilten Quests vorbeireiten, liebevoll arrangierte Schauplätze übersehen und verbuddelte Schätze verbuddelt lassen, weil sie niemals auf die Idee kämen, danach zu graben.
Um diese Angst zu lindern und nachts in der sanften Gewissheit schlafen zu können, dass alles, wirklich alles, was sie in ihre Welten gepackt haben, auch wirklich gesehen und gefunden wird, greifen Entwickler zu einer kleinen, aber mächtigen Waffe: dem Symbol. Vor allem Ubisoft pflastert seine Übersichtskarten gerne mit absurd vielen Markierungen, die uns in Assassin's Creed Unity regelrecht erschlagen: Hey, da drüben ist ein Laden und da vorne kannst du einen Dieb fangen und da hinten ein Nostradamus-Rätsel lösen!
Bethesda gibt sich dezenter und lotst uns in Skyrim, Fallout 4 & Co. erst dann mit Kompass-Symbolen zu Schauplätzen, wenn wir in deren Nähe sind: Pst, du da, hier ist eine Höhle, könnte interessant sein! The Witcher 3 besitzt immerhin den Anstand, manche »Guck mal hier«-Fragezeichen erst dann auf die Karte zu drucken, wenn Geralt an einem schwarzen Brett vom zugehörigen Auftrag erfahren hat.
Alles schön und gut, doch eine Markierung ist letztlich nur dann sinnvoll, wenn es dort auch etwas Interessantes zu erleben gibt. Womit wir bei der Frage wären, wie man offene Welten mit gutem Gameplay füllt. Ein kleiner Spoiler: Vielleicht macht das in Zukunft gar kein Designer mehr - sondern eine KI.
Großer Report: So funktioniert Open World
In unserem großen Hintergrund-Report erklären wir, was Open-World-Spiele so reizvoll macht, wie sie entwickelt werden, wie man sie am besten mit Gameplay füllt, und was uns in den offenen Welten der Zukunft erwarten könnte.
Teil 1:Wie offene Welten mit unseren Urinstinkten spielen
Teil 2:Wie groß muss eine Open World sein?
Teil 3:Was offene Welten glaubwürdig macht
Teil 4:Open Worlds und das Story-Dilemma
Teil 5:Sandbox und die Zukunft der Open World
Open World ist Arbeit
Wie man Open Worlds mit schlechtem Gameplay füllt, mit Abhak-Quests und Sammelaufgaben, wissen wir aus leidvoller Erfahrung. Für den Kulturwissenschaftler Christian Huberts ist der Arbeitsfokus vieler Open-World-Spiele keine Überraschung: »Der Hang dazu, Gameplay mit dem Erbringen von Arbeitsleistung gleichzusetzen, ist ja im Grunde genommen schon in der Geschichte des Mediums angelegt. Computer waren von Beginn an Arbeitsgerät, das zum Spielen nur zweckentfremdet wurde. Daher können wir selbst in modernen Games noch problemlos die ursprünglichen Aufgabenbereiche des Computers wiedererkennen. Simulation, Mustererkennung, Logistik, Wegfindung und die Automatisierung repetitiver Tätigkeiten etwa.«
Viele dieser Aufgaben lägen nun in der Hand der Spieler - Feinde erkennen, Ressourcen managen, Labyrinthe navigieren, endloses Grinding und Sammeln. Der Inhalt dieser Spiele habe aber schlicht ein so extremes Ausmaß erreicht, dass er häufig nur noch für Stress und nicht mehr für Befriedigung sorge.
Diese Entwicklung erklärt sich der Kulturwissenschaftler mit dem aktuellen ideologischen Fokus in der Spielkultur, der auf der Leistung (»merit«) liege. Der Rhetorikforscher Christopher A. Paul schreibt in seinem Buch »The Toxic Meritocracy of Video Games« über den Leistungsfokus vieler Spiele auf ihre Spieler, und wie dieser sich dann zurück auf Spiele auswirkt.
»Weil Computerspiele Leistung verlangen und belohnen, erziehen sie die Spieler dazu, nur noch Leistung in Games wertzuschätzen und langfristig alles abzulehnen, was sich nicht oder nur schlecht als Leistung messen lässt.«
Laut Huberts spiegelt sich diese Ablehnung auch in der Sprache wider: andere Spielkonzepte wie lineare Abenteuer würden als »Schlauchlevel« diffamiert werden, Titel, in denen man umherwandert, als vermeintlich langweilige »Walking-Simulatoren« abgewertet. Und wie macht man Leistung am besten sicht- und fühlbar? Indem man Aufgaben erteilt, Häkchen ins Questlog kritzelt und Belohnungen dafür ausschüttet.
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