Streitgespräch zu Steam - Steam ist ein Fluch

Steam ist ein Quasi-Monopol. Und Monopole schaden dem Markt, sagt Michael Graf.

Monopol. Schon alleine das Wort klingt böse, nach Unterdrückung, Ausbeutung, steigenden Benzinpreisen und zigarrenschmauchenden Dickwänsten, die Öltankern lächelnd beim Sinken zuschauen. Gut, so schlimm ist es mit Steam noch lange nicht. Dennoch kontrolliert Valve einen signifikanten Teil unseres Hobbys; wer auf dem PC spielen möchte, kommt an Steam kaum vorbei.

Und zwar gezwungenermaßen, die meisten an die Valve-Plattform gebundenen Spiele gibt es sonst nirgendwo, nur ein paar Ausreißer verirren sich auf andere Plattformen oder gar kopierschutzfrei auf Gog.com. Steam schränkt unsere Wahlfreiheit also empfindlich ein - das Merkmal eines Monopols. Eine Monopolstellung bringt allerdings auch große Verantwortung mit sich, und der wird Valve in vielerlei Hinsicht nicht gerecht.

Die Gegen-Kolumne: Steam ist ein Segen

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Michael Graf erinnert sich noch genau an den Tag, an dem er seinen Steam-Account angelegt hat. Es war der 10. Oktober 2007. An diesem Tag erschien die Orange Box - und damit das großartige Portal. Micha hat nie bereut, dafür einen Account angelegt zu haben. Er hat es überhaupt nie bereut, einen Steam-Account angelegt zu haben. Er mag nur keine Monopole, weil er weiß, dass die oft unschöne Folgen haben können. Das weiß doch jeder, der schon mal mit der Deutschen Bahn gefahren ist. Oder es im Winter versucht hat.

Die Steam-Meilensteine - Spiele die Steam geprägt haben Video starten 8:42 Die Steam-Meilensteine - Spiele die Steam geprägt haben

Anarchie auf Steam

Bereits vor drei Monaten haben wir im Report Anarchie auf Steam berichtet, dass Willkür und Betrugsversuche auf der Valve-Plattform alarmierend zunehmen, vor allem im Rahmen der »Early Access«- und »Greenlight«-Programme. Da löschen Entwickler unerwünschte Userbeiträge einfach oder bannen sogar Moderatoren, die angesichts der vielen Problemherde völlig überfordert sind. Die Urheber rassistischer, homophober oder anderweitig beleidigender Spiele und Kommentare fliegen teils erst nach Monaten endgültig raus.

Okay, das geschieht vor allem im »Hinterhof« von Steam, bei weniger prominenten Titeln. Und ja, ich weiß zu schätzen, dass Steam allen neuen Entwicklern und Ideen eine Chance gibt, dabei ist auch viel Gutes entstanden. Auf den Konsolen etwa geht's viel restriktiver zu, ohne Zustimmung von Microsoft und Sony geschieht dort gar nichts. Zugleich verfestigt sich aber der Eindruck, dass Valve die eigene Plattform inzwischen über den Kopf gewachsen ist. Kein gutes Zeichen für die Zukunft.

Der Preis von Tomb Raider wurde schon vier Monate nach Erscheinen radikal gesenkt. Natürlich kauft da niemand mehr zum Vollpreis. Der Preis von Tomb Raider wurde schon vier Monate nach Erscheinen radikal gesenkt. Natürlich kauft da niemand mehr zum Vollpreis.

Die große Entwertung

Was viele Spieler freut, ist ebenfalls ein Gefahrenherd: die Steam Sales. Ja, auch ich habe schon billig auf Steam eingekauft. Doch die Regelmäßigkeit und der Umfang der Rabattaktionen entwertet Spiele auch immer mehr: Warum sollte ich überhaupt noch etwas zum Vollpreis kaufen, wenn's mir schon wenig später nachgeworfen wird? Ein prominentes Beispiel ist Tomb Raider, dessen Verkaufspreis Square anno 2013 schon vier Monate nach dem Release um 75 Prozent senkte. Fünfundsiebzig Prozent!

Ich kann jeden verstehen, der sowas zum Anlass nimmt, auch bei anderen Spielen noch ein paar Monate mit dem Kauf zu warten. Wird schon billiger werden. Das Problem: Das kann sich für die Publisher nicht rentieren. In einer Zeit, in der Entwicklungsteams immer größer und -kosten immer höher werden, in der selbst Spiele wie Max Payne 3 mit seinen drei Millionen Verkäufen als Flop gehandelt werden - in einer solchen Zeiten werden sich Publisher immer genauer überlegen, ob sich eine PC-Version überhaupt noch lohnt.

Und wenn, dann wird sie halt nebenbei zusammengeklopft, als Abfallprodukt der preisstabileren Konsolenfassung. Umsetzungsdesaster à la Batman: Arkham Knight und Call of Duty: Black Ops 3 dürften so häufiger werden, was wiederum Vollpreiskäufer abschreckt - ein Teufelskreis. Und dann muss sich auch niemand wundern, wenn plötzlich in jedem zweiten Menü irgendwelche Mikrotransaktionen angeboten werden. Irgendwie muss der Kram ja Kohle abwerfen. Sparsamkeit hin oder her: Ja, ich bin schon der Meinung, dass gute (!) Spiele zum Release und in den Monaten darauf den vollen Preis wert sind. Über schlechte können wir dann ja immer noch reden.

Plus-Report: Der Aufstieg von Valve, Teil 1

)Je weniger sich PC-Versionen auszahlen, desto häufiger drohen uns Umsetzungsdesaster wie Batman: Arkham Knight. )Je weniger sich PC-Versionen auszahlen, desto häufiger drohen uns Umsetzungsdesaster wie Batman: Arkham Knight.

Ich halte Steam nicht für eine verdammenswerte Plattform, ich kenne und schätze seine Vorzüge. Valves Quasi-Monopol und seine Auswirkungen besorgen mich aber. Mal ganz davon abgesehen, dass Gabe Newell & Co. die ganze Online-Anbinderei ja überhaupt erst salonfähig gemacht haben; ohne die Pionierarbeit von Steam hätten Origin, Uplay & Co. einen schlechteren Stand gehabt.

Und unser Hobby wäre freier, als es heutzutage ist. Übrigens auch wegen der Spieleblockaden: Geo-Locks indizierter Spiele sinddank Steam allgegenwärtig geworden, sie werden deutschen Nutzern einfach nicht angeboten - obwohl man sie als Erwachsener hierzulande ganz legal kaufen dürfte. Aber weil Valve zu faul für Altersnachweise oder Uhrzeitregelungen (»Indizierte Titel erst ab Mitternacht«) ist, darf man's eben doch nicht. Schöne, neue Welt.

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