Shitstorms um Assassin's Creed und The Division: Ubisoft darf so nicht weitermachen

Meinung: Mit The Division: Resurgence kündigt Ubisoft ein weiteres Mobile-Spiel an, es hagelt Dislikes auf YouTube, doch das Problem ist größer.

Eigentlich macht Ubisoft es richtig. Mobile-Spiele stehen nach wie vor heißer im Trend als Hot Wings auf YouTube, das Community-Feedback zu Rainbow Six Mobile fiel außerdem sehr wohlwollend aus - und dann gibt's natürlich noch ein Diablo Immortal, das ersten Zahlen zufolge erfolgreich ist wie zuletzt ... die erste Mondlandung oder so. Und das trotz der ganzen Shitstürme aus der Community.

Deswegen kann Ubisoft eigentlich auch egal sein, dass die Trailer zu The Division: Resurgence mit scharenweise Dislikes überhäuft werden (14.000 Dislikes bei 2.000 Likes), genau wie der Gameplay-Reveal zu Skull & Bones übrigens. Dislikes sehen eh nur Leute mit dem entsprechenden Browser-Plugin (und nur deren Dislikes werden vom Plugin ausgewertet):

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Aber ihr habt diese Leier in den letzten Wochen wahrscheinlich oft genug gehört: Mobile-Spiele mit Geldbeutel-Fetisch gehen trotz unserer Kritik steil, Publishern kann das Feedback der alten Fans herzlich wumpe sein, das will ich hier überhaupt nicht nochmal durchkauen. Ubisoft kann ohne Probleme so weitermachen, ein Hyperscape, Ghost Recon Frontline oder XDefiant nach dem anderen ankündigen, Dislikes kassieren, Feedback sammeln und dann der nächsten Trendsau durchs Dorf hinterherrennen.

Das wird sich in den Zahlen nicht groß widerspiegeln. Aber Ubisoft setzt gerade das aufs Spiel, was Ubisoft-Spiele in meinen Augen einzigartig macht - und das wird sich auswirken. Auf die eine oder andere Weise. Denn im gleichen Atemzug kündigt sich für langjährige Fans wie mich gleich die nächste Hiobsbotschaft an: Assassin's Creed Liberation könnte bald einfach aus meiner Steam-Bibliothek verschwinden.

Und das kann nicht der richtige Weg sein.

Dimitry Halley
Dimitry Halley

Dimi testet seit 2015 die meisten großen Open-World-Spiele von Ubisoft und hat sich stets gegen die stumpfe Linse gewehrt, das sei doch alles immer dasselbe. Assassin's Creed: Black Flag, Odyssey, Origins und Co. bescherten ihm so viele unvergessliche Stunden in einigen der schönsten Open Worlds, die je ein Studio gebaut hat - seichtes, repetitives Gameplay hin oder her. Auch Ghost Recon: Wildlands, Rainbow Six: Siege und For Honor hielt er die Treue, obwohl die Spiele erst weit nach Release ihr volles Potenzial entfalten konnten. Doch aktuell weht der Wind in die falsche Richtung.

Von Paulus zu Saulus?

Das schimmert heutzutage kaum noch durch, weil ich mich oft sehr kritisch äußere, aber Ubisoft ist mein liebster Publisher. Also ich rede von den Spielen, nicht von den ganzen Fuckups hinter den Kulissen. Ubisoft-Spiele haben mich immer träumen lassen - und ja, das hat irgendwo auch mit einer recht willkürlichen kindlichen Prägung zu tun, weil Ubisofts Hype: The Time Quest und Donald Duck: Quack Attack halt zufällig meine ersten eigenen PC-Spiele waren. Und Kids lassen sich bekanntlich von jedem Quatsch begeistern, sonst gäbe es ja kein Paw Patrol.

Wobei ich da direkt einhaken will: Es hat schon seine Gründe, warum das Intro von Hype mir noch 20 Jahre später einen wohligen Schauer über den Nacken jagt, während Hell Copter (mein erstes PC-Spiel aus der Computer Bild Spiele) mich ziemlich kalt lässt. Ubisoft-Spiele hatten immer dieses gewisse Etwas.

Siehe auch Prince of Persia: Sands of Time, das einen bewegt wie ein guter Disney-Animationsfilm, in seinen besten Momenten sogar zu Tränen rührt. Splinter Cell hat mich maßgeblich für Stealth-Spiele begeistert, Ghost Recon und Rainbow Six waren die Koop-Shooter auf LAN-Partys - und dann kam Assassin's Creed. Für einen Geschichtsfan und Open-World-Jünger war Assassin's Creed damals wie Pommes mit Mayo und essbarer Schale: rundum perfekt.

Prince of Persia: The Sands of Time - der Urvater von Assassins Creed Video starten PLUS 5:01 Prince of Persia: The Sands of Time - der Urvater von Assassin's Creed

Also nicht in puncto Gameplay. Spielmechanisch leiden Ubisoft-Spiele immer unter Macken, Gleichförmigkeit, repetitiven Ideen und so weiter ... aber ich habe ihnen immer die Ambition abgekauft, wenn ich plötzlich in Far Cry Primal durch die Steinzeit flaniere oder in Assassin's Creed Unity zum ersten mal überhaupt das revolutionäre Paris als Open World erkunde.

Assassin's Creed hat mich so sehr zum Träumen gebracht und bewegt, dass ich sogar meine Bachelorarbeit darüber geschrieben habe, wie sehr Assassin's Creed Menschen zum Träumen bringt und bewegt - und was Spiele und wir als Kultur davon lernen können. Wenn das nicht was heißt.

Wie gesagt: Mit kritischer Linse finde ich auch haufenweise Fehler in Ubisofts Line-Up, die sich bis in die 2000er ziehen, klar. Aber selbst die energischste Ubisoft-Formel konnte mir nie die Vorfreude darauf nehmen, welches historische Setting das nächste Assassin's Creed wohl angehen würde.

Und diese Vorfreude verschwindet gerade in mir.

Wie geht man mit Marken um?

Was ist der Traum hinter The Division: Resurgence? Klar, The Division soll auf Mobile portiert werden, sicherlich keine leichte Aufgabe. Aber Ubisoft ist in den letzten Jahren so vielen Trends so einspurig hinterhergelaufen mit Rohrkrepierern wie XDefiant, Ghost Recon Frontline, Hyperscape und Co., dass es mich als Fan zynisch und verbittert macht. Ich sehe das Ziel von The Division: Resurgence: den Mobile-Markt erobern, ein funktionierendes Service Game aufbauen. Aber ich erkenne keinen echten, ambitionierten Traum mehr.

XDefiant ist das beste Beispiel. Erst sorgte der Trailer für recht viel Gegenwind, danach verschwand das Spiel in der Versenkung und suppte nur kurz wieder an die Oberfläche, als Ubisoft das Tom Clancy's aus dem Namen strich. Klar, auf der einen Seite reagiert man hier auf Feedback, cool, auf der anderen Seite überzeugt so ein Manöver nicht unbedingt davon, dass hinter der ursprünglichen Idee viele ... Ideen steckten. Und nun gibt's immer wieder kleine Testsessions hinter verschlossenen Türen, als müsste Ubisoft am Kunden testen, welche Art Spiel sie da eigentlich entwickeln wollen.

XDefiant - Ubisofts neuer Shooter zeigt erstes Gameplay Video starten 3:31 XDefiant - Ubisofts neuer Shooter zeigt erstes Gameplay

Mag in der Realität alles nicht so sein, aber am Ende geht es bei Marken auch um die Wirkung. Und welchen Wert diesen Marken gerade bei langjährigen Fans haben, ist wichtig! Sehen wir übrigens auch hier bei GameStar: Nur ein relativ kleiner Prozentsatz unserer Community hält uns seit Ende der 90er die Treue, aber diese Menschen machen einen beträchtlichen Teil unseres Traffics aus - und bilden eine wichtige Säule für unser Premium-Programm GameStar Plus.

Was ich gerade als langjähriger Fan dieser Marken mitbekomme, sind auf Markteffizienz getrimmte Mobile- und Free2Play-Experimente auf der einen Seite und Hiobsbotschaften wie die Abschaltung zahlreicher Ubisoft-Spiele auf der anderen. Splinter Cell 6 kann ich bald nicht mehr im Koop spielen, Assassin's Creed Liberation wird möglicherweise seinen Besitzern komplett weggenommen. In den Steam Reviews zu Liberation findet sich klares Feedback:

Und am Blockbuster-Horizont schimmert bloß ein Skull & Bones, das bereits beim ersten Gameplay-Reveal komplett die Hosen runterlässt, wie formelhaft es seinen Service-Game-Plan durchgetaktet hat (was nicht heißt, dass ich mich gar nicht darauf freuen kann).

Ubisoft darf nicht unterschätzen, wie wichtig echte Apostel der eigenen Marken sind. Leute, die all ihren Freunden erzählen, wie cool Splinter Cell, Ghost Recon und Co. sein können. Die ihre Finger in die Stuhllehne pressen, weil das Remake zu Sands of Time endlich morgen erscheint! Denn sollten viele der Experimente ins Wasser fallen - und das Risiko ist bei Experimenten immer hoch-, dann bleiben dir als Publisher nur die alten Fans. Und die werden dir nicht die Hand halten, wenn du sie seit Jahren links liegen lässt.

Besserung in Sicht?

Ich glaube, das wird sich alles bessern. Die Pandemie erschüttert im Hintergrund die gesamte Branche, wir sehen 2022 die größten Auswirkungen der ganzen Notfall-Umstellungen. Und Ubisoft kann wie alle großen Publisher auf Fehlentscheidungen nicht in fünf Tagen reagieren - so einen großen Kahn wendest du in monatelanger Arbeit. Und ich bin optimistisch, dass wir das 2023 bemerken.

Schließlich soll ich ja mein Remake für Splinter Cell bekommen. Und auch Prince of Persia: The Sands of Time befindet sich in Entwicklung. Rainbow Six: Siege und For Honor bekommen derweil noch immer sehr coole Updates - und ich will die Flinte noch nicht ins Korn werfen, dass auch Assassin's Creed Infinity trotz der angekündigten Live-Service-Sperenzchen ein richtig ambitioniertes Assassin's Creed der Zukunft werden könnte.

Aber bis der Kahn wieder in die richtige Richtung schippert, sollte sich Ubi trotzdem überlegen, was sie für alte Fans wie mich tun können. Splinter Cell 6 nicht abzuschalten und den Besitzern ihr Assassin's Creed Liberation zu lassen, wäre ein Anfang.

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