Wasteland Remastered im Test: Das Ur-Fallout strahlt nicht mehr

Ohne das Rollenspiel von 1988 gäbe es vielleicht keine nukleare Postapokalypse in Videospielen. Aber reicht ein grafisches Update, um das Urgestein auch heute noch attraktiv zu machen?

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Wasteland kehrt aus der atomaren Versenkung zurück und präsentiert sich in einem neuen Look. Strahlt es aber auch? Wasteland kehrt aus der atomaren Versenkung zurück und präsentiert sich in einem neuen Look. Strahlt es aber auch?

Mit Wasteland Remastered wollen uns Brian Fargo und seine Firma inXile Entertainment noch mal in Erinnerung rufen, wer die Postapokalypse als erstes auf die Computermonitore gebracht hat. Doch trotz Renovierungsmaßnahmen hat der einstige Hit viel an Strahlkraft verloren.

Wasteland Remastered soll uns nach Wasteland 2 (2014) noch weiter auf Wasteland 3 vorbereiten, das im Mai 2020 erscheinen soll. Die Hintergrundgeschichte bleibt dabei die der Originalversion von 1988: Im Jahr 1998 werden aufgrund eines kommunikativen Missverständnisses sämtliche Atomraketen der großen Industriemächte abgefeuert.

Die Welt versinkt im Chaos, große Teile der Erde verwandeln sich in nuklear verseuchtes Niemandsland, die Flora und Fauna des Planeten mutiert. Nach der Katastrophe übernimmt eine kleine Einheit von US-Soldaten die Kontrolle über ein Gefängnis im Südwesten der USA und gründet die Wüsten-Ranger. Diese Truppe soll die zivilen Bewohner des Ödlands als eine Art unabhängige Polizeieinheit schützen.

Während der ersten Schritte im Ödland dominiert noch wohlig-warme Nostalgie – ein Eindruck, der später zu oft in Frust umschlägt. Während der ersten Schritte im Ödland dominiert noch wohlig-warme Nostalgie – ein Eindruck, der später zu oft in Frust umschlägt.

Wir kommen im Jahr 2087 ins Spiel und übernehmen die Kontrolle über eine Party aus vier Rangern, die ungewöhnliche Ereignisse in der Siedlung Highpool, dem Camp der Gleisnomaden und dem Landwirtschaftszentrum untersuchen sollen. Dabei stolpern wir über eine Verschwörung zur Auslöschung der Menschheit, die wir natürlich mit allen Mitteln stoppen müssen.

Das Fallout vor Fallout

Für viele Rollenspieler ist es der erste Fallout-Teil mit seinem schwarzen Humor, seinem »Mad Max«-Charme und der offenen Welt, der die Postapokalypse in Spielen salonfähig macht. Dabei legen dessen Chefentwickler Brian Fargo und sein Studio Interplay mit dem Rollenspiel Wasteland bereits knapp zehn Jahre vorher den Grundstein für den Erfolg von Fallout. Schon 1988 setzen Fargo und Co. nämlich auf eine frei erkundbare Umgebung und ein komplexes System aus Attributen und Fertigkeiten, mit dem wir unsere Reise durch das namensgebende Ödland zu einer sehr persönlichen machen können.

Schwierigkeitsgrad: 80er Jahre

Wie wir dabei genau vorgehen, bleibt ganz im Sinne des Originals komplett uns überlassen. Wir steuern unsere Party mit Controller oder Tastatur kachelbasiert durch Wüstenlandschaften, heruntergekommene Städte und geheime Militärbasen, tragen rundenbasierte Kämpfe mit mutierter Fauna, Killerrobotern oder Kriminellen aus und lösen mit Hilfe unserer Fertigkeiten und Attribute zahlreiche Quests.

Besonders letzteres ist im Vergleich zu modernen Rollenspielen kniffliger, was nicht zuletzt am fehlenden Tutorial und dem nicht einstellbaren Schwierigkeitsgrad liegt. Anstatt uns durch Dialogoptionen zu klicken oder genau gezeigt zu bekommen, wo wir welche Gegenstände einsetzen müssen, verlangt uns Wasteland Remastered eigenständiges Denken ab.

Die Nutzeroberfläche ist anscheinend nicht für die deutschen Texte optimiert und produziert gerne mal unsinnige Umbrüche wie hier bei der Wasseraufbereitung. Die Nutzeroberfläche ist anscheinend nicht für die deutschen Texte optimiert und produziert gerne mal unsinnige Umbrüche wie hier bei der Wasseraufbereitung.

Dialoge mit den gut geschriebenen, bunten NPCs finden durch Freitexteingabe statt, und wann wir welche der zahlreichen erlernbaren Fertigkeiten wie Wahrnehmung, Klettern oder Glücksspiel einsetzen, müssen wir selbst entscheiden. Ein Beispiel: Im kleinen Dorf Highpool sollen wir Rex, den entlaufenen Hund des Jungen Bobby, zurückbringen.

Dazu fragen wir Bobby zunächst anhand von Schlüsselwörtern, wo er Rex zuletzt gesehen hat. Nach einigem Nachbohren verrät er uns, dass er Rex in einer Höhle versteckt hat. Deren Eingang müssen wir nun erst mal anhand von Hinweisen in der lokalen Kneipe finden und dann einen bestimmten Gegenstand nutzen, um sie betreten zu können. Und all das mit kruden Textbefehlen und ohne irgendwelche Hinweise, wann wo welche Fertigkeit einzusetzen ist.

Gameplay wie vor 30 Jahren

Diese Vorgehensweise erinnert an klassisches Adventure-Gameplay, krankt aber an der unübersichtlichen und unnötig komplizierten Menüführung. Um eine Fertigkeit zu nutzen, müssen wir beispielsweise erst eine Kampfrunde starten, dann den jeweiligen Charakter per Zahl auf dem Keyboard auswählen, die Fertigkeit suchen und aktivieren und schließlich angeben, in welche Richtung auf dem Spielfeld wir die Fähigkeit benutzen wollen.

Das Kampfsystem hat zwar spielhistorischen Charme, fühlt sich aber für die heutige Zeit sehr klobig an. Das Kampfsystem hat zwar spielhistorischen Charme, fühlt sich aber für die heutige Zeit sehr klobig an.

Was erschwerend hinzu kommt: Manche Fertigkeiten wie Dietrich haben einen klar definierten Einsatzzweck, manche wie Bürokratie sind enorm schwammig. Allerdings ist das Original in der Hinsicht auch nicht wirklich transparenter. Ein weiteres Element, das die Macher fast ohne Änderung aus dem Original übernommen haben, ist das Kampfsystem: Treffen wir auf einen oder mehrere der relativ austauschbaren und eindimensionalen Gegner, startet eine Kampfrunde.

Jedes unserer Party-Mitglieder darf dann eine Aktion ausführen. Zum Beispiel mit der ausgerüsteten Waffe angreifen, dem Gegner ausweichen oder eine Fertigkeit benutzen. In der Theorie klingt das nach vielen taktischen Möglichkeiten, in der Praxis besteht aber so gut wie jede Kampfrunde aus Angriffs-Spam. Immerhin ist das Arsenal relativ umfangreich; von Pistolen über Karabiner, Granaten und Maschinenpistolen bis hin zu Laserwaffen und Raketenwerfern ist alles dabei.

Am Balancing hätten die Entwickler allerdings noch schrauben können. So richten die Pistolen mit Kaliber 9 und Kaliber 45 sehr ähnlichen Schaden an, obwohl die Beschreibung im spielinternen Handbuch dem Kaliber-45-Revolver mehr Durchschlagskraft zuspricht.

Die handgezeichneten Zwischensequenzen sind hübsch anzusehen, die dazugehörigen Sprecher wirken allerdings amateurhaft. Die handgezeichneten Zwischensequenzen sind hübsch anzusehen, die dazugehörigen Sprecher wirken allerdings amateurhaft.

Fan-Service für Ranger-Veteranen

Die wohl größte Anpassung im Vergleich zum Original haben die Entwickler in Sachen Grafik und Audio vorgenommen - mit unterschiedlichem Erfolg. Optisch macht Wasteland Remastered eine sehr gute Figur. Die schon damals animierten Charakterportraits bewegen sich noch flüssiger, und Wasteland-2-Spieler dürfen sich über die Charakterbilder der Ranger Snake Vargas und Angela Deth freuen, die ihrem Look aus dem Nachfolger von 2014 nachempfunden sind.

Auch die gezeichneten Zwischensequenzen sind detailreich und lassen sich im Tagebuch, in dem auch Infos und Hinweise rund um das Spielgeschehen festgehalten werden, jederzeit wieder abrufen. Die Digitalisierung dieses Handbuchs, das dem Original tatsächlich in Papierform beiliegt, ist ebenso gelungen wie die generelle Aufhübschung des Ödlands. Orte wie die mächtige Zitadelle der Wächter oder das halb zerstörte Las Vegas erstrahlen in neuem Glanz und sind an die Optik von Wasteland 2 angelehnt.

Wasteland Remastered - Screenshots ansehen

Doof nur, dass die Nutzeroberfläche nicht wirklich auf deutsche Sprache ausgelegt zu sein scheint. Bei Objektbeschreibungen gibt es immer wieder unpassende Umbrüche und in den Kampfsequenzen ziemlich abenteuerliche Satzkonstruktionen. Ähnlich mau ist das Sounddesign der Neuauflage. Die Sprecher in den Zwischensequenzen klingen wie aus der Dose, und die Soundeffekte schwanken zwischen unspektakulär und schwach. Immerhin lässt der Soundtrack gelungene Retro-Atmosphäre aufkommen, er kann das unausgegorene Gesamtpaket aber nicht retten.

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