Die Weltenbauer von Watch Dogs Legion haben es so viel schwerer als die Entwickler von Assassin's Creed. Wer weiß schon, wie ein Wikingerdorf aussieht? Da ist noch Platz in der Spielwelt? Okay, wir packen ein bisschen Wald hin, ein paar saftig grüne Wiesen oder einen schönen See. Durch offenes Gelände lässt sich die Spielwelt von Assassin's Creed Valhalla fast beliebig strecken, und das zeitlich weit entfernte Szenario räumt den Entwicklern noch weitere Freiheiten ein.
Aber bei Watch Dogs Legion darf Ubisoft nicht mogeln. Beim modernen London muss jeder Stein sitzen, weil sich jeder mal eben den Buckingham Palace oder Big Ben bei Google Earth anschauen kann, vielleicht sogar selbst schon dort war. Und weil abseits vom Hyde Park mitten in der Stadt nun mal kein riesiger Wald oder See vor sich hingrünt, muss jeder Meter mit Straßen, Gebäuden, roten Telefonzellen und haufenweise geschäftigen Bewohnern gepflastert werden.
Umso erstaunlicher, dass das den Entwicklern vorbildlich gelingt: In unserer sechs Stunden langen Anspiel-Session fühlen wir uns dank der unglaublichen Detailfülle wie in einer realen Großstadt. Allerdings nur, wenn wir nicht ganz genau hinschauen.
Selbst ganz genau hinschauen könnt ihr übrigensin unserem Preview-Video mit massig Gameplay aus Watch Dogs 3:
Virtuelles Sightseeing in der Open World
Wir sehen London von oben - aus einer Gondel des berühmten London Eyes. Während das Riesenrad uns gemächlich durch die Luft kutschiert, schlängelt sich die Themse weiter unten durch die Stadt, der Big Ben bimmelt in der Ferne und immer kleiner werdende Verkäufer preisen unfassbar hässliche Union-Jack-T-Shirts an. Wir steigen aus und kaufen eins - gehört beim Sightseeing ja irgendwie dazu.
Das hätte sich so auch in der Realität abspielen können: Watch Dogs Legion versteht sich darauf, die Wahrzeichen von London in Szene zu setzen. Während das London Eye als eine spielerische Verschnaufpause dient, erleben wir im bekanntesten Glockenturm Londons eine Mission. Über einen lenkbaren Spinnenroboter dringen wir hier in das Uhrwerk ein, um Big Ben wieder zum Läuten zu bringen. Die Militärorganisation Albion hält London nämlich fest im Griff und nimmt den Bewohnern so ziemlich alles, was ihnen Freude bereiten könnte, auch die bekannten Klänge von Big Ben - aber dazu später mehr.
Wer mit London vertraut ist, wird viele Bauwerke und selbst kleine Details wiedererkennen: Die typischen roten Busse bugsieren Touristen von A nach B, ebenso knallige Telefonzellen säumen die Straßen, Wachen mit gewaltigen Bärenfellmützen und ausdruckslosen Gesichtern bewachen den Buckingham Palace. So viel zu den Klischees.
Auch abseits der Besuchermagnete überrascht uns die Open World durch viele durchdachte Kleinigkeiten: Je nach Bezirk finden wir spießig gepflegte Reihenhäuser vor oder mit Graffiti beschmierte Lagerhallen - inklusive der passenden Klientel. Und in engen Seitengassen und Hinterhöfen findet man zum Beispiel oft mit Lichtketten beleuchtete Buden samt Bänken, an denen Menschen ausgelassen trinken und feiern. Bauarbeiter reparieren die Straße, Wege werden gefegt, Blumenbeete gepflegt - und an jeder Ecke werden Menschen überwacht.
Beeindruckend, aber formelhaft
Überwachung wird schon jetzt in London immer beliebter, gehört in Watch Dogs aber längst zur Tagesordnung. Und zwar in der extremen Variante: Menschen werden auf offener Straße gescannt oder festgenommen und an fast jeder Straße sind elektronische Sperren errichtet - die Meter dazwischen überfliegen Drohnen. Da kommen einem die überall präsenten Kameras fast schon harmlos vor.
Dazu noch selbstfahrende Autos, verrückte Gadgets, intelligente KIs, Killer-Computer-Chips und mehr - Watch Dogs Legion fühlt sich immer mehr nach Cyberpunk an und erschafft eine durch die Nähe zu unserer Realität bedrohliche Zukunftsvision. Allerdings werden viele dieser Schrecken nur als Motivation für die Bürger genutzt, sich Dedsec anzuschließen. Das Hacker-Kollektiv stellt sich den Unterdrückern von Albion und den Verbrecher-Gangs von London entgegen. Die spannenden Fragen danach, was totale Überwachung und steiler technischer Fortschritt mit uns Menschen macht, wurden in unseren sechs Stunden bestenfalls angerissen.
Auch sonst offenbaren sich die Schwächen der Spielwelt, wenn man genau hinschaut: Nur die wenigsten Gebäude kann man betreten, Straßensperren, demonstrierende Bürger oder werkelnde Bauarbeiter wiederholen sich schnell und spielerisch regiert die Ubisoft-Formel: Türme erklimmen wir zwar nicht, aber dafür befreien wir eben Bezirke, messen uns in Boxkämpfen, arbeiten an unserer Dribbeltechnik mit dem Fußball, suchen verstreute Technik-Punkte oder optische Goodies wie Masken und so weiter. Kurz: In der Open World gibt es eine Menge zu tun und dank ihrer Detailfülle macht auch das reine Erkunden Spaß - aber die Gameplay-Innovationen finden woanders statt.
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