Update: Wir werten das Spiel ab der Version 1.02 auf, mehr dazu lesen Sie weiter hinten in diesem Artikel. Beachten Sie auch die Änderungen im Wertungskasten.
Eindeutig, sie hat uns angelächelt. Das ist das Zeichen, auf das wir gewartet haben. Ein letzter Check unserer Charakterwerte: Wir waren heute im Fitness-Studio (Körperkraft +1), tragen unsere schicke neue Jeans (Charisma +1) und wissen vom Barkeeper, dass die Dame meist eine Piña Colada bestellt (Intuition +2). Wir stürzen uns ins Abenteuer, sprechen Sie an. Alles läuft blendend ... bis wir vor ihren Augen einen 20-seitigen Würfel zücken, um eine Probe auf unser Betören-Talent zu werfen. Zugegeben, beim Flirten mögen die Regeln des Papier-und-Stift-Abenteuers Das Scharze Auge (DSA) wenig hilfreich sein. Als Basis für ein komplexes PC-Rollenspiel taugen sie dafür umso mehr. Rund 80 Stunden haben wir in Drakensang gekämpft, erforscht, geredet und - jawohl - auch betört, um die Fantasy-Welt Aventurien zu retten und unser finales Testurteil zu fällen.
Viel zu entscheiden
Keine Weltenrettung ohne Helden: Zum Spielstart wählen Sie Ihren Hauptcharakter aus 20 vorgefertigten DSA-Klassen - zum Repertoire gehören unter anderem prügelfeste Thorwaler-Piraten, thulamidische Elementarmagier oder naturverbundene Auelfen.
Im Verlauf der Geschichte können Sie bis zu zehn Gefährten kennenlernen, darunter etwa die bärbeißige Amazone Rhulana, den trunksüchtigen Zwerg Forgrimm oder den depressiven Magier Jost.
Maximal drei davon nehmen Sie mit ins Abenteuer. Fair: Daheimgebliebene sammeln im gleichen Maß Erfahrungspunkte wie die aktuellen Gefährten, so dass Sie beliebig mit Ihrer Zusammenstellung und der Charakterentwicklung experimentieren können.
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Eine reine Magiergruppe ist genauso möglich wie eine prügelnde Kämpferhorde, mit entsprechend drastischen Auswirkungen auf Gespräche, Talente und Gefechte - für ein lineares Rollenspiel hat Drakensang deshalb einen erfreulich hohen Wiederspielwert. Ihre Gefährten wachsen Ihnen vor allem deshalb ans Herz, weil Sie jeden einzelnen Entwicklungsschritt selbst bestimmen. Echte Emotionen können die Kollegen aber nur selten wecken. Es gibt weder Streit noch Eifersucht oder Liebe in der Gruppe, zu wenige Gespräche und kaum charakterbezogene Quests - kein Vergleich zu Mass Effect oder Neverwinter Nights 2.
Viel zu verwalten
Die Geschichte beginnt bewusst beschaulich im Dörfchen Avestreu. Sie wollen einen Freund in der Hafenstadt Ferdok besuchen, benötigen dafür jedoch einen Passierschein, den Sie sich mit kleineren Gefälligkeiten verdienen. Also sammeln Sie Beeren, retten einen leicht verwirrten Magier aus einer Bärenhöhle und legen sich mit einer Räuberbande an.
Ganz nebenbei erklären Ihnen situationsabhängige Tutorial-Texte den enormen Handlungsspielraum von Drakensang - angefangen vom Kräutersammeln über das Fallenfinden und -entschärfen bis hin zum Taschendiebstahl. Insgesamt gibt es 17 Charakterwerte, 23 Talente, 13 Waffengattungen, 39 Spezialfähigkeiten und 45 Zaubersprüche, die Sie darüber hinaus mit Ihren verdienten Erfahrungspunkten jederzeit steigern dürfen.
Eine Menge Einarbeitungsstoff für DSA-Neulinge, zumal Drakensang zwar über sauber strukturierte Menüs verfügt, aber mit Komfortfunktionen geizt. Waffen- oder Rüstungswerte können Sie nur einzeln aufrufen, aber nicht miteinander vergleichen. Eine jederzeit aktivierbare Konsole schlüsselt zwar jede einzelne Aktion getreu dem Regewerk auf, aber nur DSA-Profis können anhand der kryptischen Abkürzungen erkennen, warum das Schlösserknacken gerade gescheitert ist. Und anders als in Mass Effect fehlt eine Option für automatische Stufenaufstiege, die die Charakterwerte entsprechend der jeweiligen Heldenklasse sinnvoll steigert. Rollenspielprofis kann das freilich egal sein - sie werden die flexiblen Entwicklungsmöglichkeiten lieben. Im Test haben wir zum Beispiel die magiebegabte Elfe Gwendala kurzerhand in eine schlösserknackende Diebin umfunktioniert.
Viel zu erleben
Die trügerische Idylle zu Beginn mag gewollt sein, allerdings haben es die Entwickler dabei übertrieben. In den ersten zehn Spielstunden des linearen Abenteuers bekämpfen Sie vor allem Ratten, Wölfe, Amöben und Banditen.
Auch den Quests fehlt es anfangs an Ideen, von einer unterhaltsamen Mordfall-Ermittlung einmal abgesehen. Unrühmlicher Höhepunkt: Eine sogenannte »Verfolgungsjagd« durch die Kanalisation von Ferdok. Minutenlang rennen Sie durch immergleiche Gänge, unterbrochen von sporadischen Rattenattacken. Einen Zeitdruck gibt’s nicht - die Verfolgten warten brav und skriptgesteuert auf Sie, selbst wenn Sie jedes einzelne Fass in der Kanalisation auf Brauchbares untersuchen. Dazu gibt’s noch nicht mal dramatische Musik, sondern nur das normale Standardgedudel - Spannung mag da nicht aufkommen.
Der Lohn für Ihr Durchhaltevermögen: Ausgerechnet nach der lahmen Verfolgungsjagd gibt’s die erste von vielen Überraschungen in der wendungsreichen Geschichte. Außerdem ziehen Gegner- sowie Schauplatz-Attraktivität nun deutlich an und spitzen sich bis zum furiosen Finale immer weiter zu. Sie bekämpfen eine Untotenplage in einer düsteren Moorlandschaft, durchbrechen die Ork-Belagerung einer gewaltigen Burg, erforschen ebenso unterirdische Zwergenstädte wie brodelnde Lavahöhlen und werden schließlich sogar zu einem Werkzeug der Götter - mit entsprechend großer Macht, versteht sich. Das ist klassische Fantasy-Kost, die den typischen Stil der Papier-Vorlage wunderbar einfängt. Schade aber, dass der Publisher Anaconda nur einen Bruchteil der gut geschriebenen Dialoge vertonen hat lassen.
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