Damals, als wir noch klein waren, hatten mein Bruder und ich eine Tradition, die uns als Nerds heilig war: Jedes Jahr mussten wir uns mindestens einmal alle »Der Herr der Ringe «-Filme anschauen. Wenn wir das taten, wurden natürlich auch alle Spiele dazu rausgekramt. Niemand hatte uns das befohlen, aber es war absolut logisch für uns.
Da gab es keine Widerrede, weshalb wir uns auch immer gegenseitig an die Einhaltung dieser Pflicht erinnerten. »Hey Michael, es ist schon Juni …« – »Oh, du hast vollkommen recht.« Wir waren uns sicher, dass auch nur ein einziges Versäumnis den vollen Zorn Gandalfs auf uns ziehen würde.
Nazguls, Pippins Tollpatschigkeit, »Man kann nicht einfach so nach Mordor spazieren« und zwei Momente in »Die Rückkehr des Königs«, die einen jedes Mal wie einen Schlosshund losweinen ließen: Das definierte uns, das erinnerte uns stets daran, wer wir sind. Heute – fast 20 Jahre später – befinde ich mich als Nerd in einer Identitätskrise, was mehr oder weniger mit der Pandemie zusammenhängt. Seitdem bin ich auf einem Nostalgie-Trip, um mich gewissermaßen an den Wurzeln meines popkulturellen Daseins zu eichen.
Dieser Trip führte mich kürzlich während eines Urlaubs in meine Heimat und zu meinem Bruder. Hierbei kamen wir aus irgendeinem Grund auch wieder auf unsere heilige Pflicht zu sprechen, die wir jetzt schon seit mehreren Jahre versäumt hatten – glücklicherweise ohne dabei jemals Gandalfs Zorn abbekommen zu haben. Und dann zog mein Bruder das wohl beste Spiel aus dem »Der Herr der Ringe«-Kosmos hervor: Die Schlacht um Mittelerde 2. Womit ein haarsträubendes und wunderbares Abenteuer für mich begann.

Der Autor
Wenn Michael Sonntag nicht als Gamingjournalist oder Dozent arbeitet, zieht er als Geschichtenjäger von Spiel zu Spiel. Nach Fallout und Elden Ring führte ihn seine Reise nun nach Mittelerde, eine seiner vielen Heimaten.
Ein Spiel, sie zu knechten
Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde 2 hat nicht nur einen extrem langen Namen für ein Strategiespiel – (seine Erweiterung mit dem Zusatz Der Aufstieg des Hexenkönigs stellte im Jahr 2008 sogar einen Guinness-Rekord auf!) – es ist heute ein regelrechter Gaming-Schatz, auf den auch Gollum scharf wäre.
Entwickelt wurde es 2006 von EA Los Angeles und zählt zu den wenigen guten Ausnahmen im sonst so verfluchten Markt der Lizenzspiele. Nachdem bereits der erste Teil ein Erfolg war, vollendete Teil 2 die RTS-Adaption komplett und alle Welt wartete gespannt auf Teil 3. Der kam allerdings nie, da 2009 die HDR-Lizenz an Warner Bros. ging.
Aus diesem Grund kann EA das Spiel heute auch nicht mehr vertreiben oder digital zur Verfügung stellen. Wer nun »das eine Spiel« spielen möchte, muss sich auf eine emotionale Schatzsuche begeben: Hohe Preise auf Ebay, die nicht unbedingt gewährleisten müssen, dass die Spiele funktionsfähig sind oder den notwendigen Handbuch-Key enthalten. Große Unterstützung und herzzerreißende Geschichten in diversen Foren. Am stärksten berührte mich hier der Fall von User Leluke94, der 2017 noch Kontakt mit dem Support von EA aufgenommen hat, der ihm trotz großer Bemühungen auch nicht weiterhelfen konnte.
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