Gotham Knights: Am größten Problem des Spiels ist die Mainstream-Branche schuld

Meinung: Gotham Knights ist kein neues Arkham-Spiel, erbt aber trotzdem sehr viel von der Batman-Reihe. Doch es gibt einen Zankapfel, der für mehr als bloß fragwürdiges Gamedesign steht.

Gotham Knights - Erster Trailer zeigt spielbare Helden Video starten 4:48 Gotham Knights - Erster Trailer zeigt spielbare Helden

Was ist dieser Trailer zu Gotham Knights großartig! Da flattert nicht nur Batgirls Umhang vor Aufregung, sondern auch mein Fan-Herz: ein Blockbuster-Batman-Spiel ohne Batman? In dem ich endlich mal seine Erben Nightwing, Batgirl, Red Hood und Robin verkörpere? Ein geistiger Nachfolger der grandiosen Arkham-Serie? Und der Rat der Eulen, die wohl coolste Batman-Story der frühen 2010er? Da lache ich freudig auf - ganz ohne Joker-Gas!

Doch dann sehe ich das tatsächliche Pre-Alpha-Gameplay, runzle die Stirn. Gotham Knights hat den gleichen Level-XP-Bumms wie das neue (umstrittene) Avengers-Spiel. Und fast jeder Open-World-Blockbuster der letzten drei Jahre. Batgirl und Robin kämpfen gegen Level-10-Feinde - und die Entwickler betonen, wie schwierig das mit niedrigerem Level wäre. Herrje, da leuchten die Service-Game-Alarmsirenen.

Gotham Knights schneidet bisher sehr gut bei den Leuten ab. Die YouTube-Kommentare zeigen Vorfreude, Begeisterung. Aber der einzige Kritikpunkt, der sich überall im Netz findet, hängt mit den RPG-Mechaniken zusammen: Sogenanntes »Level Gating« ist mittlerweile zum Unding geworden, das beispielsweise Assassin's Creed Valhalla ganz bewusst hinter sich lassen will. Und hier hake ich ein.

Meine These: Wer Gotham Knights wegen der RPG-Level-Inhalte verteufelt, ärgert sich eigentlich über ein viel tieferes Problem. Und an dem sind die Entwickler nicht alleine Schuld.

Was ist denn so schlimm an Leveln?

Die GameStar-Community liebt Rollenspiele! Das ist klarer als Kloßbrühe aus Gebirgsquellwasser. Unsere Fans würden The Witcher 3 nicht nur als bestes Rollenspiel, sondern auch als Sport-, Strategie- und Golfsimulationsmeilenstein deklarieren. Und Geralt levelt auch fleißig auf. Was ist also problematisch, wenn Gotham Knights aus einer Batman-Prüglei ein Action-Rollenspiel macht? Zumal das Spiel sich ja gar nicht als neues Arkham sieht.

Der Autor: Dimi ist völlig verrückt nach Batman. Er sammelt die Comics seit knapp 10 Jahren, hat die Arkham-Spiele bis zur allerletzten Riddler-Trophäe durchgespielt, sogar den 2D-Ableger Blackgate auf 100 Prozent abgeklappert. Doch selbst ohne all das würde Dimi darauf schwören, dass wir in Gotham Knights irgendwann gegen einen gehirngewaschenen Batman kämpfen. Wer wettet dagegen?

Ich behaupte: Immer wenn Gegner in modernen Triple-A-Actionspielen Level haben, dann werdet ihr nervtötend oft das Gleiche machen. Denn Gegner mit Leveln haben in Nicht-Rollenspielen eigentlich nur drei Aufgaben:

  1. Level Gating: Sie halten euch mit hohem Level aus Gebieten raus, in denen ihr noch nicht sein solltet.
  2. Progression: Sie erzeugen ein Fortschrittsgefühl, weil ihr bisweilen ziemlich schuften müsst, um aufs gleiche Level zu kommen.
  3. Immer »neue« Herausforderungen: Sie kaschieren gleichförmiges und/oder schlechtes Gamedesign.

Der letzte Punkt ist besonders wichtig. Viele moderne Open-World-Spiele haben nur eine Handvoll Gegnertypen, die ihr über 40 Stunden hinweg immer und immer wieder bekämpft. Damit das nicht eintönig wird, gaukelt euch ein stetig wachsendes Level Fortschritte vor, obwohl ihr strategisch immer das Gleiche tut. Speerkrieger Z kämpft halt wie Speerkrieger A, aber kloppt euch auf niedrigen Leveln mit einem Treffer weg. Assassin's Creed: Origins ist hier ein gutes Beispiel. Und ausgerechnet die Arkham-Spiele bilden das perfekte Gegenteil.

Gotham Knights zeigt erstes Gameplay der Koop-Action Video starten 7:47 Gotham Knights zeigt erstes Gameplay der Koop-Action

Arkham glänzt da, wo Gotham Knights falsch abbiegt

Ein Batman: Arkham Knight braucht keine Gegnerlevel, weil die Kampagne permanent neue Feinde aus dem Hut zaubert, die mich zum Umdenken zwingen. Normale Rambos müssen gekontert, Knüppelschläger entwaffnet, Stromknüppelschläger betäubt, Schildträger übersprungen und Brutes umrundet werden. Je weiter ihr im Spiel seid, desto mehr Kampfmanöver und Gadgets benötigt Batman zum Überleben!

Gute Gegner verbessern im Lauf des Spiels nicht nur die Nummer über ihrem Kopf, sondern agieren cleverer, stärker, besser. Auch ein Ghost of Tsushima zwingt mich in jedem neuen Areal seiner Open World zumindest ein bisschen zum Umdenken. Mongolen schießen plötzlich mit Feuerkanonen nach mir, hetzen ihr Falken auf mich, tunken ihre Pfeile in Gift.

Ghost of Tsushima - Testvideo zur Open World Samurai-Action Video starten 12:18 Ghost of Tsushima - Testvideo zur Open World Samurai-Action

Gute Spiele perfektionieren ihre sogenannten »Gameplay Loops«. Das sind im Prinzip kleine Gameplay-Einheiten, meinetwegen 30 Sekunden, die so viel Spaß machen, dass ihr sie immer wieder angeht: Die Kloppereien in Arkham City, ein Schwertduell in Tsushima, eine Ballerei in Max Payne. Auf dem Papier wiederholt ihr oft die gleichen Handlungen, es fühlt sich aber nicht so an. Hat ein Spiel funktionierende Loops, wird die Community viel verzeihen.

Moderne Spiele tricksen hier gerne. Sie kaschieren schlechte Gameplay Loops, indem sie ein Belohnungssystem drüberstülpen. Die klassische Grindfalle. Ja, Hasen zu kloppen, macht null Spaß - aber in zehn Minuten schalte ich mir damit eine tolle Waffe frei. Ja, Gegner verhalten sich dumm, aber ich muss eben doch leveln, um sie zu besiegen. Und diese Trickserei fällt auf.

Worüber ärgern wir uns wirklich?

Wir wittern ein künstliche aufgestülptes Level-Up-System, weil wir uns am Ende einer Trendwelle befinden. Die Leute haben in den letzten drei Jahren so viele lahme Level-Gating-Spiele erlebt, Far Cry: New Dawn, Ghost Recon: Breakpoint, bald wahrscheinlich Marvel's Avengers. Gotham Knights gewinnt an der Front keinen Blumentopf, weil die Leute damit vor allem zweierlei verbinden: unzählige Wellen der immer gleichen Gegner sowie die Jagd nach immer besserer Ausrüstung. Wir fühlen uns veräppelt, wenn man uns immer die gleichen ... äh ... Äpfel vor die Nase hält.

Diese formelhaften Trends sind in der gegenwärtigen Gaming-Welt vor allem im Triple-A-Bereich zermürbend. Zum einen gleichen sich innerhalb eines Konsolenzyklus' viele Spieler einander an. Plötzlich hat jeder Shooter Deckungsmechaniken, jeder Gegner eine Levelzahl über dem Kopf und dauernd werden Knöpfchen eingeblendet, die ich drücken muss. Dass Spiele voneinander lernen, ist super - aber zwischen Lernen und Kopieren gibt's eben einen Unterschied.

Außerdem hängen solche Trends fast immer mit Geld zusammen. Die Level-Ups existieren meist, um Spielzeit zu erhöhen. Und erhöhte Spielzeit macht aus deinem Produkt ein besseres Service-Game und das kannst du wiederum besser monetarisieren durch Skin-Shops, Battle Pass, DLCs und so weiter. Dass dieser Weg die Leute sauer macht, haben diverse Publisher erkannt. Ubisoft segelt mit AC Valhalla in eine neue Richtung, Call of Duty wirft DLCs über Bord und selbst EA kickt jüngst den Ultimate-Team-Modus aus UFC 4 raus.

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Gotham Knights wirkt hier merkwürdig aus der Zeit gefallen. Ähnlich wie beim zehnten Gears-of-War-Klon merken die Leute auch hier, dass hinter den Leveln der Gegner kein tolles System stecken kann. Und bei Release 2021 wird der Trend noch deutlich altbackener anmuten. Das soll dem Spiel gar keinen Abbruch tun - ich freue mich (wie all die positiv gestimmten Fans) nach wie vor darauf, weil es ja durchaus ein ein tolles Actionspiel werden kann. Aber die Skepsis gegenüber Levelsystemen kann ich nicht nur nachvollziehen - sie ist auch die Schuld der gesamten Blockbuster-Branche.

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