In einer nur wenig überraschenden Entscheidung hat die USK der unzensierten Fassung von Post Scriptum: The Bloody Seventh mit Hakenkreuz-Bemalung und SS-Runen die Altersfreigabe verweigert. Auch wenn sich die Prüfstelle bisher nicht öffentlich dazu geäußert hat, so liegt der Grund auf der Hand: Die seit Kurzem auch auf Videospiele anwendbare Sozialadäquanzklausel greift hier nach Meinung der USK nicht, denn rein auf Mehrspielerballereien getrimmte Titel lassen jede Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus vermissen.
Zu den Hintergründen:UKS hebt generelles Verbot von verfassungsfeindlichen Symbolen auf
»Doppelmoral«, »Verleugnung der eigenen Geschichte« und »Abwertung der Kunstform Videospiel« möchte man da gerne rufen. Doch eigentlich quittiert die USK damit nur das bräsige Schulterzucken vieler Entwickler, wenn sie abseits von möglichst authentischen Waffenmodellen und penibel zusammenrecherchierten Schlachtfeldern Krieg zur unbekümmerten Spielplatzrauferei reduzieren.
Wenn Martin (@MrMedarion) nicht gerade darüber nachdenkt, ob er den Irgendwas-mit-Medien-Studiengang wirklich hätte durchziehen sollen, dann philosophiert er über all die noch ungenutzten Möglichkeiten des Videospiel-Mediums. Meistens murmelt er das nur in seinem stillen Kämmerlein vor sich hin. Jetzt war er aber fest davon überzeugt, dass die Welt, also die GameStar-Leser, seine Gedanken zur jüngsten Hakenkreuz-Entscheidung der USK erfahren sollten.
Die Reduzierung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner
Unstrittig ist, dass Einzelspieler-Erlebnisse wie Attentat 1942 der historischen Dimension gerecht werden und schon viel früher als sozialadäquat hätten gelten müssen. Dazu braucht es keinen halb-dokumentarischen, belehrenden Stil oder anklagende Botschaften. Die internationale Version eines Wolfenstein 2: The New Colossus schafft bei aller Absurdität und Brutalität eine wohl überlegte Offenlegung des schieren Rassen- und Größenwahns des nationalsozialistischen Deutschlands.
Selbst das sich ständig toppen wollende Explosionsfest Call of Duty hat es in all seinen Zweiter-Weltkriegs-Iterationen geschafft, als Minimalkonsens die Nazis und deren Weltanschauung im Singleplayer als klares Feindbild zu präsentieren. Diese Darstellung ist simpel und wenig erhellend, doch darf auch das erlaubt sein. Ein Indiana Jones tut in filmischer Form ebenfalls nicht mehr.
Statt sich dieser bereits etablierten Mittel zu bedienen oder ganz neue Wege zu finden, kriegerische Handlungen zu diskutieren, enden solche Bemühungen oft in der Multiplayer-Lobby. Day of Infamy, Post Scriptum und höchstwahrscheinlich auch Battlefield 5 entziehen dem Zweiten Weltkrieg jegliche Ideologie. Hier stehen sich nicht mehr verschiedene politische Systeme gegenüber, hier nähren keine verführerischen Propagandastimmen die Vorurteile der Soldaten.
Keine Hakenkreuze in Battlefield 5: Interview mit Dice
Das Hakenkreuz als Deko-Element
Diese Form der Konflikt-Gleichgültigkeit, bei der sich die Achsenmächte und Alliierten nur durch ihr optisches Erscheinungsbild unterscheiden, wird es immer geben, solange es auch Spieler gibt, die dem Medium nicht mehr zutrauen und nur nach noch mehr Weltkriegs-Shootern lechzen, die so klingen und aussehen sollen wie der Zweite Weltkrieg, aber doch bitte in einem luftleeren Raum mit gesinnungslosen Gegenspielern stattfinden müssen. Selbstverständlich ist das eine Herangehensweise, die viele Stunden Unterhaltung garantieren kann, verengt aber auch gleichzeitig die möglichen Darstellungsformen des virtuellen Kriegs.
Und genau das ist, wie ich finde, die Krux an der Sache, wenn derartige Spiele das Hakenkreuz zeigen dürften. Die Bundesrepublik schärft als Nachfolgestaat des sogenannten Dritten Reichs ein besonderes Bewusstsein für die Gräueltaten der Nazis. Das äußerst sich zum einen darin, dass nur in Ausnahmefällen die Verbreitung von Kennzeichen des Nationalsozialismus zulässig ist. Dadurch findet keine Verleugnung statt, stattdessen verbinden wir jede Kenntlichmachung von Bannern, Liedern oder Uniformen mit NS-Hintergrund im öffentlichen Raum mit der Erkenntnis, was die Folgen von Rechtsextremismus sind.
Für diese Umstände interessieren sich noch viel zu wenige Multiplayer-Spiele, sie würden das Hakenkreuz und andere NS-Insignien für ein scheinbar authentisches Kriegsbild zu reinen Dekorationselementen degradieren. Hier findet vielleicht Auseinandersetzung in geschichtlichen Kulissen statt, aber keine Auseinandersetzung mit Geschichte. Die Bedeutung nationalsozialistischen Symbole nimmt in diesem konstruierten Setting einen zu geringen Platz ein und könnte so jeglichen Schrecken verlieren.
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