Selten hatte ich bei einem nagelneuen Spiel so stark das Gefühl, alles schon mal gesehen und erlebt, es in der Vergangenheit mindestens schon ein Dutzend Mal durchgespielt zu haben, wie im Test von Tales of Arise.
Dabei hat das Rollenspiel eine wahnsinnig starke Präsentation, fantastische Sprachausgabe und ein paar coole, überraschende Wendungen in der Story. Aber die großen Höhepunkte und seine schicke Open World verbergen sich in der zweiten Spielhälfte - und vorher müsst ihr euch erstmal 15 Stunden durch den für JRPGs maximal traditionellen Spielanfang wühlen.
Tales of Arise macht grundsätzlich sehr wenig neu. Im Vergleich zu früheren Teilen der Reihe gibt es Änderungen und Verbesserungen, den vom Publisher angekündigten Wendepunkt für die Reihe solltet ihr mit diesem Spiel aber nicht erwarten. Zudem leidet es unter seiner garstigen Monetarisierung, die ihr am besten ignoriert, was nur leider viel leichter gesagt ist als getan.
- ... ihr klassische JRPGs mögt oder endlich mal ins Genre reinschnuppern wollt.
- ... ihr gerne Kostüme und Outfits sammelt.
- ... ihr auf eine schicke Präsentation mit toller Grafik steht.
- ... ihr schwierige Story-Entscheidungen fällen wollt.
- ... ihr Schlauch-Level hasst.
- ... ihr keine Lust habt, euch die Kämpfe für mehr Anspruch selbst schwieriger zu machen.
Der Autor
Sascha Penzhorns erstes JRPG war Phantasy Star für Sega Master System in den späten 80ern. Er tätigt auch Ausflüge in die Welten von Ys, Final Fantasy, Xenoblade Chronicles und ähnliche beliebte Spielereihen im Genre. In Tales of schaut er seit den Fassungen für PSP und Nintendo DS immer wieder mal rein, doch bisher hat ihn die Reihe nie so ganz überzeugt und war immer eher ein attraktiver JRPG-Happen für zwischendurch, wenn sich sonst gerade nichts Passendes fand. Tales of Arise soll das jetzt ändern und Serie auf ein neues Level bringen. Natürlich sind diese und ähnlich blumige Versprechungen nicht neu - kann ihn Tales of Arise wirklich mehr überzeugen als seine Vorgänger?
Gut gegen Böse
Die Planeten Rena und Dahna liegen im Clinch miteinander. Die Bewohner Dahnas haben die Renaner versklavt, beuten sie aus und unterdrücken sie. Das Leben eines Renaners ist so gut wie nichts wert und als Spieler in der Rolle der zunächst namenlosen Hauptfigur ohne Gedächtnis ist es euer Alltag, euch für eure unmenschlichen Herrscher abzuschuften.
Das Setting von Tales of Arise ist düster und deprimierend und fesselt vom ersten Augenblick, auch wenn es eine ganze Weile einfach nur als klassischer Kampf der unterdrückten, guten Underdogs gegen die abgrundtief bösen Ausbeuter abläuft. Denn Alphen, der Held der Geschichte, schließt sich recht fix ein paar Aufständischen an und macht es sich zur Aufgabe, die fünf herrschenden Lords von Dahna abzumurksen und der Sklaverei endgültig ein Ende zu bereiten.
So unkreativ schwarz und weiß bleibt es zum Glück nicht. Im Verlauf der Story gibt es ein paar coole Wendungen und Überraschungen, nur lässt sich Tales of Arise sehr viel Zeit damit. Überhaupt seid ihr locker zehn bis fünfzehn Stunden unterwegs, bis das Spiel endlich mal richtig Fahrt aufnimmt, euch die Stützräder entfernt und einigermaßen in die Gänge kommt.
Wenn es endlich so weit ist, wird das Teil richtig gut und macht endlich ordentlich Spaß, doch bis dahin muss man sich erst mal durchbeißen und erlebt derweil neben einem eher seichten Gameplay eine Hitparade der Klischees.
Hast du mich fett genannt?
Falls ihr schon mal ein JRPG gespielt habt, werden euch diverse Momente im Spiel sicherlich bekannt vorkommen:
- Der Held taucht eines Tages einfach so auf und erinnert sich an nichts, bis zu einem schicksalsträchtigen Moment, der durch das Zerbrechen einer Maske symbolisiert wird.
- Eine weibliche Figur braucht GENAU JETZT neue Kleider, ohne Widerrede!
- Das Geräusch von Magenknurren, ständige Gespräche über Essen und eine Figur, die übermenschlich viel in sich reinstopfen kann.
- Ein graumelierter Veteran, der anfangs die Zügel hält und euch leitet, bis exakt das passiert, was ihr bereits nach den ersten fünf Spielminuten erwartet.
- Eine Figur mit einem niedlichen Haustier, das fortan als Maskottchen der Gruppe dient und bescheuerte Geräusche macht.
- Eine unnahbare, introvertierte Protagonistin und ein optimistischer Schwertkämpfer, der durch Heldenmut und Selbstlosigkeit ihr Herz erwärmt. Und immer so weiter.
Warum wir bei GameStar und viele Spieler da draußen JRPGs dennoch ins Herz geschlossen haben, hört ihr im Podcast:
Die Story wird richtig gut, wenn sie endlich in Fahrt kommt. Sie wird von hervorragenden Sprechern getragen, denen ihr wahlweise in englischer oder japanischer Sprache lauscht (und dabei deutsche Bildschirmtexte lest, wenn ihr sie wollt).
Die Figuren sind liebenswert und stark in Szene gesetzt. Weil ich ein Unmensch bin, der Dialoge gerne versteht und nicht nur liest, habe ich überwiegend mit englischer Sprachausgabe gespielt und fand die meisten Sprecher hervorragend und glaubwürdig.
Viele Momente sind emotional bewegend, weil sie sehr gut gespielt und gesprochen sind, auch wenn das genretypische Overacting und ständige Seufzer, Stöhnen und andere Anime-Atemgeräusche hier natürlich ebenfalls voll zum Programm gehören.
Ihr verbringt im Spiel gefühlt so viel Zeit mit teils sehr langen Dialogen und Zwischensequenzen wie mit Kämpfen und dem Erkunden der Spielwelt. Was zur Hauptstory gehört, ist für gewöhnlich voll vertont, kleinere Unterhaltungen mit NPCs und Texte für Nebenmissionen bleiben stumm.
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