Es ist schwer, sich der Anziehungskraft eines Tabletop-Dioramas zu entziehen: Egal ob Warhammer, Battletech oder Star Wars - die aufwendigen Landschaften und handbemalten Figuren, Mechs oder Raumschiffe schreien lauthals »Spiel mich! Jetzt! Du willst es doch auch!« Genauso erging es uns bei Wartile, dem Echtzeit-Taktikspiel des dänischen Entwicklers Playwood Project.
Denn das kombiniert frei dreh- und zoombare, schicke 3D-Hexfeld-Maps mit typischen Tabletop-Figuren. Auch das Spielprinzip ist ungewöhnlich, denn wir agieren mit unseren Wikingerfiguren nicht komplett rundenbasiert oder komplett in Echtzeit, sondern mit einem Cooldown-System. Wenn wir zum Beispiel einen Axtkrieger um drei Hexfelder weiterziehen, müssen wir ein paar Sekunden warten, bis wir ihn wieder bewegen können.
Kommentiertes Gameplay:So spielt sich Wartile
Um einen Gegner anzugreifen, stellen wir eine Figur in Angriffsreichweite - unser Nahkämpfer muss direkt ran an den Feind, ein Speerträger sticht aus zwei Feldern Entfernung zu, eine Bogenschützin feuert noch weiter. Einmal in Position, greifen unsere Kämpfer automatisch ihr Ziel an.
Falls wir sie in eine bessere Stellung bringen oder zurückziehen wollen, müssen wir warten, bis ihr Cooldown abgelaufen ist. Dazu kommen ganz klassische Kampfregeln: Wenn wir einen Feind flankieren oder von hinten attackieren, richten wir mehr Schaden an; und wenn wir erhöht stehen, gibt's ebenfalls einen Bonus.
Rettende Zzzzzzeitlupe
Im Laufe der Kampagne (Kurzfassung: Wikinger gegen Engländer) sammeln wir unter anderem Karten ein und stellen uns so ein Deck zusammen. Je nach Figurenklasse können wir Gegnern beispielsweise einen Schildschlag verpassen und sie kurzzeitig betäuben, oder einen Giftkrug werfen, der Flächenschaden über Zeit anrichtet.
Manche Karten dürfen wir nur auf der aktuellen Map einsetzen, etwa Heilkräuter oder Met (der viel besser heilt als die doofen Kräuter). Diese Karten schmeißen wir vor allem im Gefecht ins Spiel, und da sie ebenfalls einen Cooldown sowie oft Reichweiten und Flächenwirkungen haben, wird's schnell etwas hektisch-fummelig.
Zum Glück können wir Wartile per Leertaste in Zeitlupe versetzen - und die ist dermaßen langsam, dass wir wie im Trance Figuren verschieben und Karten ausspielen.
Deutscher Entwickler als Publisher:Wie hilft Deck 13 den Wartile-Machern?
Nur auf dem Papier spannend
In der Theorie und auf dem Papier klingt das alles ungewöhnlich und spannend. In der Praxis ist's allerdings nur ungewöhnlich, denn Spannung kommt eher selten auf. Wartile hat nämlich gleich mehrere Probleme.
Weil wir in den ersten Missionen nur mit zwei Figuren und auch später nur vier weitere freischalten, wir aber selten alle sechs Figuren auf eine Map mitnehmen dürfen, hält sich das Taktieren in argen Grenzen. Nahkämpfer Hakon Goldmähne vorn, dahinter Speerträger Jorim, dann noch Schamanin Ylva oder Bogenschützin Thoril - viele Gefechte laufen dadurch nach demselben Schema ab.
Hinzu kommt, dass einige Karten viel zu mächtig sind. Zum Beispiel der erwähnte Flächenschaden-Giftkrug, zumal wir ihn im Gegensatz zu normalen Fernkampfangriffen auch ohne Sichtlinie einsetzen können, sogar hinter zwei verschlossenen Türen.
Sammelquests nach Schema F
Wartile punktet vor allem mit seinen eindrucksvollen Diorama-Karten mit ihren wichtigen Höhenstufen. Es macht durchaus Spaß, sich den Hexfeld-Hügel hochzukämpfen, auf dem ein Wachturm thront, um endlich den nervigen Bogenschützen im Nahkampf zu erledigen.
Oder Gegner, die bei einem getriggerten Hinterhalt auf die Map purzeln, in unsere noch schnell ausgelegten Bärenfallen zu locken.
Aber diese Momente machen eben nur einen zu kleinen Teil der Spielzeit aus, die sich wegen des allgegenwärtigen Cooldown-Systems arg in die Länge zieht. Oft müssen wir zudem die Kamera nachjustieren, weil irgendwas die Sicht verdeckt, vor allem in Dungeons.
Die Quests und Nebenaufgaben, in drögen Textfenstern dargestellt, laufen oft nach Schema F ab: Hier ein Kriegshorn aufstöbern, dort einen Schrein erobern. Die Nebenjobs scheinen zudem aus einem Zufallsgenerator zu kommen, der nur Objektnamen und Zahlen austauscht: Sammle zehn Kröten oder vier Ringe von Gefallenen sind eine strunzöde Frechheit.
Charmanter Schwindler
Blöd ist auch, dass wir in herumstehenden Truhen zwar Waffen, Rüstungen, Schilde und so weiter finden, sie aber erst nach der Mission tragen dürfen. Dafür motiviert das Beutesystem, unseren kleinen Trupp immer besser auszurüsten. Neben dem Equipment und den Karten gibt's obendrein Tokens, mit denen wir die Werte unserer Recken verbessern, ihnen etwa mehr Hitpoints oder Angriffskraft verpassen.
Schade: Wartile hat keinen Editor oder ähnliches, mit dem wir unsere Figuren bemalen oder sie wenigstens mit Wappen individualisieren können - dabei hätte das doch prima zum Tabletop-Thema gepasst! Dafür tragen die Jungs und Mädels ihre erbeutete oder beim Händler gekaufte Kampfausstattung sichtbar am Leib.
Unterm Strich ist Wartile wie ein charmanter Schwindler, der cool aussieht, aber bei den inneren Werten nachlässt. Dafür geht der reguläre Preis von 20 Euro gerade noch in Ordnung. Bis zum 15. Februar 2018 gibt's Wartile für knapp 15 Euro.
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