Faszination Gewalt
Ein Problem ist auch: Gewaltverherrlichende, sexistische und rassistische Inhalte werden geklickt – auch von Kindern und Jugendlichen. Für manche Streamerinnen und Streamer scheint das ein Geschäftskonzept zu sein, um möglichst viel Aufmerksamkeit und damit Zugriffszahlen etwa für ihren YouTube-Channel zu generieren.
YouTuber Just Nero machte kürzlich auf einen Kanal aufmerksam, der Fortnite-Videos mit Clickbait-Titeln wie »Ich PACKE SEINE SCHWESTER!!!! (Er tickt aus)« oder »Meine STIEFSCHWESTER bleibt in WASCHMASCHINE STECKEN!!! (Geklärt)« postet. Die Inhalte: Vergewaltigung, Rassismus, Sexismus, Gewalt. Die Zielgruppe: offenbar Kinder und Jugendliche.
Was auf den Videos zu sehen ist:
- Ein Fortnite-Charakter mit dunkler Hautfarbe, der an eine Leine gelegt, wie ein Hund behandelt und dann mit einem Kopfschuss hingerichtet wird.
- Fortnite-Figuren mit weiblichem Skin, die beleidigt, beschimpft und in Vergewaltigungs-Posen gehalten werden.
Die Klickzahlen: bis zu 20.000. Die Kommentarspalten lesen sich, so meint zumindest Just Nero, als würden vor allem Kinder und Jugendliche die Videos schauen. Mittlerweile ist der Account inaktiv. Was übrig bleibt: Ein Statement des Kanalbetreibers mit vielen Rechtschreibfehlern und ebenso vielen Ausflüchten.
Die Videos seien »nur aus Unterhaltungszwecken gemacht« worden und das sei der Community, »obwohl sie jung war« auch klar gewesen. Und: »Die Leute, die bei meinen Videos mitgemacht haben, hatten immer eine Menge Spaß an den Aufnahmen und wir haben viel miteinander gelacht.« Das Statement endet damit: »Ich hoffe, dass ihr meinen ›speziellen‹ Humor etwas versteht.«
Kein Kommentar
Auch anderswo tun sich Abgründe auf. Die BBC berichtet 2022 von nicht-jugendfreien Räumen in Roblox, sogenannte Condos, in denen Spieler sich etwa zum Sex treffen können. Das Problem: Im digitalen Raum ist kaum nachvollziehbar, wer sich hier mit wem trifft und ob da Minderjährige dabei sind.
Link zum YouTube-Inhalt
Zwar beteuert das Unternehmen Roblox Corporation auf Nachfrage der BBC, dass solche Räume sofort entfernt werden, sobald man sie finde. Die Firma muss aber gleichzeitig einräumen, dass es hier natürlich Dunkelziffern gebe.
Auf der Roblox-Webseite finden sich Guidelines zum Thema Kinderschutz und Bedienungstipps für Eltern. Man arbeitet, so steht es auf der Webseite, mit einem Chat-Filter, der die »öffentliche wie private« Chat-Kommunikation altersabhängig filtere, um »unangemessene Inhalte und die Veröffentlichung persönlicher Informationen« zu verhindern.
Je nach Alter und »Erfahrung« stehen den Spielern unterschiedliche Sicherheitseinstellungen und Chat-Optionen zur Verfügung. Spielerinnen und Spieler über 13 Jahre haben so beispielsweise mehr Textoptionen im Chat als jüngere.
Allerdings lässt sich die Schranke durch die Erstellung eines Fake-Kontos umgehen. Auf eine Anfrage an Roblox erhalten wir keine Antwort. Epic Games, die verantwortlich für Fortnite sind, stellen für Elternanfragen ein gesondertes Kontaktformular zur Verfügung.
Die Community-Regeln bleiben ähnlich vage wie bei Roblox. Cybergrooming als Begriff wird in den Regelauflistung überhaupt nicht erwähnt, während andere digitale Arten von Übergriffen wie Doxing oder Griefing benannt und angesprochen werden.
Eltern werden auf einer Unterseite über die Möglichkeit und Bedienung der Kindersicherung informiert. Die gibt es neuerdings in überarbeiteter Version. Dabei wird der Account von Spielerinnen und Spielern, die jünger als 13 Jahre alt sind, automatisch eingeschränkt. Einige Features, wie die Chat-Kommunikation oder auch bestimmte Spiele, können nicht ohne Zustimmung der Eltern aktiviert werden.
Wir haben Epic Games um ein schriftliches Statement gebeten, welche Maßnahmen gegen Cybergrooming unternommen werden. Auf diese Anfrage wurde wiederholt nicht eingegangen. Man wolle erst persönlich reden und klären, in welche Richtung der Artikel ginge, hieß es aus der PR-Abteilung.
Selbst nach einer detaillierten Beschreibung des Vorhabens blieb ein Statement allerdings vorerst aus. Erst nach Veröffentlichung dieses Artikels lieferte Epic Games eine Antwort, ihr könnt es hier nachlesen:
Tendenz steigend
Die Fälle von Cybergrooming häufen sich. Laut der Studie »EU Kids online« des Hans-Bredow-Instituts sind jedes dritte Mädchen und jeder vierte Junge im Alter von neun bis 17 Jahren betroffen und wurden schon einmal mit anzüglichen Fragen oder sexualisierter Kommunikation konfrontiert. Tendenz steigend.
Allein von 2018 auf 2019 ist die Zahl der gemeldeten Cybergrooming-Fälle in Deutschland um 34 Prozent auf 3.300 gestiegen. Laut BKA-Statistik ist sie im Jahr 2020 nochmal um 17,6 Prozent gestiegen. Die Dunkelziffer ist hoch.
Eine repräsentative Umfrage des Landesanstalt für Medien NRW vom letzten Jahr zeichnet ein bedrückendes Bild. Die Anzahl der Cybergrooming-Fälle nimmt demzufolge stetig zu. Fast ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen wurde bereits im Netz von Erwachsenen zu einer Verabredung aufgefordert oder Gegenleistungen für Nacktfotos versprochen. Das ist mehr als in den Vorjahren.
Betroffen sind zudem zunehmend jüngere Kinder, vor allem acht- bis zwölfjährige. »Meist versuchen die Täter, eine emotionale Abhängigkeit zu erzeugen. Diese emotionale Abhängigkeit führt unter anderem dazu, dass Cybergrooming oft nicht angezeigt wird« erklärt Robert de Lubomirz-Treter, Teamleiter der Digitalinitiative ZEBRA bei der Landesanstalt für Medien NRW.
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