Seite 4: Tatort Fortnite und Co: Cybergrooming ist eine große Gefahr für Kinder, das kann dagegen helfen

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Warnsignale erkennen

Nicht nur Staat und Branchenverbände sind also gefragt. Jede und jeder Mediennutzende kann und sollte die Augen offenhalten. Im Zweifelsfall sollte man schnell handeln, empfiehlt Rebecca Michl-Krauß: »Für diejenigen, die Belästigungen beobachten oder selbst betroffen sind, gilt es, das auf jeden Fall beim jeweiligen Dienst zu melden und das Profil zu blockieren.« 

Allerdings finde Cybergrooming vor allem in Privatchats statt - und da bekommen andere unter Umständen gar nichts von den Übergriffen mit. Empfehlenswert sei, so Michl-Krauß, Kinder und Jugendliche für bestimmte Warnsignale zu sensibilisieren, die auf Cybergrooming hindeuten könnten. Sie nennt Beispiele: 

»Gibt die fremde Person beispielsweise nicht viel von sich preis, möchte aber sehr viel über das Kind wissen? Gibt es Komplimente oder sogar virtuelle Geschenke? Wird das Kind dazu aufgefordert, die Kamera anzumachen, während aber die Kamera des Chatkontakts ausbleibt? Und natürlich: Werden intime oder pornografische Aufnahmen versendet oder wird gefordert, eigene intime Aufnahmen zu senden?« 

Heranwachsende sollten von ihren Bezugspersonen darin gestärkt werden, den Kontakt sofort abzubrechen, wenn sie sich in einem Chat nicht wohl fühlen oder übergriffiges Verhalten erleben. Robert de Lubomirz-Treter von der Initiative ZEBRA nennt weitere Warnsignale, sogenannte Red Flags:

»Möchte die Kontaktperson schnell in private Messenger wechseln, sollte einen das hellhörig machen. Täterinnen und Täter tun dies, weil die Kommunikation darüber schwierig rückverfolgbar ist, wenn es zu einer Anzeige kommt. Zu Beginn arbeiten sie häufig mit einem Übermaß an Verständnis und bauen dann schnell sozialen Druck auf.«

Wenn eine fremde Person nach Videos oder Fotos frage, sollte man dies verweigern. Spätestens wenn die Person dann ungehalten werde und mehr Druck aufbaue, sollte der Kontakt dem entsprechenden sozialen Netzwerk gemeldet und in den eigenen Einstellungen blockiert werden. Robert de Lubomirz-Treter: »In solchen Fällen ergibt es Sinn, Chatverläufe und Screenshots zu sichern.« 

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Vorfälle zur Anzeige bringen

So geradlinig liegen die Fälle aber oft nicht, meint Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger: »Ein Klassiker ist tatsächlich meist eine Kommunikationsführung nach dem Motto ›Hi, wie geht´s?‹, ›Wie alt bist du?‹ und ›Hast du WhatsApp?‹«

Das Problem ist offensichtlich: »Gerade Anbahnungen ohne klaren sexuellen Bezug sind nur schwer zu unterscheiden von unproblematischen Kommunikationen unter Gleichaltrigen.« Aufhorchen sollte man, wenn Freunde oder Bekannte eines Kindes oder Jugendlichen meinten, dass das Kind mit »irgendjemandem komisch« schreiben würde, so Rüdiger. 

Wichtig ist, so der Leiter des Insituts für Cyberkriminologie an der Hochschule der Polizei Brandenburg: »Wenn man auf eindeutige Chat-Kommunikationen bei Kindern oder Jugendlichen stößt, sollte man zunächst den Drang unterdrücken, den Täter oder die Täterin anzuschreiben.« Das dürfte gerade betroffenen Eltern schwer fallen, sei aber ganz zentral, um die Person nicht zu warnen und die Strafverfolgung dadurch zu erschweren.

»Der beste Weg in so einem Fall ist es, direkt zur nächsten Polizeiwache zu gehen oder alternativ eine Anzeige über eine Internetwache zu machen«, rät Thomas-Gabriel Rüdiger. Auch Beratungsstellen können natürlich ein erster Anlaufpunkt sein, meint der Cyberkriminologe. 

Der Vorfall sollte jedoch unbedingt zur Anzeige gebracht werden, das geht de facto nur über die Polizei. Zu bedenken ist: »Täterinnen und Täter haben teilweise viele Opfer, von denen nur sehr wenige eine Konfrontation auch zur Anzeige bringen«. Auch um andere zu schützen, sei es deshalb wichtig, sich an die Polizei zu wenden und die Anzeigenwahrscheinlichkeit zu erhöhen. 

Was sich ändern muss

Gerade Eltern und sonstige Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen stehen natürlich in der Sorgfaltspflicht. Aber: »Wir dürfen die Verantwortung nicht allein bei den Eltern sehen« macht Cyberkriminologe Rüdiger deutlich. 

Die Bundesrepublik müsse auf mehreren Ebenen endlich nachbessern: »Wir brauchen endlich die Vermittlung von Medienkompetenz ab der 1. Klasse in ganz Deutschland. [...] Die Sicherheitsbehörden und damit die Polizei müssen effektiver gegen Sexualtäterinnen und -täter im Netz vorgehen.«

Dabei verweist Rüdiger nochmal auf die dänische digitale Polizeistreife: »In Deutschland findet so etwas weitestgehend nicht statt und das wissen Täterinnen und Täter auch.« Seine Erfahrung sei, dass gerade die deutschen Sicherheitsbehörden den gesamten Gaming-Bereich immer noch nicht ernst genug nehmen:

»Gaming wird immer noch als Spielerei angesehen oder es werden, wenn überhaupt, völlig überholte und unnötige Diskussionen wie zu digitalen Spielen und Gewalt geführt.« 

Ein zentraler Aspekt sei außerdem, dass die Hürde für Kinder und Jugendliche, sich polizeilich Hilfe zu holen, zu hoch wäre. Rüdiger vermutet, dass nur wenige Kinder in der Lage seien, eine Anzeige durchzuführen -  »das ist ja teilweise sogar für Erwachsene schon schwierig«. 

Diese Tatsache, gepaart mit der Scham, die bei Betroffenen oft auftrete, sowie der Angst, von den Eltern bestraft zu werden, mache Anzeigen unwahrscheinlich. Rüdiger spricht sich an dieser Stelle klar für neue Strukturen aus: »Ich wünsche mir eine Kinder-Onlinewache, in der rund um die Uhr Fachpersonal - PädagogInnen, PolizistInnen und PsychologInnen - sitzen und per Videochat für Hilfe für Kinder zur Verfügung stehen.« Das aber sei, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, noch Utopie.

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