Ein Brett von Interface
Obwohl Blizzard während der Entwicklung ein deutlich schlankeres, moderneres Interface präsentiert hat, gibt's im finalen Spiel immer noch das alte. Das ist ein echtes Brett - im wahrsten Sinne des Wortes. Denn es bedeckt ein sattes Viertel der Bildschirmhöhe, mit völlig überdimensionierten Buttons, die selbst ein Maulwurf mit Augenklappe noch erkennen würde.
Das mag anno 2002 mit den damaligen Auflösungen noch okay gewesen sein, bei den heutigen 4K-Auflösungen ist so ein Brett schlicht ein Witz. Kann man aber bestimmt skalieren, wie bei World of Warcraft, oder? Nee, kann man nicht.
Aber es geht noch »witziger«: Ihr dürft die Hotkeys nicht umbelegen! Zumindest nicht einfach im Spiel, nein, ihr müsst eine Textdatei anlegen und in den Optionen ein Kästchen anklicken, damit die neuen Tastenbelegungen daraus ausgelesen werden. Fehlt nur noch, dass wir autoexec.bat und config.sys editieren sollen…
Viel ungewollte Nostalgie kommt auch auf, wenn wir nur zwölf Einheiten gleichzeitig anwählen und einer Zifferntaste zuweisen dürfen. Grundsätzlich ist die Steuerung aber immer noch gut, auch »modernere« Kommandos wie Befehlsketten per Shift-Klick funktionieren.
Damals wie heute könnte die Wegfindung besser sein, bei größeren Armeen stehen sich Einheiten gern mal gegenseitig im Weg, da hilft auch der Formation-Ignorieren-Button nicht weiter. Das fällt allerdings nicht schwer ins Gewicht, weil das Problem nur an Engstellen auftritt.
Die größte Schwäche: Multiplayer
Aber wie sieht's mit dem Multiplayer-Modus aus? Der war in Warcraft 3 zwar nicht so bedeutend und ausgefeilt wie in den beiden Starcraft-Brüdern mit ihren extrem unterschiedlichen drei Fraktionen - wird aber bis heute begeistert gespielt, seit fast 20 Jahren! Doch diese Begeisterung dürfte jetzt schlagartig abebben.
Denn Reforged schmeißt zu viele wichtige Features des Originalspiels raus: Ranglisten, euer eigenes Profil mit Siegen und Niederlagen, automatische Turniere. Weil das Profil fehlt, ist auch nicht sicher, ob das interne Matchmaking wie bisher die Gegenspieler aufgrund ihrer Skills zusammenbringt - oder einfach zufällig die erstbesten in die Schlacht wirft. Dreimal dürft ihr raten, was wir stark vermuten.
»Kein Problem, spiele ich im Multiplayer halt das alte Warcraft 3 von der Blizzard-Webseite! Oder von meinen Original-CDs!« Leider doch ein Problem: Die Classic-Version ist von der Seite geflogen, und Reforged überschreibt zwangsweise sogar das bisher installierte klassische Spiel.
Man kann zwar den Testserver-Client runterladen und darüber die klassische Version mit Ranglisten spielen - aber so etwas ist doch ein Armutszeugnis für ein 30-Euro-Remaster! Auch andere frühere Bestandteile sind mit Reforged verschwunden. Zum Beispiel könnt ihr keine von Spielern erstellte Kampagnen mehr spielen, nur noch Missionen - und auch von denen funktionieren nicht alle. Auch Clans sind derzeit nicht implementiert, könnten laut Ingame-Menü aber wieder zurückkehren.
Fazit: abgeschmiert
Fassen wir also zusammen: Wenn wir Blizzards ursprünglichen Ankündigungen und vor allem die Blizzcon-Demo mal ignorieren, ist der Singleplayer-Modus immer noch klasse. Denn die grandiosen Kampagnen, das Missionsdesign und die epische Story sind ja nach wie vor erste Kajüte, und die neue Optik ist zumindest guter Durchschnitt.
Für wettkampforientierte Multiplayer-Spieler ist Reforged allerdings ein Schlag ins Kontor. Klar, grundsätzlich machen die Mehrspielerschlachten immer noch Spaß, aber das ganze wichtige Drumherum ist entweder schlechter als vorher oder ganz rausgeflogen.
Vor allem im direkten Vergleich mit seinem aktuellen Remaster-Konkurrenten, Age of Empires 2: Definitive Edition, schmiert Warcraft 3: Reforged völlig ab und bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Nach Diablo Immortal und dem Hearthstone-Hongkong-Debakel muss Blizzard jetzt aufpassen, seinen Ruf nicht noch weiter zu ramponieren. Schließlich war auch die Erfolgsgeschichte der Westwood Studios nur dreieinhalb Jahre nach der Mogelpackung Tiberian Sun zu Ende.
Eine Einordnung der Reforged-Kontroverse lest ihr bei GameStar Plus, wo Redakteur Peter Bathge deutliche Worte für Blizzards Verhalten findet:
Nachträgliche Aufwertung
In unserem ursprünglichen Test stand an dieser Stelle ein großer Kasten, in dem wir die zahlreichen Bugs von Reforged aufdröselten. Hier zählten wir Dinge wie kaputte Kampagnen-Missionen, Soundfehler und extreme Verbindungsprobleme im Multiplayer rein. Mittlerweile haben die Entwickler allerdings einige Patches nachgereicht, die sich viele dieser Probleme zur Brust genommen haben.
Insbesondere die Bugs im Singleplayer wurde angegangen, so dass sich Reforged als Einzelspieler mittlerweile ohne technische Probleme genießen lässt. Weniger erfolgreich war Blizzard aber wohl im Multiplayer, wo es nach wie vor zu Verbindungsproblemen kommen kann. Wir haben die Abwertung von -10 Punkten also auf -3 reduziert. Warum diese Wertungsanpassung uns aber alles andere als leicht fiel, lest ihr in unserem Test-Update.
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