Call of Duty: Modern Warfare: Was taugt die Story-Kampagne?

In der Singleplayer-Kampagne von Call of Duty: Modern Warfare stoßen wir auf viele Verbesserungen - und ebenso viel verschenktes Potenzial.

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Call of Duty: Modern Warfare macht spielmechanisch viel richtig, hält aber seine Versprechen nicht. Call of Duty: Modern Warfare macht spielmechanisch viel richtig, hält aber seine Versprechen nicht.

Die Kampagne von Call of Duty: Modern Warfare ist ein Spec-Ops-Porno. Wer bei Serien wie »Six«, Filmen wie »Sicario« oder den alten Modern-Warfare-Teilen genauso eine Euphorie verspürt wie ein Navy Seal nach der Grundausbildung, der darf sich auf extrem atmosphärische fünf Stunden CoD-Singleplayer freuen. Infinity Ward hat an diversen Schräubchen gedreht, um bei der Spec-Ops-Stimmung voll ins Schwarze zu treffen. Dass die Hauptfigur von »Six« gleich als neuer Captain Price engagiert wurde, bildet da bloß die Glasur auf dem Küchlein.

In den 14 Kampagnen-Missionen schießt ihr euch so ziemlich durchs ABC der Special-Forces-Szenarien: Mit Nachtsichtgerät werden Terrorzellen bei Nacht infiltriert, an der Seite lokaler Milizen Flugplätze eingenommen, ihr greift auf Drohnen und Sprengstoffzünder zurück, statt bloß aufs Gewehr in der Hand zu vertrauen. Üppig ist das Waffenarsenal natürlich trotzdem: Von M4 über MP5 sowie FN FAL bis hin zu AK47 und Dragunov hantiert ihr mit einer breiten Palette zeitgenössischer Schießeisen. Die Figuren halten ihre Waffen halbwegs realistisch vor den eigenen Körper, es gibt taktisches Nachladen und so weiter.

Modern Warfare inszeniert seine Missionen erwartungsgemäß opulent, allerdings deutlich geerdeter als noch in Teil 3 oder den jüngeren Krachbumm-Orgien. Klar, es explodiert trotzdem häufig irgendwas, aber man merkt doch stark: Infinity Ward will ein nachvollziehbareres Szenario erschaffen. Weniger Feinde, intensivere Gefechte, drastischere Gewaltdarstellungen. Doch gerade beim letzten Punkt liegt der Hund begraben.

Denn das neue Call of Duty will provozieren. Es zeigt Gasangriffe gegen Kinder, Folter von Zivilisten, Waterboarding von Gefangenen. Alle beteiligten Fraktionen begehen permanent irgendwelche Kriegsverbrechen. Wer als Entwickler solch sensible Themen ins Rampenlicht rückt, muss ihnen auch gerecht werden.

Schon in unserer ersten Preview haben wir gewarnt, dass aus Kriegsgräuel-Provokation schnell Geschmacklosigkeit werden kann, wenn das Ganze im Kern bloß Marketing-Mittel ist. Und tatsächlich schöpft das neue Modern Warfare hier nicht am Ansatz sein Potenzial aus.

Was haben wir gespielt? Leider hat sich Activision entschieden, die PC-Fassung von Call of Duty: Modern Warfare später freizuschalten als die Konsolen-Pendants. Deshalb lässt unser Multiplayer-Fazit natürlich noch ein Weilchen auf sich warten - wir testen das Spiel schließlich unter Live-Bedingungen. Da sich die Story auf Konsolen und PC jedoch nicht unterscheidet, basiert dieses Story-Fazit hier auf der PS4- und Xbox-Fassung von Modern Warfare. Die Gameplay-Eindrücke zur PC-Fassung reichen wir natürlich so schnell wie möglich nach. Mehr dazu in unserer Übersicht, wie wir Modern Warfare testen.

Worum geht's in der Story von Modern Warfare?

Kurz zur Einordnung: In der Story von Modern Warfare wird eine Biowaffe gestohlen - und die vier Hauptfiguren wollen den Kampfstoff für ihre jeweilige Fraktion zurückholen. Farah Karim ist eine Widerstandskämpferin im fiktiven Nahoststaat Urzikstan, Captain Price verkörpert den abgebrühten SAS-Soldaten, »Alex« vertritt als CIA-Agent die Amerikaner und der britische Neuzugang Kyle Garrick verlässt die Londoner Polizei, weil er radikaler Terroristen jagen will.

Call of Duty: Modern Warfare - Fazit-Video zur Singleplayer-Kampagne Video starten 13:25 Call of Duty: Modern Warfare - Fazit-Video zur Singleplayer-Kampagne

Auf der Gegenseite stehen abtrünnige russische Militärs, die Urzikstan beherrschen, sowie eine terroristische Vereinigung, die Urzikstan mit allen Mitteln von ausländischer Intervention befreien will. Beide Parteien bekämpfen sich deshalb logischerweise auch untereinander - und daraus ergibt sich ein Spannungsfeld, in dem Freund und Feind oft kaum zu unterscheiden sind. Spannende Ausgangslage? Auf jeden Fall.

Im Ansatz gelingt Call of Duty: Modern Warfare sogar ab und an, die Schrecken dieses modernen Krieges nachvollziehbar zu illustrieren. Im Gefecht tragen unsere und die feindlichen Leute oft keine Uniformen: Wer versehentlich Zivilisten oder Kollegen trifft, kassiert direkt das Game Over. Und das geschieht oft. Gerade während eines Bombenanschlags auf den Londoner Piccadilly Circus entsteht so eine enorme Panik und Anspannung. Doch dieses Momentum verfliegt, sobald uns dämmert, wie mechanisch die Entwickler immer wieder die gleichen Provokationen inszenieren.

Jedes Waterboarding, jede Hinrichtung, jedes Kriegsgräuel ist bloß ein Fingerzeig, ein »Guckt mal, wie heftig dieser Krieg ist.« Modern Warfare schöpft das Potenzial der eigenen Geschichte nicht aus. Den russischen Warlord und Captain Price hätte man beispielsweise wunderbar als Spiegelbilder inszenieren können: Beide wollen um jeden Preis für Frieden sorgen, beide begehen dafür amoralische Taten - und am Ende müsste Price sich wirklich damit auseinandersetzen, was für einen Menschen der Krieg aus ihm gemacht hat. Doch so tief schürft die Story an keiner Stelle. Es bleibt ein oberflächliches »Ja, wir müssen das halt tun, sonst verlieren wir den Krieg«. Schade.

Modern Warfare menschelt

Soll aber nicht heißen, dass uns die eigentlichen Figuren egal sind. Ganz im Gegenteil: Modern Warfare schafft es tatsächlich besser als die meisten CoD-Teile, die eigenen Charaktere greifbar zu machen. Besonders Farah und Price brillieren in ihrer schauspielerischen Leistung - und in ihrer Gegensätzlichkeit. Zudem wechselt mit jeder Mission der Schauplatz. Mal kämpfen wir in London, mal in Russland, mal in Georgien, meist jedoch in Urzikstan.

Call of Duty: Modern Warfare - Screenshots aus der Solo-Kampagne ansehen

In einer Mission lotsen wir eine Sekretärin durch Kameraüberwachung durch eine von Terroristen besetzte Botschaft. Dann erobern wir als Drohnenpilot einen russischen Flugplatz. Im nächsten Einsatz infiltrieren wir ein Londoner Appartementgebäude bei Nacht, nur um im Anschluss in einer Flashback-Zeitreise die Eroberung Urzikstans durch die Russen zu durchleben. Der Rhythmus der Kampagne ist hervorragend, wir hatten zu keiner Sekunde Langeweile.

Und damit stecken wir auch schon mitten im Gameplay. Die neue Modern-Warfare-Kampagne spielt sich deutlich bodenständiger als alle anderen CoD-Storys. Oft kämpft ihr in einer Mission bloß gegen wenige Feinde, die schießen allerdings selbst auf dem zweiten der vier Schwierigkeitsgrade wesentlich tödlicher. Umgekehrt reicht meist ein gezielter Schuss von euch, um eine Bedrohung auszuschalten. Doch keine Sorge: Es gibt nach wie vor größere Spektakel, nur stürzt eben kein Eiffelturm mehr ein.

Call of Duty bleibt trotzdem Call of Duty

Auf höheren Schwierigkeitsgraden müsst ihr auf jede Neuerung zurückgreifen, die euch das Spiel anbietet: Waffen könnt ihr jetzt an Türrahmen anlegen, um besonders vorsichtig um Ecken zu zielen. Türen lassen sich behutsam öffnen. Und das Nachladen klappt nun auch, während ihr über Kimme und Korn zielt. Wer nicht gemächlich vorgeht, sieht in vielen Situationen kein Land. Lugen wir hingegen mit Feingefühl um Ecken, werfen eine Blendgranate und überraschen die Gegner, dann entstehen unheimlich atmosphärische Spec-Ops-Situationen.

Die Nachteinsätze bilden das atmosphärische Highlight der Kampagne. Auch wenn sie spielmechanisch oft bloß lineare Schläuche sind. Die Nachteinsätze bilden das atmosphärische Highlight der Kampagne. Auch wenn sie spielmechanisch oft bloß lineare Schläuche sind.

Diese gelungene Atmosphäre bleibt aber dennoch Augenwischerei. Dass die Gegner so tödlich sind, liegt schlicht am sogenannten »Hitscanning«: Statt eine wirklich smarte KI zu entwickeln, treffen euch die Gegner im Prinzip im Moment des Augenkontakts. Gerade auf hohen Härtegraden sorgt das immer noch für frustige Trial-&-Error-Passagen, weil Feinde unrealistisch gut Bescheid wissen, wo ihr euch gerade versteckt.

Doch die Feinde machen genügend Druck und suchen (weitestgehend) clever genug Deckung, um die Atmosphäre nicht zu ruinieren. Dass die Waffen sich spürbar wuchtiger anfühlen als in früheren Serienteilen, kommt den Gefechten ebenfalls zugute. In puncto Leveldesign bleibt der Schuster bei seinen Leisten: Die meisten Areale sind enge Levelschläuche, bei denen ihr bloß hier und da mal zwischen mehreren Angriffspunkten wählen könnt.

Ziehen wir den Sack zu

Was bleibt am Ende also? Ein Call of Duty, das vor allem mit Spec-Ops-Atmosphäre glänzt. Das verbesserte Gunplay, die geerdeteren Szenarien, das behutsamere Movement - all diese Dinge münden in eine Kampagne, die sich zwar nicht wie ein Taktik-Shooter spielt, aber doch taktischer anfühlt. Die Geschichte macht neugierig, bedient zwar plakativ, aber doch gezielt den Fan-Service-Wunsch der Modern-Warfare-Fans. Charaktere wie Farah zeigen, dass Infinity Ward sich allmählich fortbewegt vom Macho-Mantra vergangener Serienteile.

Umso tragischer, dass Modern Warfare der Mumm für die Storytelling-Meisterklasse fehlt. Das Potenzial wäre vorhanden, eine spannende Anti-Kriegsgeschichte zu erzählen und die Grenzen zwischen Schwarz und Weiß wirklich zu verwischen. Stattdessen bleiben die Russen im Schnitt die Bösen, die Amerikaner die Guten - und die gezeigten Kriegsverbrechen in erster Linie Marketing-Provokation.

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