Command & Conquer: Rivals - Das ist kein C&C

Das neue Command & Conquer ist ein Affront für Fans. Und gleichzeitig gar nicht übel, sagt Micha.

Command + Conquer: Rivals - Das neue Free2Play-C+C für Mobile im Trailer Video starten 1:06 Command & Conquer: Rivals - Das neue Free2Play-C&C für Mobile im Trailer

Man habe ja mit den Beschwerden über Command & Conquer: Rivals gerechnet, seufzt Mike Martinez im Interview auf den E3. Und ich würde den Leiter der EA Redwood Studios am liebsten schütteln wie einen Apfelbaum, bis ihm das Grinsen aus dem Gesicht fällt: Dann macht es nicht, Mike! Macht es nicht!

Zu spät, sie haben es gemacht. Einen Free2Play-Mobile-Ableger von Command & Conquer. Zwei Jahre lang habe sein Team an C&C: Rivals gearbeitet, sagt Martinez. Und irgendwann in diesen zwei Jahren - wahrscheinlich ganz am Anfang - muss irgendjemand bewusst entschieden haben: Ach komm, ist doch egal, was die alten C&C-Fans wollen.

Die Spieler also, die mit Command & Conquer aufgewachsen sind. Die diese Strategieserie überhaupt erst groß gemacht haben, nur um letztlich ihren Niedergang mitzuerleben. Und die selbst nach dem (natürlich nie erschienenen, ähem) Command & Conquer 4 und dem Ende 2013 eingestellten Free2Play-C&C nie die Hoffnung aufgaben, dass irgendwann, vielleicht, eventuell ein klassisches Command & Conquer erscheinen könnte. Für den PC, womöglich ja sogar mit einer Solokampagne.

C+C liegt am Boden, EA tritt nach - Video-Kommentar zu Command + Conquer: Rivals Video starten 4:04 C&C liegt am Boden, EA tritt nach - Video-Kommentar zu Command & Conquer: Rivals

Nachdem Microsoft 2017 Age of Empires 4 ankündigte und erste Gerüchte über ein neues C&C kursierten, wuchs diese Hoffnung weiter - um nun zu zerbröseln. Ja, mir ist durchaus klar, warum Electronic Arts ein Mobile-Spiel entwickelt. Weil sich der Markt gewandelt hat und beispielsweise Supercell, der Entwickler von Clash of Clans und Clash Royale im Jahr 2016 - als die Arbeit an Command & Conquer: Rivals begann - eine Milliarde Dollar verdient hat. Eine. Milliarde. Dollar. Gewinn (vor Steuern). Das kann in einer Marktwirtschaft nicht folgenlos bleiben.

Report: Ist die Echtzeit-Strategie tot? - Das sagen die Macher von C&C, Warcraft, AoE

Der Autor
Michael Graf ist mit Echtzeit-Strategiespielen aufgewachsen: Vom Echtzeit-Urvater Dune 2 ging seine Generalsreise über das erste Warcraft zu Command & Conquer. Das ist für ihn bis heute die beste Strategieserie, weil er 1.) Panzer einfach lieber mag als Orcs und Ritter und 2.) die filmhafte Inszenierung der C&C-Kampagnen zwar immer trashig war, aber auch enorm ins Universum zog. Ja, Kane war überzogen. Aber halt auch der beste Sektenführer der Spielegeschichte, Punkt.

Der Finger in der Wunde

Aber EA muss - wie Martinez gesteht - zugleich klar gewesen sein, dass man mit einem Mobile-C&C nicht nur den Finger in eine Wunde legt, sondern darin herumstochert wie ein unglückliches Kind im Rosenkohl. Denn Spieler, die noch die 90er-Jahre miterlebt haben, mussten in den letzten Jahren schon einige seelenlose App-Verwurstungen liebgewonnener Serien hinnehmen.

Etwa Age of Empires: Castle Siege. Oder das skandalöse Dungeon Keeper, bei dem sich EA sogar vorwerfen lassen musste, die User-Wertungen im Google-Play-Store zu manipulieren. So wurden nur volle fünf Sterne gezählt; wer weniger vergeben wollte, landete stattdessen in einem »Feedback-Formular«. Um den zähen Spielablauf und die aggressive Monetarisierung öffentlich anzuprangern, musste man also erst fünf Sterne anklicken und das Rating dann nachträglich absenken.

Command & Conquer 4 ist nie erschienen. Ähem. Command & Conquer 4 ist nie erschienen. Ähem.

Unabhängig von seiner tatsächlichen Qualität reiht sich C&C: Rivals automatisch in diese Tradition ein. Außerdem ist just die Command & Conquer-Community leidgeprüft genug, weil C&C 4 sowie das Free2Play-Desaster von 2013 schon eindeutig gezeigt haben, was die einstige Königsmarke der Echtzeit-Strategie inzwischen geworden ist: ein Spielball vermeintlicher Genretrends.

Echtzeit-Strategie braucht mehr Tempo und Action? Dann streichen wir in C&C 4 die Ressourcen und den Basisbau! Echtzeit-Strategie muss sich auf Multiplayer und E-Sport fokussieren? Dann bauen wir doch einfach ein Free2Play-C&C, das eventuell irgendwann einen Kampagnen-DLC bekommt. Echtzeit-Strategie funktioniert nur noch auf Mobile? Dann entwickeln wir eine App. Wer diesen Absturz einer einst ruhmreichen Strategieserie nachvollziehen will, dem sei unser dreiteiliger Plus-Report zur C&C-Geschichte ans Herz gelegt:

Report: Der Niedergang von C&C - Vom Trendsetter zur Resterampe

Okay, das Free2Play-C&C ist wirklich nicht erschienen. Okay, das Free2Play-C&C ist wirklich nicht erschienen.

Nennt es anders

All das ist rein wirtschaftlich gesehen nicht falsch, auf dem PC steckt das Genre seit Langem in der Krise. Aber wenn ich Command & Conquer rein wirtschaftlich sehen wollte, hätte ich einen Börsenbericht geschrieben und keine Kolumne. Spiele sind eine wahnsinnig emotionale Angelegenheit, erst recht, wenn es um Serien geht, mit denen wir tolle Jugenderinnerungen verbinden. Für einen Konzern wie EA mag das kein relevanter Faktor sein, aber dann soll sich sein Geschäftsführer Andre Wilson auf der E3-Pressekonferenz bitte auch nicht hinstellen und behaupten, man höre auf die Spieler.

Zumindest auf die alten C&C-Spieler hört ihr nicht! Denn denen wäre nach der Tortur des vergangenen Jahrzehnts kein neues Command & Conquer lieber gewesen als eines, das lediglich den Namen sowie ein paar Einheiten und bekannte Charaktere erbt, ansonsten aber nichts mit seinen Ahnen gemeinsam hat.

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Wie sich die Spieleindustrie dann weiterentwickeln solle, wenn alles immer wie früher sein müsse, fragt ihr? Ganz einfach: Indem man neuen Spielen auch neue Namen gibt! Ein Command & Conquer macht ein Versprechen, das C&C: Rivals nicht halten kann. Also nennt es nicht so! Nennt es Rogue Attack, War Commanders, Battle Generals oder denkt euch irgendwas noch Originelleres aus als ich an einem müden E3-Abend.

Der einzige Grund, warum C&C: Rivals das »C&C« im Namen und einen Glatzkopf namens Kane im Trailer hat, ist Aufmerksamkeit. Denn die gibt es inzwischen selbst für gute Spiele nicht mehr automatisch, dafür ist der Markt viel zu überfüllt und übersättigt. Electronic Arts hätte zwar mehr Marketing-Möglichkeiten als die meisten Entwickler (zum Beispiel E3-Pressekonferenzen), aber eine bekannte Marke senkt eben das Risiko, übersehen und für austauschbar befunden zu werden. Womit wir wieder bei der rein wirtschaftlichen Sichtweise wären.

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Ein Kane macht noch lange kein C&C. Und erst recht kein gutes. Ein Kane macht noch lange kein C&C. Und erst recht kein gutes.

Es ist gut ... eigentlich

Und jetzt kommt's: Ich habe grundsätzlich überhaupt nichts gegen Mobile-Spiele (Hach, Plants vs. Zombies!) und C&C: Rivals auf der E3 sogar schon gespielt - und fand es gar nicht so übel. Nicht überragend oder arg besonders, aber ein ganz gefälliges Mobile-Strategiespiel mit kurzen Partien, meist ist das Gefecht nach fünf Minuten vorbei.

Wie funktioniert es? Zwei Spieler treten auf einer kleinen Hexfeld-Karte gegeneinander an, jeder wählt entweder GDI oder Nod und kriegt einen Stützpunkt. Dort lassen sich Einheiten rekrutieren, darunter Erntemaschinen, die wir zu Tiberium-Feldern schicken, um mehr Geld zu verdienen. Das investieren wir in Nachschub oder in teure Stützpunkt-Upgrades, die neue Einheiten freischalten.

Truppen bewegen wir in Echtzeit über die Karte, Einheiten in aneinander grenzenden Feldern beschießen einander, und ja, es gibt das vielbeschworene Schere-Stein-Papier-System. Bazooka-Soldaten etwa schießen Orca-Helis ab, die kurzen Prozess mit Flammenwerfer-Panzern machen, die wiederum Bazooka-Soldaten einschmelzen. Also muss ich immer mal wieder unterlegene Trupps zurückziehen, Gegner umgehen (dank Kriegsnebel) und meine Einheiten clever staffeln.

Command + Conquer: Rivals - Gameplay-Überblicksvideo zum Free2Play-Mobilespiel Video starten 5:28 Command & Conquer: Rivals - Gameplay-Überblicksvideo zum Free2Play-Mobilespiel

Im Zentrum der Karte steht zudem ein Raketensilo, das ich erobern kann, indem ich mehr Truppen daneben postiere als der Gegner. Dann rauscht regelmäßig eine Atomrakete Richtung Feindbasis, nach zwei Einschlägen ist sie Geschichte. Ehrensache, dass das Silo schwer umkämpft ist. Aber gleichzeitig muss ich meine Ernter schützen! Und meinen Stützpunkt, der auch von regulären Truppen beschossen werden kann!

Also ja, da steckt durchaus Taktiktiefe drin - und Tempo. Ein nettes Duellspielchen für Zugfahrten, vor allem, wenn es fair monetarisiert wird. Mike Martinez deutet ein ähnliches System an wie bei Clash Royale: Lootboxen mit neuen Truppentypen, die es entweder für Spielwährung oder Echtgeld gibt. Mal sehen, wie gut das funktioniert. Und ob man im App-Store diesmal niedrigere Wertungen als fünf Sterne vergeben »darf«.

Eines ist Rivals aber eben nicht und wird es für mich auch niemals sein: ein Command & Conquer. Dass dieses Spiel diesen Namen trägt, ist ein Affront für alle, die C&C wirklich kennen und wissen, wofür die Serie steht. Oder besser: stand. Denn ein klassisches C&C wird es nun wohl wirklich nie mehr geben. Und das ist die wahrhaft traurige Nachricht an diesem Tag.

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