Drei Dinge, die Intel tun muss, um gegen Ryzen anzukommen - aber nicht tun wird

Intel könnte seine Position gegen AMDs Ryzen-Prozessoren mit einem Umdenken klar verbessern. Hardware-Redakteur Nils Raettig glaubt aber nicht, dass es dazu kommen wird.

AMD bietet mit den Ryzen-Prozessoren aktuell sehr gute CPUs an. Eine starke Antwort von Intel ist dagegen nicht in Sicht. AMD bietet mit den Ryzen-Prozessoren aktuell sehr gute CPUs an. Eine starke Antwort von Intel ist dagegen nicht in Sicht.

Bis die GameStar 1997 ins Leben gerufen wurde, hatte AMD vor allem leicht verändert Klone von Intel-CPUs erstellt. Im Jahr 1996 kam dann AMDs erster x86-Prozessor mit eigener Architektur in Form des K5 auf den Markt. Dadurch nahm das Duell zwischen AMD und Intel so richtig Fahrt auf.

Bis 2017 ist dieser Konkurrenzkampf bei den Desktop-CPUs zuvor jahrelang sehr einseitig gewesen, sieht man von den Athlon-Prozessoren ab: AMD hinkte Intels Core-i-Modellen mit den FX-CPUs technologisch zuletzt hinterher und stellte höchstes im Einsteigerbereich eine nennenswerte Option dar (Stichwort »FX 6300«).

AMD im Aufwind: Durch die neue Zen-Architektur hat sich die Situation bekanntermaßen geändert. AMDs Ryzen-Prozessoren erfreuen sich großer Beliebtheit und werden häufig eher empfohlen als Modelle von Intel. Mehr zu den aktuellen Hintergründen des Duells findet ihr im folgenden Plus-Report:

Dass viele inklusive mir derzeit Ryzen-CPUs im Vergleich mit Intels aktuellen Core-i-Modellen (vor allem Core i 9000 und Core i 10000) für die bessere Option halten, hat aus meiner Sicht verschiedene Gründe. Einige davon könnte Intel mit einem Umdenken der eigenen Strategie entkräften, gleichzeitig glaube ich aber nicht daran, dass es so schnell dazu kommen wird.

Der Autor: Nils Raettig ist seit Oktober 2013 Hardware-Redakteur der GameStar. Sein erster CPU-Test war der Core i7 5960X von Intel mit acht Kernen - zu seinem Release vor etwa sechs Jahren stellten Octacore-CPUs im Desktop-Bereich noch eine echte Seltenheit dar. In seinen Privat-PCs hat Nils bereits sowohl Prozessoren von AMD als auch von Intel genutzt. Schließlich kommt es aus seiner Sicht nicht darauf an, von wem eine CPU stammt, sondern wer zum jeweiligen Zeitpunkt das bessere Preis-/Leistungsverhältnis für die eigenen Ansprüche zu bieten hat.

Sockel & Mainboards länger unterstützen

Seit Release der ersten Ryzen-CPUs nutzen alle Desktop-Modelle von AMD den Sockel AM4. Es gibt zwar gewisse Einschränkungen, Käufer eines Mainboards mit 300er-Chipsatz der ersten Ryzen-Generation können aber über ein passendes BIOS-Update in vielen Fällen auch eine aktuelle Ryzen-CPU der dritten Generation nutzen.

Die Ende des Jahres erwarteten Ryzen-Modelle der vierten Generataion werden erst ab Mainboards mit 400er-Chipsatz aus der zweiten Generation laufen. Bei Intel ist man es dagegen eher gewohnt, mit jeder neuen CPU-Generation auch ein neues Mainboard kaufen zu müssen.

Das zeigt auch die folgende Übersicht. Während AMD seit Release der Ryzen-CPUs den Sockel AM4 für alle drei Ryzen-Generationen unterstützt, stand bei Intel-CPUs in derselben Zeit bereits zweimal ein zwingend nötiger Mainboard-Wechsel an.

AMD

  • Ryzen 1000: Sockel AM4 (300er- und 400er-Chipsätze)
  • Ryzen 2000: Sockel AM4 (300er- und 400er-Chipsätze, X570-Chipsatz)
  • Ryzen 3000: Sockel AM4 (300er-Chipsatz mit BIOS-Update, 400er- und 500er Chipsätze)
Intel
  • Core i 7000: Sockel 1151 (100er und 200er-Chipsätze)
  • Core i 8000: Sockel 1151v2 (300er Chipsätze)
  • Core i 9000: Sockel 1151v2 (300er Chipsätze)
  • Core i 10000: Sockel 1200 (400er Chipsätze)

Es kann natürlich auch technische Einschränkungen geben, die den Wechsel zu einem neuen Sockel unumgänglich machen. AMD hat aber grundsätzlich gezeigt, dass es möglich ist, einen Sockel für moderne CPUs eine vergleichsweise lange Zeit zu unterstützen.

Preise für die Top-Modelle senken

Wenn man sich Intels Top-Modelle im Desktop-Bereich seit 2017 ansieht, dann steigt dank Druck durch AMD Ryzen einerseits zwar die Kernzahl stetig an, andererseits ist aber auch der Preis kurze Zeit nach Release inzwischen klar höher als noch vor drei Jahren:

Core i7 7700K

vier Kerne

Q1 2017

ca. 330 Euro

Core i7 8700K

sechs Kerne

Q4 2017

ca. 380 Euro

Core i9 9900K

acht Kerne

Q4 2018

ca. 520 Euro

Core i9 10900K

zehn Kerne

Q2 2020

ca. 550 Euro

Lieferbar ist der Core i9 10900K momentan sogar erst ab 650 Euro. Dabei spielen zwar auch Faktoren wie die anhaltenden Schwierigkeiten mit neuen Fertigungsprozessen eine Rolle, Intel dürfte aber dennoch einen gewissen Spielraum haben.

Mehr Kerne pro Euro: Der beliebte und sehr gut lieferbare Ryzen 9 3900X kostet derzeit etwa 420 Euro und hat dafür zwölf Kerne zu bieten. In einem ähnlichen Preisbereich liegt aktuell auch Intels Core i9 9900K, allerdings mit vier Kernen weniger.

Eine hohe Kernzahl ist natürlich nicht alles und allein in Anbetracht der Lieferschwierigkeiten bei den Core-i-10000-Modellen mit zehn Kernen dürfte Intel nicht mal eben so ein Desktop-Modell mit zwölf oder mehr Kernen auf den Markt bringen können.

Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass Intel eben Intel ist. Der große Name macht es vermutlich gar nicht erst nötig, AMD über niedrigere Preise unter Druck zu setzen. Mit Blick auf das Gesamtpaket aus Leistung und Kosten würde ein solches Vorgehen Intels Position gegenüber AMD aber dennoch stärken.

Immerhin sind zuletzt die Modelle der 9000er-Generation günstiger geworden. Mit Blick auf kommende CPUs von Intel gehe ich aber davon aus, dass die Preise weiter auf einem hohen Niveau sein werden, vor allem bei den Top-Modellen.

Keine Beschneidung von Extras

AMD hat mit den Ryzen-Prozessoren vorgemacht, wie man ohne Beschneidung von Extras wie der virtuellen Kernverdoppelung oder der Übertaktung über alle Preisbereiche hinweg einen echten Mehrwert bieten kann.

Intel ist zuletzt immerhin bei der virtuellen Kernverdoppelung nachgezogen: Hyperthreading bieten in der Core-i-10000-Generation die meisten Modelle. Die Übertaktung lässt sich Intel dagegen immer noch in Form der K-Modelle und entsprechend hochpreisiger Mainboards mit Z490-Chipsatz teu(r)er bezahlen.

Es ist zwar denkbar, dass Intel auch diese alte Tradition mit einer der kommenden CPU-Generationen über Bord wirft, ich halte es aber für wahrscheinlicher, dass wir sie auch bei zukünftigen Desktop-Prozessoren sehen werden.

David gegen Goliath

Wirft man einen Blick auf die aktuellen Umsatzzahlen, steht Intel unangefochten auf Platz eins: Im zweiten Quartal 2020 lagen sie bei 19,7 Milliarden US-Dollar. AMD erreichte im selben Zeitraum mit 1,9 Milliarden US-Dollar nur etwa zehn Prozent davon.

Dabei konnte Intel die Umsätze trotz stärkerer Konkurrenz durch AMD Ryzen in den letzten drei Jahren tendenziell sogar steigern. AMD hat in diesem Zeitraum ebenfalls eine positive Bilanz zu verzeichnen, wenn auch auf einem deutlich niedrigeren Niveau:

In Sachen Umsatz spielt Intel in einer anderen Liga als AMD. Technisch müssen sich die AMD-Prozessoren dagegen alles andere als vor der Intel-Konkurrenz verstecken. In Sachen Umsatz spielt Intel in einer anderen Liga als AMD. Technisch müssen sich die AMD-Prozessoren dagegen alles andere als vor der Intel-Konkurrenz verstecken.

Dabei ist aber nicht zu vergessen, dass die Mühlen im Prozessor-Bereich eher langsam mahlen, was vor allem die sehr wichtige Server- und Data-Center-Sparte betrifft. Auch hier macht AMD (Epyc) Intel (Xeon) mehr als starke Konkurrenz, schnell in diesen Markt drängen ist aber nur schwer möglich, zumal hier nicht nur AMD und Intel mitspielen.

Außerdem ist Intel im Gegensatz zu AMD deutlich breiter aufgestellt und erzielt in vielen verschiedenen Geschäftsbereichen Umsätze. Das hilft dem Unternehmen wiederum dabei, die aktuellen Fertigungsschwierigkeiten bei den CPUs ein Stück weit aufzufangen.

Bastler sind nur ein Teil des Markts

Ein Aspekt, der Intel zu guter Letzt auch in die Karten spielt, ist die hohe Verbreitung in Komplett-PCs und Notebooks. Hier hat man gleichzeitig über die Jahre starke Partnerschaften aufgebaut und eine Dominanz entwickelt, die AMD nicht so leicht durchbrechen kann.

Da die Ryzen-CPUs aber grundsätzlich gute Produkte sind und AMD Intel inzwischen auch im Notebook-Segment mit Ryzen starke Konkurrenz macht, wäre es aus meiner Sicht für Intel umso wichtiger, jetzt schon soweit möglich gegenzusteuern, auch und vor allem im Desktop-Bereich.

Dabei mag es einerseits gewisse technische Hürden geben. Andererseits habe ich das Gefühl, dass Intel AMD wegen seiner dominierenden Marktposition noch nicht so ernst nimmt, wie sie es vielleicht sollten.

Wie schätzt ihr die Lage ein? Kann Intel nicht anders? Will Intel nicht anders? Oder muss Intel gar nicht anders? Schreibt es gerne in die Kommentare!

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