Treffen sich zwei Rollenspieler. »Boah«, sagt der erste, »gestern habe ich ein neues Rollenspiel angefangen. Tolle Story, wahnsinnig viele Dialoge, jede Menge zu lesen - ich muss einfach wissen, wie's weitergeht!«
»Du Glückspilz«, meint der andere, »ich habe gestern auch eins angefangen. Völlig abstruse Story, viel zu viel Text, kaum Kämpfe, ich blicke da null durch. Das Ding heißt Torment: Tides of Numenera. Und deins?«
»Meins auch.«
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil
17 Jahre und rund zwei Monate nach dem Klassiker Planescape Torment dürfte auch das neue Torment die Rollenspieler-Gemeinde spalten. Denn Torment: Tides of Numenera ist wieder so ganz anders als seine Genre-Kollegen. Sperriger, mit tonnenweise Lesestoff, mit weniger Charakter-Optimierung und Helden-Ausstaffieren, dafür mit viel ROLLENspiel.
Von Planescape zu Numenera: Wie Planescape: Torment entstand und einen Nachfolger bekam (Plus)
Wer Dialoge nicht nur wegklickt, sondern alles liest, wer keine Effektorgien braucht, sondern gerne Kopfkino guckt, der findet hier sein Eldorado. Verzichtet aber eben auf ausgetüftelte Kämpfe und Unmengen an Helden-Equipment, denn bei Torment gibt's vergleichsweise wenig Slots für Waffen, Rüstung, Schmuck und so weiter - dafür ein interessantes Cypher-System, das wir später genauer vorstellen.
Dass das Spiel andere Prioritäten setzt als viele andere großartige Oldschool-Rollenspiele wie etwa jüngst Tyranny und davor Pillars of Eternity und Divinity: Original Sin, merkt man schon beim Charakterbasteln. Gerade mal drei Klassen stehen parat: Glaive (Elitekrieger), Nano (Magiebegabter), Jack (Abenteurer-Allrounder).
Auch ihre Grundwerte sind nur zu dritt - Kraft, Geschwindigkeit, Intellekt, das war's. Dazu kommen anfangs je eine Fähigkeit (zum Beispiel ein automatischer Gegenangriff oder ein Haken, mit dem wir Gegner ranziehen können), sowie Dutzende Erkundungs- und Waffenfertigkeiten wie Maschinenkunde und Schwere Waffen.
Wenn Glück zur Spannung beiträgt
Aber keine Sorge, Tides of Numenera kommt zwar mit überschaubar vielen Skills aus, bietet aber dennoch ein außergewöhnlich tiefes Rollenspielsystem. Der Kniff: Die Grundwerte dienen auch als Pool für Skill-Würfe, deren Erfolgschancen wir erhöhen, indem wir unsere Kraft-, Geschwindigkeit oder Intelligenzpunkte einsetzen. Und wir können sie nur mittels kostspieliger Items oder an einem sicheren Rastplatz regenerieren.
Entsprechend stehen wir quasi im Minutentakt vor ebenso harten wie spannenden Entscheidungen. Setzen wir unsere Kraftpunkte ein, um eine Klippe zu erklettern, oder sparen wir die lieber auf, weil oben ja ein Monster lauern könnte. Intellekt lieber in einen besonders durchschlagenden Zauber oder ein besonders durchschlagendes Argument stecken?
Ja, in Torment wird viel gewürfelt - egal ob in Kämpfen, Dialogen oder beim Erkunden - was Glück zu einem elementaren Spielbestandteil macht. Aber nicht zu einem frustrierenden. Denn zum einen passieren meist auch dann interessante oder spannende Sachen, wenn eine Skill-Probe scheitert.
Und zum anderen können wir unsere Chancen auch meist auf 100 Prozent erhöhen, wenn's wirklich wichtig ist - genügend verbleibende Punkte vorausgesetzt! Dabei helfen unsere höchst unterschiedlichen Begleiter, die wir anheuern können und die mit ihren eigenen Talenten etwaige Schwachstellen ausgleichen.
Es begann mit Planescape
Planescape: Torment - ein Meilenstein der Rollenspiel-Geschichte. Im Dezember 1999 veröffentlichten die Black Isle Studios, das interne Entwicklerteam von Publisher Interplay, den Rollenspiel-Brocken Planescape: Torment.
Der Titel basiert auf der stark abgewandelten zweiten Edition von Advanced Dungeons & Dragons. Das exotische Planescape-Setting trägt seinen Namen wegen der vielen unterschiedlichen Existenzebenen. Als Namenloser wachen wir in dieser Welt auf, und dröseln in der für viele Genre-Fans besten Rollenspiel-Geschichtenach und nach unsere Vergangenheit auseinander - und warum wir nicht einfach sterben dürfen.
Produkt einer anderen Zeit:Die Geschichte von Planescape: Torment und seinem unerwarteten Nachfolger
Kurz nach dem eher klassischen Baldur's Gate erschienen, war Planescape spielerisch allerdings gewöhnungsbedürftig: So darf der Namenlosekeine Rüstung tragen, kann seine Abwehrkräfte aber mit Tattoos steigern. Trotzdem oder gerade deswegen gilt das Spiel bis heute als Meilenstein.
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